Opel sorgte in Bochum Anfang der 1960er Jahre für Euphorie
•
Lesezeit: 4 Minuten
Bochum. . 1960 wurde der Bau des Opel-Werks verkündet. 1963 schon rollt der 100.000. Kadett A vom Band. Eine Zeitzeugin erinnert sich an die Opel-Euphorie.
Zuerst war es nur ein Gerücht. „Mein Vater hatte erfahren, dass Bochum ein großes Werk bekommen sollte. Was genau, wusste er aber nicht“. Liesel-Milli Riechmann (77) erinnert sich an jene Tage im Jahr 1960.
Die nahegelegene Zeche Dannenbaum hatte zwei Jahre zuvor dicht gemacht, Tausende Bergleute hatten ihre Arbeit verloren, die Stimmung in der Stadt war gedrückt. Und dann verkündeten Stadt und Unternehmen am 20. Mai 1960: Opel kommt nach Bochum.
Plötzlich herrschte richtige Euphorie
„Sie können sich nicht vorstellen, was das ausgelöst hat. Auf einmal herrschte eine richtige Euphorie“, erzählt die Gastwirtstochter. Tausende Arbeitsplätze würden entstehen. „Es herrschte Begeisterung, nicht nur unter den Bergleuten. Etwas Besseres hätte gar nicht passieren können.“
Die Wirtschaft ihrer Eltern, die Gaststätte Burkhardt an der Dannenbaumstraße – seit 1911 von der Familie betrieben – kam wieder in Schwung. Jahrzehntelang hatte sie von den Zechenkumpel gelebt. Nun sollten erst 5500 Bauarbeiter auf der damals größten Baustelle Europas und dann bis zur Schließung der Gaststätte 2003 die Opelaner – in der Spitze waren es mehr als 20 000 – für Betrieb sorgen.
Werk wurde atemberaubend schnell hochgezogen
Mittags kamen sie in Scharen durch das gegenüberliegende Eingangstor direkt neben der früheren Zechenverwaltung, standen in Reihen vor dem Tresen – ein Pils in der einen, ein Schnitzel in der anderen Hand. „Was hier manchmal los war“, sagt Liesel-Milli Riechmann und zeigt auf ein Foto aus jener Zeit.
Atemberaubend war das Tempo, in dem das Werk hochgezogen wurde, nachdem die Zeche samt Kokerei abgerissen worden war und „riesige Bagger“, so die 77-Jährige, die bis zu 30 Meter hohen, landwirtschaftlich genutzten Hügel vor dem Zechengelände, abgetragen hatten. Heute steht dort noch die Hülle des Presswerks, 86 000 Quadratmeter groß. Im Herbst wird sie fallen.
Werk hatte zunächst 7000 Mitarbeiter
Weil rund um das Werk in Rüsselsheim die Arbeitskräfte knapp wurden, hatte Opel für sein neues Modell Kadett A ein neues Werk bauen wollen. „Dem Entschluss, in Bochum zu investieren, waren intensive Studien vorausgegangen“, heißt es in einem Papier des Konzerns. Im September 1960, nur vier Monate nach der Bekanntgabe, begannen die Bauarbeiten.
Weitere 24 Monate später stand das Werk mit seinen zunächst 7000 Mitarbeitern an zwei Standorten in Laer auf dem früheren Gelände der Zeche Dannenbaum und in Langendreer, wo zeitgleich das Motorenwerk errichtet worden war. 1,3 Milliarden DM, so Opel, haben Werk I und II gekostet.
Stadt half beim Strukturwandel
Allerdings hat auch die Stadt einen beträchtlichen Anteil am Strukturwandel getragen. Sie hatte das Zechengelände für 2,2 Millionen DM und weitere Flächen für 3 Millionen DM gekauft, beides baureif gemacht und für gerade einmal 1,2 Millionen DM an Opel verkauft. Außerdem übernahm sie die Haftung für mögliche Bergschäden, baute Verkehrsanschlüsse und kaufte das Kraftwerk Prinz Regent, von dem Opel mit Energie und Dampf versorgt werden sollte.
Am 10. Oktober 1962 lief der erste Kadett vom Band – „noch nicht fahrtüchtig und auch nicht komplett hier gebaut“, wie ein Insider verrät.
Der 100.000 Opel Kadett aus Bochum
1/2
Aber schon bald sollte Bochum die erste Stadt im Ruhrgebiet mit einer funktionsfähigen Autoproduktion sein. Anfangs verließen täglich ein paar Dutzend Kadett A das Werk, schon bald aber waren es 1000. Gerade neun Monate nach der Eröffnung lief am 20. Juni 1963 der 100 000. Opel „made in Bochum“ vom Band. Ein Meilenstein. Einer von vielen, die noch folgen sollten.
>> Multimedia-Chronik: Bochum von 1948 bis 2018
Dieser Artikel ist Teil des ProBO-Projektes „70 Jahre WAZ – 70 Jahre Bochum“. Unser Zeitstrahl Bochum70.waz.de bietet zu Nachrichten und Ereignissen, die für Bochum(er) zwischen 1948 und 2018 wichtig waren oder wurden, historische Filmaufnahmen, Fotos und die alten WAZ-Zeitungsseiten zum Durchblättern. Auf dem Spezial können Sie auch eigene Bochumer Stadtgeschichten und Fotos hochladen. Das erste Jahresthema der Multimedia-Chronik: die Gründung der WAZ in Bochum im Jahr 1948.
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.