Mainz/Bochum. Die Kritik am DFB-Sportgericht und am VfL Bochum ist laut – der Bundesligist bleibt leise. Neben Union Berlin könnten weitere Klubs Berufung einlegen.
Dieter Hecking hatte allen Grund zur Klage am späten Samstagnachmittag. Der Trainer des VfL Bochum musste ein 0:2 beim FSV Mainz 05 und eine schwache Leistung seines Teams erklären, geprägt von vielen Fouls, Unterbrechungen, Fehlpässen und einem Totalausfall in der Offensive – Bochum brachte nur einen Torschuss zustande. Jonathan Burkardt hatte die Partie mit seinen beiden Treffern für die klar überlegenen Mainzer da bereits entschieden (23./69.).
„Pässe über sieben, acht Meter dürfen ankommen“, haderte Hecking. Nach der leichten Euphorie nach dem ersten Saisonsieg gegen Heidenheim kurz vor Weihnachten herrscht wieder Abstiegs-Stimmung beim VfL – trotz des juristischen Erfolges am Donnerstag vor dem DFB-Sportgericht.
Union-Präsident Zingler schießt scharf gegen Sportgerichtsurteil und VfL Bochum
Der hatte die Hoffnung auf den Klassenerhalt weiter genährt, das Gericht sprach dem VfL einen 2:0-Sieg zu nach der Skandalpartie bei Union Berlin (1:1). Ein Union-Anhänger hatte Patrick Drewes mit einem Feuerzeug am Kopf getroffen, der Torwart konnte nicht weiterspielen, Bochum hatte sein Wechselkontingent ausgeschöpft. Mit einem Nichtangriffs-Pakt endete die Partie. Das Gericht sprach von einem Quasi-Abbruch, Schiedsrichter Martin Petersen hätte das Spiel abbrechen müssen.
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Union Berlin sieht das anders, legte Berufung beim DFB-Bundesgericht ein. Und schießt scharf. Der DFB habe mit der Spielwertung gegen Berlin „gegen die eigene Rechtsordnung“ verstoßen, schimpfte der Präsident von Union, Dirk Zingler, vor mehreren Mikrofonen am Samstag beim 0:2 der Berliner in Heidenheim. Die Wertung sei „vollkommen an den Haaren herbeigezogen“. Der DFB-Kontrollausschuss mit Anton Nachreiner an der Spitze habe „mal wieder ein politisches Exempel statuieren“ wollen und dafür sogar Schiedsrichter Martin Petersen „geopfert“, der „massiv unter Druck gesetzt“ worden sei. Bochum habe den Vorfall genutzt, „um sich einen sportlichen Vorteil zu verschaffen“. Das sei ein „unfairer Skandal, da hört der Spaß auf“.
VfL Bochum schlägt nicht zurück
Dieter Hecking, der Trainer des VfL, blieb ruhig. Dass Union gegen das Urteil in Berufung gehen werde, sei „ein ganz normaler Vorgang“, sagte er in Mainz auf Nachfrage im kleinen Journalistenkreis und ergänzte: „Ob man das in der Art und Weise machen muss, ist jedem freigestellt.“ Sich weiter dazu zu äußern, „bringt überhaupt nichts“, meinte er.
Vom VfL Bochum wird kein öffentlicher Gegenangriff kommen. Der Klub sieht in den Attacken Unions eine Fortsetzung der Täter-Opfer-Umkehr. „Nicht wir haben das Feuerzeug geworfen, sondern ein Anhänger von Union Berlin“, hatte Geschäftsführer Ilja Kaenzig bereits im Vorfeld gesagt. Der Klub sieht keinen Bedarf, sich für ein Gerichtsurteil zu rechtfertigen, hört man aus dem Verein. Bochum will ein öffentliches Duell mit Union vermeiden, zudem handelt es sich um ein schwebendes Verfahren – womöglich mit weiteren Gegnern.
Auch Heidenheim und St. Pauli denken über juristische Schritte nach
Und so war an diesem Bundesliga-Wochenende überwiegend Kritik am Sportgerichts-Urteil und am VfL zu hören, unter anderem in der Sport1-Talkrunde Doppelpass fiel der eine oder andere Experte mit scharfen Aussagen über Torhüter Drewes her, unterstellte entweder mangelnde Standfestigkeit – oder gleich Schauspielerei. Ein Vorwurf, den das Gericht entkräftet hatte.
Auch Abstiegskonkurrenten sind nicht amüsiert darüber, dass der VfL zwei Punkte mehr am Grünen Tisch erhalten hat. Heidenheims Boss Holger Sanwald sagte bei Sky: „Ich kann mit dem Urteil nichts anfangen und bewerte es als falsch.“ Bochum greife „nach dem letzten Strohhalm“. Der FCH erwäge juristische Schritte. Ebenso wie der FC St. Pauli, am Mittwoch zu Gast im Ruhrstadion (18.30 Uhr/Sky), wenn dem VfL nur ein Sieg zum Abschluss der verkorksten Hinrunde die Hoffnung auf die Rettung zurückbringen kann. Mit derzeit sechs Punkten – die beiden zusätzlichen aus dem Union-Spiel wegen des laufenden Verfahrens noch nicht eingerechnet – ist Bochum Schlusslicht, Pauli hat bereits 14 Zähler gesammelt.
Sportanwalt: Auch andere Klubs können gegen Urteil vorgehen
Paulis Präsident Oke Göttlich stellte die Frage, ob das Urteil die „Wettbewerbsintegrität“ beschädigt habe und betonte: „Das gucken wir uns sehr genau an.“ Tatsächlich lässt die Rechts- und Verfahrensordnung des DFB zu, dass auch Vereine wie St. Pauli, Kiel oder Heidenheim beteiligt werden, erklärte der Dortmunder Sportanwalt Markus Buchberger, Professor für Sportrecht an der Hochschule Koblenz, gegenüber dieser Redaktion. Geregelt ist dies in Paragraph 26 Satz 2. Da heißt es: „Das Recht zur Berufung haben auch zunächst nicht am Verfahren beteiligte Mitgliedsverbände, ihre Vereine sowie deren Einzelmitglieder und Tochtergesellschaften und Spieler, die ein unmittelbares berechtigtes Interesse an der Entscheidung nachweisen.“
Die Berufungsfrist endet am Donnerstag, danach entscheidet das DFB-Bundesgericht, ob es mündlich oder schriftlich verhandelt. Union Berlin hat für seine Begründung vier Wochen Zeit, vermutlich tagt das Gericht im Februar. Zeugen werden voraussichtlich nicht mehr geladen. Torwart Patrick Drewes etwa hatte am Donnerstag vor Gericht seinen Zustand nach dem Feuerzeugwurf erklären müssen. Am Samstag war er bei den Gegentoren machtlos, noch einer der Besseren beim VfL – gegen St. Pauli müssen Drewes und sein Team liefern. Auf dem Platz, nicht vor Gericht.