Bochum. Marktwert, Mitglieder, Stadion, Transfers: Der SC Freiburg, Bochums Gegner am Samstag, ist dem VfL längst enteilt. Ein Vergleich.

Christian Streich und Gertjan Verbeek waren keine guten Freunde. Bei der Pressekonferenz im August 2015 würdigten sich die Trainer des SC Freiburg und des VfL Bochum keines Blickes, schauten demonstrativ zur Seite, wenn der andere sprach. Der VfL Bochum hatte damals mit 3:1 gewonnen, legte einen fulminanten Saisonstart in der 2. Liga hin mit fünf Siegen am Stück. Es war das letzte Mal, dass sich Bochum vor Freiburg wähnen durfte. Am Ende der Saison 2015/16 landete der VfL nur auf Rang fünf, mit 51 Zählern weit weg von den Aufstiegsrängen. Freiburg stieg als Meister auf mit 72 Punkten.

Der SC hat sich nach diesem einjährigen Zwischenfall in Liga zwei nach zuvor sechs Jahren am Stück in der Bundesliga zu einer der Topadressen in Deutschland weiterentwickelt. Aufgrund der einst Unabsteigbaren ist Bochum zwar in der Ewigen Bundesliga-Tabelle als Dreizehnter in seiner 37. Erstliga-Saison noch klar vor Freiburg platziert, das „erst“ seine 24. Bundesliga-Saison spielt seit dem ersten Aufstieg 1993. Doch aufgrund der Konstanz, Erfolge und strategisch kluger Entscheidungen im finanziell explodierten Fußballgeschäft ist Freiburg dem von 2010 bis 2021 ja nur zweitklassigen VfL heute in nahezu allen Bereichen weit überlegen.

Rang fünf zweitbeste Bundesliga-Platzierung in Freiburgs Vereinsgeschichte

Freiburg spielt nun zum zweiten Mal in Folge in der Europa League, verpasste in der Vorsaison sogar die Champions-League-Teilnahme erst am letzten Spieltag im Fernduell mit Union Berlin, feierte mit Rang fünf aber seine zweitbeste Platzierung der Vereinsgeschichte.

International in modernem Stadion: Der SC Freiburg spielt zum zweiten Mal in Folge in der Europa League, verlor Anfang Oktober gegen West Ham United im Europa-Park mit 1:2.
International in modernem Stadion: Der SC Freiburg spielt zum zweiten Mal in Folge in der Europa League, verlor Anfang Oktober gegen West Ham United im Europa-Park mit 1:2. © dpa | Philipp von Ditfurth

Freiburg präsentierte entsprechend hochzufrieden nun Rekordzahlen auf der Mitgliederversammlung. So stieg der Umsatz im Geschäftsjahr 2022/23 von rund 115 Millionen Euro auf 175,3 Millionen Euro. Bochum kam im Geschäftsjahr zuvor (2021/22) auf 66 Millionen Euro. 2022/23 dürfte der Umsatz aufgrund hoher Transfererlöse deutlich gestiegen sein, aber noch klar unter dem längerfristigen Ziel von 100 Millionen Euro liegen. Die Zahlen zur Saison 2022/23 gibt es erst auf der Mitgliederversammlung des VfL am Dienstag, 28. November.

Das Eigenkapital der Freiburger erhöhte sich auf 111 Millionen Euro. Bochums Eigenkapital ist nach Jahren der – erfolgreichen – Konsolidierung trotz der Coronadelle wieder leicht positiv.

Europa-Park Freiburg: Das neue Stadion macht Freiburg langfristig konkurrenzfähig

Freiburgs Rekord resultierte vor allem aus Erfolgen im DFB-Pokal (Halbfinale nach Finale im Jahr zuvor), in der Europa-League – und auch vom neuen Stadion, das im Oktober 2021 eröffnet wurde. 76,5 Millionen Euro kostete der Neubau, hinzu kamen 50 Millionen Euro für die Infrastruktur laut homepage des Klubs. Mit knapp 35.000 Plätzen ist der Europa-Park Freiburg zwar nicht überdimensioniert, was bei mittlerweile 63.000 Mitgliedern (Bochum: rund 26.000) durchaus auch ein Problem darstellt.

