Bochum. Hecking, Kaenzig und das Präsidium geben auf der Mitgliederversammlung ein gutes Bild ab - Gewinner ist der Verein. Ausgestanden ist die Führungskrise aber nicht.
Dieter Hecking blieb bis zum Schluss um kurz vor 23 Uhr. Der Trainer des VfL Bochum verfolgte ebenso wie in den ersten zwei Stunden etliche Führungsspieler aufmerksam die Mitgliederversammlung des Bundesliga-Schlusslichts, das an diesem Samstag bei Union Berlin (15.30 Uhr/Sky) den ersehnten ersten Sieg anstrebt. Zwei Punkte hat der VfL erst geholt in 13 Partien, auch unter Hecking gab es nach einem 1:1 gegen Leverkusen drei Niederlagen - ohne eigenen Treffer.
Die knapp 1300 Mitglieder aber empfingen das Team um Kapitän Anthony Losilla wohlwollend - keine Pfiffe, keine verbalen Pöbeleien. Hecking selbst erhielt an diesem Abend den lautesten Applaus, der erfahrene Coach überzeugte die Anhänger im Saal gleich zu Beginn mit einer kurzen, knackigen Ansprache.
Botschaft von VfL Bochums Dieter Hecking: „Wir schaffen es!“
„Wir stecken in einer sportlich sehr heiklen Situation, es ist eine Herausforderung mit Sternchen“, sagte er und brachte eine klare Botschaft mit: „Es ist die Einheit gefordert. Es nützt jetzt nichts draufzuhauen. Ich wünsche eine konstruktive, kritische Aussprache - und dass wir dann gemeinsam rausgehen und sagen: Wir schaffen es.“
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Die Botschaft kam an, auch wenn erst Siege die Überzeugung vom Klassenerhalt nähren können. Es war ein kluger Schachzug des Präsidiums, die positive Ausstrahlung Heckings mitzunehmen in einen Abend, an dem ein großer Knall ausblieb, an dem fair und sachlich diskutiert wurde, aus dem der Verein VfL Bochum als Gewinner hervorging.
VfL Bochums Chef Kaenzig: „Der Laden läuft“
Was auch an Geschäftsführer Ilja Kaenzig und dem Präsidium, zugleich Aufsichtsrat der ausgegliederten Kapitalgesellschaft (Profiabteilung), lag. Kaenzig präsentierte trotz eines Verlustes (5,2 Millionen Euro) in der Vorsaison gute Zahlen. Bis 2027 will der Klub schuldenfrei sein, das Eigenkapital ist positiv, der Klub wächst in allen Bereichen wie Merchandising, Marketing, Mitgliederzahl (ca. 31.000). Vom „Chaos-VfL“ könne keine Rede sein, „der Laden läuft“, betonte Kaenzig. Und konterte mehrmals Kritikern, dass sich der VfL „nicht totspart“.
Kaenzig und Uwe Tigges, der kommissarische Aufsichtsratsvorsitzende, räumten aber auch etliche Fehler in den vergangenen Jahren ein. Und vor allem: Tigges kündigte noch vor der Aussprache an, im Sommer Neuwahlen des höchsten Vereinsgremiums anzusetzen. „Da sich alle Mitglieder des Präsidiums ihrer Verantwortung bewusst sind, werden wir uns im Sommer im Rahmen einer außerordentlichen Mitgliederversammlung vorzeitig für Neuwahlen zur Verfügung stellen“, erklärte er. Ursprünglich lief die Amtszeit noch bis zum Herbst 2026.
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Hintergrund: Hans-Peter Villis, der langjährige Vorsitzende des Präsidiums, lässt seit Oktober seine Ämter vorübergehend ruhen, laut Verein aus „gesundheitlichen Gründen“. Nach Informationen dieser Redaktion war aber ausschlaggebend, dass er die Mehrheit im Präsidium verloren hat und als Vorsitzender abberufen werden sollte.
Krach im Präsidium: Keine klare Antwort auf Mitgliederfragen
Gibt es also Krach, eine Spaltung in der VfL-Führung? Viele fragten nach - konkrete Antworten mied das Präsidium. Jupp Tenhagen, VfL-Legende und seit Jahren im Aufsichtsrat, wollte die Frage weder mit Ja noch mit Nein beantworten mit Verweis auf das Sitzungsgeheimnis. Uwe Tigges sagte: „Alles, was wir kommuniziert haben und uns angeht, ist zu 100 Prozent im Sinne des Vereins, zum Schutz der Person und insbesondere auch zum Schutz von Hans-Peter Villis.“ Villis war am Donnerstagabend nicht vor Ort.
Kehrt damit Ruhe ein bis zum Saisonende? Das wird sich zeigen. Nach Informationen dieser Redaktion plant Hans-Peter Villis jedenfalls, in sein Amt zurückzukehren, eher noch im Winter 2025 als im kommenden Sommer. Auch bei der Neuwahl will er antreten - mit wem, ist offen. Eine harmonische Zusammenarbeit in der jetzigen Besetzung aber scheint ausgeschlossen zu sein.
Neben Villis, Tigges und Tenhagen zählen Martin Volpers (als Fan-Vertreter), Christina Reinhardt, Andreas Eickhoff und Volker Goldmann (als Vertreter des Wirtschaftsrates) zum Aufsichtsrat. Unklar ist auch, ob die jetzigen Räte zur Wiederwahl antreten werden, ob es ein oder mehrere Teams geben wird.
Neuwahl-Ankündigung kommt an - Termin aber zu spät?
Die Ankündigung der Neuwahl jedenfalls werteten auch Kritiker als starkes Signal. Für einige Mitglieder kommt sie aber zu spät, um die Planungen der kommenden Saison nicht durch eine Art Machtvakuum zu gefährden. Tigges widersprach: Gerade jetzt sei keine Zeit für Wahlkämpfe, der Aufsichtsrat sei gefordert und „voll handlungsfähig“.
Neuer Sportchef soll frühestens im Februar seine Arbeit aufnehmen
Fakt ist: Zu tun gibt es auch abseits des Platzes genug. So sucht der Klub einen Sportdirektor oder Sport-Geschäftsführer, „beides ist möglich“, so Tigges. Derzeit ist Ilja Kaenzig, der bereits Hecking vom VfL überzeugen konnte, auch der starke Transfer-Mann beim VfL. Ein neuer Sportchef soll im Februar oder März seine Arbeit aufnehmen. „Jetzt muss der Fokus auf Dieter Hecking und seinen Wünschen liegen“, sagte Kaenzig, der mit dem Trainer die Wintertransferphase managt. Zwei echte Verstärkungen sollen möglichst her, Geld dafür sei vorhanden. Zugleich will der Klub einige Profis des 31-Mann-Kaders abgeben.
Bis dahin muss der VfL noch punkten in Berlin und vor allem im Heimspiel gegen Heidenheim am vierten Adventssonntag. Sonst käme selbst ein Topstürmer wohl zu spät.
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