Bochum. Ute Bogucki, Leiterin des Amts für Soziales und Wohnen, erklärt, warum ihre Idee dauerhafter Flüchtlingsunterkünfte noch Zukunftsmusik bleibt.

Seit Juni leitet Ute Bogucki das Amt für Soziales und Wohnen. WAZ-Mitarbeiterin Nadja Juskowiak sprach mit der 58-Jährigen über die vergangenen Monate.

Frau Bogucki, Sie sind jetzt ein halbes Jahr im Amt. Welchen zentralen Herausforderungen mussten Sie sich stellen?

Ute Bogucki: Die zentrale Aufgabe war ganz klar die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen. Es ist auch im Moment noch so, dass sich 80 Prozent meiner Arbeit darum dreht. Wir haben ungefähr 650 Menschen in diesem Jahr untergebracht: Das sind in etwa so viele, wie vorher insgesamt hier waren. Allein in den letzten zwei Monaten kamen 350 . Das war schon heftig. Seit 2012 gibt es einen Anstieg und es hat sich vor allem in diesem Sommer durch den Krieg in Syrien und durch den IS (Islamischer Staat) verstärkt. Derzeit versorgen wir in Bochum 1200 Flüchtlinge. Wie viele neue Flüchtlinge wir unterzubringen haben, das erfahren wir eine Woche vorher meist am Freitagnachmittag.

Welche Möglichkeiten gibt es, Flüchtlinge in Wohnungen unterzubringen. Es heißt, es gäbe Gespräche mit der Deutschen Annington, die Wohnungen bereit hält?

Bogucki: Ich habe eine Liste von der Deutschen Annington von Wohnungen, die zur Verfügung stehen könnten. Das Übergangsmanagement sieht vor, dass Menschen, die ein halbes Jahr in einem Übergangsheim wohnen und den entsprechenden Status haben, in eine Wohnung ziehen können. Jeder unserer Sozialarbeiter kümmert sich um 200 Flüchtlinge. Ein Schlüssel von 1 zu 80 wäre wünschenswert. Noch sind etwa 280 Menschen in den Übergangsheimen, die schon in eine Wohnung könnten. Bei einem Schlüssel von 1 zu 200 ist das nicht zu schaffen.

Sie haben die Idee, dauerhafte Flüchtlingsunterkünfte in jedem Stadtbezirk einzurichten. Gibt es dazu schon konkrete Pläne?

Bogucki: Es ist im Planungsstadium geblieben. Die Stadt hat derzeit keine Standorte, an denen dauerhaft Häuser eingerichtet werden könnten. Wir haben Kontakt mit den Zentralen Diensten und ein Architekt hat einen Entwurf erarbeitet mit einem Türensystem für verschiedene Personenkonstellationen. Die Kosten für ein neues Haus würden 2,4 Millionen Euro betragen und es müsste europaweit ausgeschrieben werden. Es würde also sicher drei Jahre dauern. Für kurzfristige Lösungen haben wir jetzt eine Liste städtischer Standorte erarbeitet, die für eine temporäre Unterbringung in Frage kommen. Wir möchten wieder in die Situation kommen, zu agieren und nicht nur zu reagieren.

In anderen Städten gab es auch rechtsextreme Auswüchse, in Bochum hingegen viel Hilfe für die Flüchtlinge.

Bogucki: Ich denke, das starke bürgerschaftliche Engagement ist ein guter Schutz gegen rechtsextreme Bewegungen.

Koordinator für Bürgerengagement

Ich habe gehört, es ist nicht immer einfach, einen Ansprechpartner zu finden, wenn Bürger helfen wollen. An wen können sich engagierte Menschen wenden?

Bogucki: Sie können sich vorstellen, dass die Kollegen, die mit der Unterbringung von Flüchtlingen beschäftigt sind, mit ganz anderen Dingen befasst sind, als zum Beispiel Spenden zu verteilen. Wir haben eine solche Stelle beantragt. Ich gehe davon aus, dass der Haupt- und Finanzausschuss die Stelle ,Koordinator Ehrenamt’ heute beschlossen hat. Wenn es so ist, werden wir diese möglichst zeitnah besetzen und dann eine Telefonnummer veröffentlichen, an die sich die Menschen wenden können. Das ist etwas, was für mich schon seit Wochen dringend erforderlich ist. Ich möchte, dass diese Welle der Hilfsbereitschaft möglichst lange anhält und bedanke mich dafür. Wir haben insgesamt 5,5 Stellen beantragt. Außer dem ,Koordinator Ehrenamt’ soll es einen ,Koordinator Sozialarbeit’ geben und weitere 3,5 Stellen, um die Fallzahl der Sozialarbeiter zu reduzieren auf erst einmal 1 zu 100 statt 1 zu 200.

Sie sind nicht nur für Flüchtlinge zuständig. Welche Themen sind aus sozialpolitischer Sicht 2015 wichtig in Bochum?

Bogucki: Die sechs Seniorenbüros in den Stadtbezirken sind gut angelaufen. Diese Arbeit mit den älteren Menschen in der Stadt ist mir sehr wichtig. Dann ist da natürlich der Bereich ,Wohnen’: Ich finde es wichtig, dass sich die Stadt Bochum im Bereich des sozialen Wohnungsbaus engagiert. Das war in der Vergangenheit nicht so sehr der Fall. Außerdem wird das neue Pflegestärkungsgesetz auf uns zu kommen, das wir mit Leben füllen müssen.