Bochum. Eine Firma mit ungewöhnlichem Namen hat sich als Anbieter von Produktionsplattformen etabliert. Große Touristikunternehmen gehören zu seinen Kunden.

Mit dem Konjunktiv hat es Wolfgang Wichert nicht so. Als Diplom-Mathematiker und Firmeneigner hält sich der 57-Jährige an Zahlen und Fakten. Mindestens dreimal aber sah sich der findige Selfmade-Unternehmer jener weitschweifenden Möglichkeitsform ausgesetzt, der Peer Steinbrück mit der Formel „Hätte, hätte, Fahrradkette“ ein verbales Denkmal gesetzt hat.

Das erste Mal gleich bei der Gründung: „Eggheads? Du bist nicht ganz gescheit. Ich nenne mich doch nicht Eggheads, ich will Fabriken automatisieren und habe mit Maschinenbauern zu tun“, habe er seinem Freund und Werbefachmann Michael Steinmann gesagt, als der seine Idee vom Firmennamen vorstellte („Wir zerbrechen uns ihren Kopf“, habe der als Slogan vorgeschlagen). Eierköpfe? Wichert hatte an etwas Seriöses gedacht: Innovative Produktions Logistik.

Korrekt, aber langweilig, befand der Werbestratege, überzeugte den Firmengründer und lag damit goldrichtig. Der ungewöhnliche Name entpuppte sich in der vermeintlich drögen Wirtschafts-Welt als große Marketingchance. Nicht umsonst nennen die Amerikaner diejenigen, die in der Wirtschaft hartnäckige Probleme lösen, eben Eggheads.

Medienneutrale Datenbank

Ein zweites Mal stand der Erfolg auf der Kippe, als die Firma, die sich erfolgreich mit Fabrikautomatisierung beschäftigte und Fremdsoftware vertrieb, eine eigene Software auf den Markt bringen wollte. Eine medienneutrale Datenbank wollte Wolfgang Wichert entwickeln. Eine Standardsoftware, die von vielen Unternehmen und Branchen angewendet werden konnte. „An so etwas hat damals noch fast keiner gedacht.“ Sein Credo: „Was die SAP für Betriebswirtschaft ist, machen wir jetzt mal für Vertriebs- und Marketingprozesse.“

„Geht nicht.“ Das haben ihm die Manager des Elektronikkonzerns ABB gesagt, denen er in einem Konzeptpapier unterbreitet hatte, wie sie mit seiner Software unterschiedliche Kanäle wie Kataloge, Werbebroschüren, Flyer oder Internetangebote bespielen können und zugleich Zeit und Geld für deren aufwändige Produktion sparen. Fünf Minuten sollte Egghead Wichert haben, um den Geschäftsführer zu überzeugen. Fünf Minuten für eine Millionenprojekt, für eine Zukunft? Der ABB-Mann war begeistert und fragte, Wichert klingt es noch heute in den Ohren: „Warum muss eine Bochumer Klümpchenbude uns zeigen was Innovation ist?“

Umsatz in Millionenhöhe

Aus der „Klümpchenbude“ ist eine Firma mit 50 Beschäftigten, Millionen-Umsatz und ansehnlichem Kundenkreis geworden. Der reicht von der „Der Touristik“ über viele Branchen hinweg bis zum milliardenschweren Schraubenhersteller Würth. Auch Firmen aus der Region sind darunter: Wollschläger, Hafermann, Schlaraffia. Heute wie damals, so Wichert, sei Eggheads die „critical software“; früher deshalb, weil die Software manchmal nicht lief, „und heute, weil es ohne uns schon gar nicht mehr geht.“

Etwa in der Touristikbranche. 70 Prozent aller Katalogseiten, die in Reisebüros in den Regalen stehen, sind mit meiner Software gemacht.“ TUI, Neckermann, FTI, Thomas Cook. Alle Großen stehen auf der Referenzliste. Sie haben die Eggheads-Software gekauft und nutzen die Kompetenz der Firma aus Riemke. „Wir sind in der Situation, dass wir einen großen Teil des Umsatzes über Wartungsverträge machen.“

Und das geht nur, weil der Mann, der einst eine Lehre als Technischer Zeichner auf der Henrichshütte in Hattingen absolviert, über den zweiten Bildungsweg das Abitur gemacht und dann an der Gesamthochschule Essen Mathematik, Philosophie und Wirtschaftswissenschaft studiert hat, auch die dritte große Hürde auf dem Weg zum erfolgreichen Unternehmer gemeistert hat. Den wegweisenden ABB-Auftrag hatte er nur deshalb durchführen können, weil er in Absprache mit der Familie das Privathaus im Stadtteil Sundern belieh, um den notwendigen Bankredit absichern zu können. Wäre das damals nicht gut gegangen . . . Ist es aber.

