Gais/Südtirol. VfL-Trainer Zeidler spricht im ersten Teil unseres Interviews offen über Erziehung, Heimat, Emotionen und wo er in Bochum ein Stück Italien fand.
Peter Zeidler kommt an bei den Fans im Trainingslager des VfL Bochum in Gais. Der neue Trainer des VfL, 61, spricht im ersten, sehr privat gehaltenen Teil unseres großen Interviews über Fans, Beziehungen, Famile, und wie er seine Rolle als Trainer im Fußballgeschäft sieht.
Herr Zeidler, sechs Jahre lang waren Sie Trainer im malerischen St. Gallen. War es für Sie ein Kulturschock, als Sie nach Bochum, einer typischen Ruhrgebietsstadt, kamen?
Peter Zeidler: Es war eine Umstellung. St. Gallen und Bochum – das ist vollkommen wertfrei ein Unterschied wie Tag und Nacht. Aber beide Städte sind für sich genommen für mich toll. St. Gallen hat mir viel bedeutet. Es waren fast paradiesische Zustände, wenn man davon im Profifußball überhaupt reden kann. Ich hätte nicht gedacht, dass mir der Abschied so schwerfällt. Er ist mir aber schnell gelungen, nachdem ich festgestellt habe, wie groß die Fußballbegeisterung in Bochum wirklich ist.
13 Jahre haben Sie zuvor nicht mehr in Deutschland gearbeitet.
Das spielt eine Rolle, mit Sicherheit. Wie hat sich Deutschland in der Zeit verändert? In der Coronazeit habe ich einen Unterschied wahrgenommen zur Schweiz. Die Schweizer sind anders damit umgegangen. Das ist nur ein kleines Beispiel, wie sich beide Länder dann doch unterscheiden. Das gilt im Vergleich zu Frankreich aber auch.
Und konkret auf Bochum bezogen?
Man führt ein anderes Leben. Aber ich bin am richtigen Ort. Hier ist der Fußball wichtig, daher fühle ich mich schon jetzt wohl. Ich spüre, dass man hier zusammenhält – ausgehend vom Fußball. Mich freut es, wenn man gemeinsam eine Begeisterung entwickelt. Auch, wenn es für die schönste Nebensache der Welt ist. Es geht um Beziehungen, Emotionen, Begeisterung im Leben – all das finde ich hier in Bochum.
VfL Bochums Trainer: Heimat ist da, wo Familie ist
Kann Bochum so schnell zu einer Art Heimat für Sie werden?
Heimat ist bekanntlich da, wo die Familie ist. Meine Frau zieht mit mir nach Bochum, meine Kinder leben in Hamburg und München. Da sind wir nun in der Mitte – das war aber kein Grund (lacht). Die Kinder waren an der Entscheidung für Bochum aber beteiligt. Natürlich ist der Umzug eine große Veränderung. Es war auch ein Teil der Motivation, dass ich noch einmal was anderes erlebe. Auch ganz banale Dinge: an einem freien Tag mal nach Holland fahren – das habe ich noch nie gemacht. Bochum ist für mich also auch eine Art Abenteuer.
Es klingt so, als wäre Ihnen die Familie wichtig.
Ja. Je älter man wird, desto wichtiger werden Beziehungen. Und die wichtigsten sind die zur eigenen Familie. Meine Mutter ist vor ein paar Monaten gestorben und da wurde mir noch klarer, dass das Leben endlich ist und dass enge Beziehungen wichtig sind. Die Bedeutung der eigenen Familie wird mir immer bewusster.
Zeidler auf dem Motkemarkt in Bochum: „Wie in Italien“
Sie haben die ersten Wochen in einem Hotel gelebt, waren viel in der Stadt unterwegs. Was beeindruckt Sie bereits jetzt an Bochum?
Kürzlich war ich auf dem Moltkemarkt in Ehrenfeld. Da kann man fast denken, man wäre in Italien. Ich habe gespürt, dass die Leute sich am Leben freuen, gern beieinander sind und immer der VfL Bochum ein Gesprächsthema ist. Das hat mir sehr gut gefallen.
Sie gehen auch hier in Gais auf die Leute, die Fans zu. Ist das eine Charmeoffensive zu Beginn Ihrer Arbeit beim VfL?
Das mache ich nicht berechnend. Bei all meinen Stationen habe ich das gemacht, und ich mache das gern. In St. Gallen waren, übertrieben gesprochen, der Pfarrer, der Zahnarzt und der Trainer die Respektspersonen. Im Ernst: Manchmal glaubt man es gar nicht, was die Fans für ihren Verein und schlussendlich für uns machen. Allein, dass so viele Leute hier sind. Die Fans wollen mit uns reden – da kann ich nicht einfach weitergehen.
Zeidler: In der Schule war ich zurückhaltend, nie extrovertiert
Sind Sie zu dieser offenen Art erzogen worden?
Ich habe gemerkt, dass es mir und den Leuten guttut. Ich bringe den Leuten Wertschätzung entgegen und sie mir. Natürlich war das nicht bei jeder Station der Fall, dass die Leute mit einem über Fußball sprechen wollten. In Sochaux leben die Menschen den Fußball, in Sion, in St. Gallen – und nun in Bochum. Ich freue mich riesig auf die Erfahrung anne Castroper. Ich war früher in der Schule zurückhaltend, war nie extrovertiert. Aber als Cheftrainer muss man mehr leisten, auch die Fans mit einbeziehen. So interpretiere ich zumindest meine Rolle.
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Das steht konträr zur allgemeinen Entwicklung des Profifußballs, der sich immer mehr abschottet.
Ich mache das gern, schließlich habe ich mir als „reiner“ Fußballfan auch gern Spiele angeschaut. Ich habe erlebt, wie sich Menschen für den Fußball begeistern können und bin früher zu Auswärtsspielen gefahren.
Im zweiten Teil des Interviews geht es vor allem um die sportliche Perspektive beim VfL Bochum.
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