Bochum. Das Ruhrbistum hat einen erneuten Sparkurs ausgerufen. Stadtdechant Dietmar Schmidt äußert sich zu den Auswirkungen auf die heimischen Gemeinden.
Einen ziemlich harten Sparkurs hat das Ruhrbistum verkündet: Allein bis 2030 sollen die Gemeinden 50 Prozent ihrer Ausgaben einsparen. Ein großes Stück Arbeit liegt nun vor den Pfarreien, die die Vorgaben umsetzen müssen. Zur Spardiskussion äußert sich Stadtdechant Dietmar Schmidt, zuständig für das Dekanat Bochum/Wattenscheid, der auch weitere Kirchenschließungen nicht ausschließt.
Kein schöner Einstieg in die Advents- und Weihnachtszeit?
Dietmar Schmidt: Wer mit der Adventszeit vor allem Glühweinduft und nostalgische Gemütlichkeit verbindet, für den ist die Ankündigung der Bistumsleitung sicher eine unangenehme Störung. Wer im Advent um eine gute Vorbereitung auf das Fest der Geburt eines ‚heruntergekommenen Gottes’ bemüht ist, den wirft ein nüchterner Blick in die Zukunft der Kirche nicht um.
War der Brandbrief zum erneuten Sparkurs abzusehen?
Schmidt: Für alle, die in den vergangenen Jahren aufmerksam die Veränderungen im kirchlichen Leben beobachtet haben, kann diese Ankündigung keine Überraschung mehr sein.
Gibt es erste Reaktionen aus den Pfarreien? Ärger, Wut, Resignation?
Schmidt: Die Reaktion in den Gemeinden ist genau deshalb nach meiner Beobachtung auch eher unaufgeregt als spektakulär. Sicherlich aber spüren alle, denen am Leben der Kirche liegt, die außerordentliche Herausforderung, die damit verbunden ist.
Wie wollen Sie in den Pfarreien Bewusstsein und Einsicht für die notwendigen Veränderungen schaffen?
Schmidt: Die frühe Ankündigung der bevorstehenden Einsparungen birgt die Chance, sich mit den Menschen vor Ort auf den Weg zu machen und auch vor Ort nach Lösungen zu suchen. Ehrlicher Umgang mit den Sachzwängen und größtmögliche Transparenz der Entscheidungsprozesse – „von unten nach oben“ – sind nach den Erfahrungen mit der letzten Strukturreform wichtige Voraussetzungen für ein reibungsarmes Gelingen.
Bis 2017 soll die Phase der Sparüberlegungen gehen. Mit welchen Inhalten rechnen Sie? Gibt es Tabus?
Schmidt: Je größer die Bereitschaft, alles auf den Prüfstand zu stellen, desto größer ist auch die Chance, die schmerzlichen Entscheidungen mit möglichst breiter Akzeptanz zu fällen.
Schließung von Kirchen und Gemeindehäusern darf nur das letzte Mittel sein
Könnte es zur Aufgabe von Kirchengebäuden kommen?
Schmidt: Die Schließung von Kirchen und Gemeindehäusern darf bei allen Einsparungen nur das letzte Mittel sein. Sicher wird es in Zukunft zu weiteren Schließungen kommen müssen. Ich finde wichtig, dass die Entscheidungen dazu auch in ökumenischer Verantwortungen getroffen werden. Unsere evangelische Schwesterkirche ist in vergleichbarer Not. Vielleicht kann uns diese Herausforderung auch zu einem glaubwürdigen Miteinander ermutigen.
Sind Sparen und lebendige Kirche nicht ein Widerspruch?
Schmidt: Wenn ich das wesentliche Anliegen von Papst Franziskus richtig verstehe, ist das Gegenteil der Fall: Für die Kirche Jesu Christi ist Reichtum und Glaubwürdigkeit ein Widerspruch. Der Papst lässt keine Gelegenheit aus, die Kirche an ihre ursprüngliche Berufung zu erinnern. Ihm ist eine zerbeulte Kirche, die für die Armen da ist, lieber, als eine satte, die sich selbst genügt. . .
Was wären denn mögliche pastorale Visionen für die Zukunft?
Schmidt: Die „raumpflegerische Lösung“ – immer größere Gemeinden mit immer weniger Seelsorgern und Seelsorgerinnen – ist jetzt schon an absurde Grenzen gestoßen. Wir werden uns neu auf die drei „Z“ besinnen, von denen Kirche lebt: Wir werden Zellen bilden, kleine christliche Gemeinschaften, in denen einer den anderen im Glauben und im Leben stärken kann. Wir werden Zeichen setzen, in der Welt, in der wir leben, den Glauben als Geschenk erfahrbar zu machen. So werden wir Zeugen sein für den, der in der Krippe zur Welt gekommen und am Kreuz gestorben ist. Wir werden neu über die Rolle der Frauen in der Kirche und auch über priesterliche Berufung nachdenken müssen.
Wie viele Katholiken gehören dem Dekanat BO/WAT an? Wie viele waren es vor zehn Jahren? Wo dürfte die Entwicklung hingehen?
Schmidt: Die Zahl der Katholiken im Bistum Essen ist seit der Gründung von anderthalb Millionen auf 800.000 geschrumpft. Zu unserem Stadtdekanat BO/WAT gehören jetzt 117 000 Katholiken. Vor zehn Jahren waren es noch über 138.000. Wir müssen davon ausgehen, dass sich diese Entwicklung weiter fortsetzt. Umso mehr dürfen wir uns auf die Zusage vom Herrn der Kirche verlassen. „Euer Herz sei ohne Angst!“