Bochum. Hausregisseur Roger Vontobel inszeniert Hauptmanns frühes Stück „Einsame Menschen“ im Schauspielhaus Bochum. Im ungewöhnlichen Zuschauerraum mit viel klassischer Musik.
Eine „tolle Studie über Zersetzungsmechanismen“ hat Roger Vontobel entdeckt. Der Hausregisseur bringt Gerhart Hauptmanns frühes Familiendrama „Einsame Menschen“ ins Schauspielhaus. Das filigrane Stück inszeniert er auf einer kleinen, sich drehenden Spielfläche, die von zwei Seiten von Zuschauern einzusehen ist. So entstehe eine intime Spielsituation, der Zuschauer ist ganz nah dran.
Das erfreut den Theaterfan, ist doch die Besetzung einmal mehr exzellent. Die Hauptrolle spielt der wiederkehrende Gast Paul Herwig, den Vontobel fast ehrfürchtig einen „Seelenzeichner“ nennt. Er gibt Johannes Vockerath, der sich nach einer unabhängigen Schriftstellerexistenz sehnt und frisch Vater geworden ist. Jana Schulz, aktuell theaterpreisnominiert, spielt die Ehefrau und Mutter Käthe Vockerath.
Erschütterte Familienkonstruktion
Das Familienkonstrukt, zu dem auch noch Eltern (Michael Schütz und Katharina Linder) und Studienfreund (Felix Rech) gehören, wird erschüttert durch die Studentin Anna Mahr (Therese Dörr), die alles zu verkörpern scheint, wonach sich Johannes sehnt. Familie und Verantwortung und auf der anderen Seite die Liebe zur Freiheit werden unauflösliche Gegensätze.
Diese sind es die Regisseur Vontobel im Text faszinieren. „Hauptmann hat das unglaublich genau notiert“, findet er. „Modern, facettenreich und so, dass heute jeder dort andocken kann“, beschreibt er die Zeitlosigkeit des Stoffes. Allein aus der im Text sehr jungen, naiven Käthe wird eine stärkere, extremere Frauenrolle – „eine Studie einer jungen Mutter“. Vontobels Inszenierung frage ferner danach, wie groß das Ausmaß an Verzicht ist, das zu leisten ist für die Konstruktion Familie. Die Figuren Hauptmanns seien im Jetzt gefangen, ohne funktionierendes Wertesystem, selbst das Kind könne nicht Lebensaufgabe als dienen.
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Als etwas, das über den alltäglichen Dingen steht, dabei aber quasi der transzendentalen Obdachlosigkeit entgegenstehend, wird in der Inszenierung die klassische Musik eingeführt. „Ein höchst romantisches Motiv“, so Vontobel. Cellist Matthias Herrmann und Bariton Tomas Möwes musizieren live, Wiegenlieder und Volkslieder im Kontext etwa.