Bochum. Bochum-Geschäftsführer Ilja Kaenzig spricht im Interview über Fehler des VfL und die Pläne für die anstehende Transferphase.

Ilja Kaenzig erscheint nicht nur pünktlich, der Sprecher der Geschäftsführung des VfL Bochum trifft sogar vor der verabredeten Zeit zu seinem Redaktionsbesuch ein. So bleibt ein wenig Zeit, ihm die Redaktionsräume inklusive des hochmodernen Videostudios zu zeigen. Aber wirklich nur ein wenig Zeit, es soll ja um den VfL Bochum gehen und da gibt es Themen genug. Und so spricht der 51-Jährige ausführlich über die schwierige Lage des Klubs, Fehler der Vergangenheit, mögliche Transfers im Winter – und die Zukunftsperspektiven des VfL.

Herr Kaenzig, die Weihnachtsfeiertage stehen vor der Tür. Können Sie diese Zeit überhaupt genießen?

Ilja Kaenzig: Man muss ehrlich sagen: Beim VfL Bochum sind aktuell alle überlastet. Die Themen werden nicht weniger – egal zu welcher Jahreszeit. Vor Weihnachten ist es dieses Jahr aber tatsächlich anders als in den vergangenen Jahren. Nicht nur aufgrund der sportlichen Situation. Weihnachtsstimmung ist bei mir entsprechend noch nicht aufgekommen und das vermisse ich etwas, weil ich die Zeit grundsätzlich sehr gern mag. Das wird sich diesmal leider auf ein paar Tage reduzieren.

Die sportliche Situation trägt zur Ruhe nicht gerade bei.

Mit ein paar Punkten mehr auf dem Konto wäre unsere Geschichte vielleicht anders geschrieben worden. Es war in den vergangenen Jahren lange stabil bei uns, jetzt ist die Situation unangenehm. Wir müssen unsere Fehler korrigieren. Im Fußball kann es auch schnell in die andere Richtung gehen. Gewinnen wir gegen Heidenheim, stehen wir deutlich besser da als noch vor einigen Wochen gedacht.

VfL-Bochum-Boss Ilja Kaenzig: „Gute Spieler sind nicht automatisch gute Transfers“

Wenn Sie von Fehlern sprechen: Welche hat der VfL konkret begangen?

Wir sind unserer eigenen Strategie untreu geworden, ohne es zu merken. Wir sind nicht effizient gewesen. Das fängt auf dem Transfermarkt an. Die Spieler, die wir geholt haben, bringen alle große Qualität mit. Aber gute Spieler sind nicht automatisch auch gute Transfers. Bei einigen müssen wir zu lange warten, dass sie uns weiterbringen. Das können wir uns als VfL Bochum nicht erlauben. Diese Warnung hat schon damals Patrick Fabian ausgesprochen. Wir alle, auch das Umfeld, haben es aber überhört. Auch der Kader ist zu groß geworden, das führt zu Diskussionen und kleineren Konflikten.

Essen . Interview mit Ilja Kaenzig
Ilja Kaenzig (rechts) im Gespräch mit den Redakteuren (von links) Stefan Döring, Sebastian Weßling und Ralf Ritter. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Und das darf sich der VfL nicht leisten?

Uns wurde der Spiegel mit Trainer Dieter Hecking vorgehalten. Er beherrscht die hohe Kunst im Fußball, pragmatisch zu sein, stabilisiert die Mannschaft. Wir wollten vermutlich zu schnell die nächsten fußballerischen Entwicklungsstufen erreichen. Was Thomas Letsch spielen wollte, blieb unvollendet und ist letztlich gescheitert – und mit Peter Zeidler wollten wir diese Idee von Fußball noch weiter ins Extreme treiben. Das ist uns auf die Füße gefallen. Wir hätten im Sommer schon entscheiden müssen, dass wir unsere Grundtugenden weiter im Fokus behalten. Wir waren aber überzeugt von dem Weg. Dass er falsch war, das müssen wir uns alle ankreiden. So ehrlich müssen wir sein und so selbstkritisch gehen wir auch damit um.

Also zurück zum einfachen Fußball?

Wir müssen die einfachen Dinge besser machen als alle anderen. Dass wir es können, haben wir bereits in Ansätzen unter Peter Zeidler, und zuletzt unter Dieter Hecking konstanter, bewiesen. Das müssen wir jetzt stabilisieren und Leistungen wie gegen Leverkusen oder bei Union als Maßstab nehmen. Wir geben erst auf, wenn es vorbei ist. Das haben wir in der Relegation in Düsseldorf bereits gezeigt.