Läuft es gut, können die Führungskräfte irgendwann den Laden übernehmen 

Gut aufgestellt sieht sich Eggheads auch für die Zukunft. Und dafür werden gerne der US-amerikanische IT-Marktanalysten Forrester und Gartner herangezogen. Die sagten: „Wer erfolgreich in E-Commerce sein will, der muss seine Produktdaten im Griff haben“, so Wolfgang Wichert. Genau das mache seine Software möglich. Und je vielfältiger dank moderner Technik und Kommunikation die Vertriebs- und Marketingkanäle werden, desto wichtiger sei die medienunabhängige, vielseitig nutzbare Datenbank. „Alle reden darüber, und wir machen es schon lange.“

So gut läuft es, dass es allmählich Zeit wird, die 900 qm großen Büroräume in dem Zweckbau am Riemker Markt zu verlassen. Der Vertriebsleiter hätte am liebsten ein neues ein Gebäude mit viel Glas. „Wir suchen schon länger etwas Neues“, sagt Christiane Weidenbach, Prokuristin, Finanzchefin und ebenso wie einige weitere Führungskräfte am Unternehmen beteiligt. Aber es sei schwer, auf dem Bochumer Büromarkt etwas Geeignetes zu finden. Es sollte verkehrsgünstig liege, mit einer Klimaanlage ausgestattet sein und über Glasfasertechnik verfügen. Nun denken sie bei Eggheads darüber nach, ein eigenes Domizil mit 1500 qm Bürofläche zu bauen.

MEIN JOB: Fachinformatiker und Kundenbetreuer

Momentan ist er Teilzeitmitarbeiter. An drei Tagen in der Woche kümmert sich David Klein (33) um die Betreuung von Kunden. Alle Fragen rund um die Egghead-Software kann er beantworten und profitiert dabei von seiner 15-jährigen Erfahrung im Unternehmen. „Presale“ heißt sein Bereich.

„Eigentlich wollte ich nach dem Abitur Medieninformatik studieren“, sagt er. Die Zeit des Wartens auf einen Studienplatz überbrückte er mit der Ausbildung zum Fachinformatiker Anwendungsentwicklung bei Eggheads. Dann ging es rasant weiter: Administrator, Projektleiter, Teamleiter und Ausbilder. Er ist hoch geklettert auf der Erfolgsleiter.

„Und wir hoffen, dass sein Kinder bald groß sind und er wieder voll einsteigen kann“, so Egghead-Inhaber Wichert. Dabei hatten sich die beiden zu Anfang in die Wolle gekriegt. „Wir haben uns über Motorräder gestritten“, erinnert sich der Chef. Weil der Bewerber so offensiv aufgetreten sei, war ihm klar, dass er ihn einstellen würde – auch wenn er mit einer „Reisschüssel“ angekommen war und nichts von den Motorrädern hielt, die der Chef bevorzugt.

Das größte Plus bei den Eierköpfen: „Was uns ausmacht ist der enorme Teamgeist“, sagt David Klein. Und das gelte nicht nur im Büro, sondern auch in der Freizeit, zu den gemeinsame Wii- oder Pokerabende gehören.

Derweil wächst die nächste Inhaber-Generation heran. Wolfgang Wichert selbst hat sein Unternehmen einst mit einem Management-buy-out erworben, als Angestellter übernahm er ein Dortmunder Softwarehaus. Dass er selbst einst von seinen jetzigen Angestellten „ausgekauft“ werden könnte, schreckt ihn nicht. Im Gegenteil. Er delegiere gerne, wie er sagt. Und er stelle bei entsprechender Leistung Teilhaberschaft in Aussicht. Auch das reize Fachkräfte, die von anderen Unternehmen weggelotst oder im Kampf gegen große, Unternehmen angelockt werden müssten. Zumal: „Wir finden weniger Leute als wir gerne hätten. Das ist eines unserer kritischsten Themen.“

Wachstum ist notwendig

Entwickelt wird dennoch weiter. Qualitativ, aber auch quantitativ. Am Wachstum, so der Chef, führe angesichts der Erwartungen der Kunden kein Weg dran vorbei, nur müsse das Tempo kontrollierbar sein. Zur Zeit arbeiten sie an einer „interessanten Lösung für den Busbereich“. 1600 Reisebusveranstalter gebe es in Deutschland. „Die lassen sich von Agenturen die Kataloge bauen und hoffen, dass jemand anruft.“ Dabei gehe es viel besser und einfacher – sagen die Eierköpfe.