VfL Bochum - Werder Bremen
Lob für den Trainer: Dieter Hecking hat den VfL Bochum mit seinem pragmatischen Ansatz stabilisiert. © DPA Images | David Inderlied

Ilja Kaenzig: „Sonst entsteht Unruhe“

Welche Rolle spielte im Sommer dabei das Präsidium?

Es ist nobel von den Präsidiumsmitgliedern, dass sie mit einer Neuwahl des Gremiums auf einer außerordentlichen Versammlung im kommenden Sommer die Verantwortung übernehmen. Aber das Präsidium hat keine Trainer verpflichtet und keine Spieler geholt. Es hat auch sonst keine operativen Entscheidungen getroffen.

Ist diese Struktur denn sinnvoll, dass das Präsidium bei allen Entscheidungen ab jährlichen Kosten in Höhe von 250.000 Euro zustimmen muss?

Wir wollen das Präsidium ohnehin immer bei allen Entscheidungen mitnehmen. Denn sonst entsteht Unruhe. Es gibt übrigens auch keine einzige Entscheidung, die das Präsidium verhindert hat. Vielmehr waren die meisten Entscheidungen einstimmig. Natürlich wird der Fußball immer komplexer und die Strukturen sind noch die alten – das ist nicht immer optimal. Aber die Gremiumsmitglieder sind die gewählten Vertreter der Mitglieder. Und denen gehört der Klub. Daher müssen und wollen wir das Präsidium und die Mitglieder mitnehmen. Es gibt Vereine, die das nicht immer getan haben – und das hat selten gute Folgen.

Wichtige Entscheidungen stehen spätestens im Januar an, wenn neue Spieler verpflichtet werden sollen. Ex-Trainer Thomas Letsch ist nun Trainer in Salzburg und damit von der Gehaltsliste des VfL. Erhöht das das Budget nun?

Wir hätten auch ohne die Vertragsauflösung auf dem Transfermarkt etwas machen können. Das Problem ist im Winter auch nicht das Geld. Es ist einfach schwierig, Spieler zu bekommen, die die Mannschaft direkt besser machen. Viele gestandene Spieler sehen sich nicht in Bochum. Jüngere Spieler müssen den Charakter haben, dem Druck im Abstiegskampf standzuhalten. Ein Neuzugang muss ohne Anlaufzeit in 19 Spielen voll abliefern. Deshalb suchen wir idealerweise auch Spieler auf Bundesliga-Niveau und mit Bundesliga-Erfahrung. Das erleichtert den Start und bei Dieter Hecking spielt die deutsche Sprache eine große Rolle.

Ilja Kaenzig über die Transferpläne des VfL Bochum

Für welche Positionen suchen Sie?

Defensiv sind wir stabiler geworden, entsprechend hat sich das Profil inzwischen verändert. Der Fokus liegt auf der Offensive. Dazu muss ein Neuzugang klar besser sein als unsere aktuellen Spieler auf der entsprechenden Position. Und wie vorhin gesagt: Wir haben gute Spieler geholt, die teilweise ihr Potenzial noch gar nicht zeigen konnten. Es ist also eine ganz sensible Angelegenheit.

Kommen denn nur neue Spieler, wenn welche gehen? Dieter Hecking ist der 31-Mann-Kader bereits zu groß.

Der Kader wird vielleicht erst einmal sogar anwachsen. Konkrete Anfragen für unsere Spieler gibt es noch nicht und noch ist keiner auf uns zugekommen, der den Verein zwingend verlassen will. Wir wollen unseren jungen Talenten nach Möglichkeit Spielpraxis verschaffen. Mit Tim Oermann und Mats Pannewig haben wir Spieler im Kader, die über eine Leihe den nächsten Schritt gegangen sind. Das erhoffen wir uns nun auch von anderen Spielern.

1. FC Union Berlin - VfL Bochum
Bochums Tim Oermann (links) im Duell mit Berlins Tom Rothe. Beide profitierten in ihrer Karriere von einem Leihgeschäft. © DPA Images | Andreas Gora

Setzen Sie sich eine Frist für die Transfers? Der Januar startet mit einer Englischen Woche. Je nach Ausgang der Partien muss man danach vielleicht schon primär für die 2. Bundesliga planen.

Wir brauchen die Spieler so früh wie möglich. Am Ende entscheiden aber die abgebenden Klubs, was möglich ist. Wir werden Leihspieler holen, der abgebende Verein wird nach Möglichkeit etwas dazugeben müssen. Natürlich planen wir immer die zweite Liga mit. Das ist nicht anders als die Jahre zuvor.

VfL-Bochum-Chef Ilja Kaenzig: Hier Teil zwei des großen Interviews

Dies ist der erste Teil des großen Interviews mit Ilja Kaenzig. Teil zwei über TV-Gelder, die Chancen auf neue Einnahmen und die Suche nach einem Sportchef lesen Sie hier.