Mit hochpreisigen 20 Logen für 200 Personen, weiteren 2000 modernen VIP-Plätzen aber verdient der SC ein Vielfaches gegenüber Bochum. Der VfL bietet in seinem in die Jahre gekommenen Vonovia Ruhrstadion (26.000 Plätze gesamt) 1200 Plätze in der im Sommer unter anderem mit neuem Mobiliar aufgehübschten Stadtwerke-Bochum-Lounge an, die SBL ist ausvermarktet. Hinzu kommen 150 im ehemaligen Fantreff 8Zehn48 samt Zelt hinter der Geschäftsstelle (Bestbeton-VIP-Treff). Der einstige VIP-Treff Nordtribüne (früher Fiege-Treff) ist seit 2021 wegen bautechnischer Mängel geschlossen. Eine Sanierung von der Eigentümerin des Stadions, der Stadt Bochum, ist bisher nicht vorgesehen – ein Neubau nicht annähernd in Sicht.

Konstanz in der Führung - Christian Streich ist seit bald zwölf Jahren Trainer

Als ein wesentlicher Grund für den Freiburger Erfolg gilt auch die Konstanz in der Führung. Oliver Leki ist seit 2014 Vorstand Finanzen, Organisation und Marketing, Jochen Saier seit 2013 Sportdirektor, Christian Streich seit Ende 2011 Trainer. Beim VfL Bochum gab es seitdem neun Cheftrainer, die Interimstrainer Frank Heinemann und Heiko Butscher nicht mitgezählt. Thomas Letsch ist seit September 2022 im Amt, sein Vertrag läuft im Sommer 202 aus, Gespräche über eine Verlängerung laufen.

Thomas Letsch (r.) gibt seit September 2022 das Trainerkommando beim VfL Bochum. Dank der einst „Unabsteigbaren“ um Rekordspieler Michael Ata Lameck ist der VfL immerhin in der Ewigen Bundesliga-Tabelle dem SC Freiburg noch klar voraus.
Thomas Letsch (r.) gibt seit September 2022 das Trainerkommando beim VfL Bochum. Dank der einst „Unabsteigbaren“ um Rekordspieler Michael Ata Lameck ist der VfL immerhin in der Ewigen Bundesliga-Tabelle dem SC Freiburg noch klar voraus. © FUNKE Foto Services | Udo Kreikenbohm

Im wirtschaftlichen Geschäftsführerbereich gab es seit 2013 beim VfL drei Verantwortliche (Ansgar Schwenken/jetzt Vorstand DFL, Wilken Engelbracht/jetzt FC St. Pauli, seit 2018 Ilja Kaenzig). Im sportlichen Bereich hatten seit 2013 bis dato drei Männer die Federführung: Christian Hochstätter, Sebastian Schindzielorz und seit September 2022 Patrick Fabian. Mittlerweile gibt es in Marc Lettau zudem einen Sportdirektor, eine Stelle, die in diesem Jahr neu geschaffen wurde. Lettau hatte in Fabians längerer Krankheitspause auch dessen Aufgaben im Profisportbereich übernommen.

Marktwert: Kader des SC wird auf 165 Millionen Euro taxiert, Bochum kommt auf 55

Natürlich steigt bei einem Europa-League-Teilnehmer der Preis. Der Marktwert des Freiburger Kaders beträgt laut transfermarkt.de rund 165 Millionen Euro, der vom VfL Bochum rund 55 Millionen. In der vergangenen Sommertransferperiode gab es einen satten Überschuss in Höhe von rund 34,3 Millionen Euro. Vor allem dank der Verkäufe von Flügelstürmer Kevin Schade und Torwart Mark Flekken, die für 25 und 13 Millionen Euro zum FC Brentford in die Premier League wechselten.

Auf der Zugangsseite kosteten nur Stürmer Junior Adamu (6 Millionen Euro, von RB Salzburg) und Torwart Florian Müller (1,5 Millionen Euro/VfB Stuttgart) Ablöse. Maximilian Philipp wurde von Wolfsburg ausgeliehen. Den anderen Weg ging bekanntlich wie schon für die Rückrunde in der Vorsaison Keven Schlotterbeck. Der Verteidiger spielt eine Saison auf Leihbasis für den VfL, eine anvisierte Festverpflichtung scheiterte an den Gesamtkosten. Am Samstag in Freiburg ist mit Schlotterbeck in der Bochumer Startelf zu rechnen.

Geld eingenommen indes hat der VfL nach dem Rekord in der Saison zuvor (rund 17 Millionen Euro für Armel Bella Kotchap, Maxim Leitsch und Sebastian Polter) in dieser Transferperiode nicht. Ausgegeben hat er gut zwei Millionen Euro für Mortiz-Broni Kwarteng, Maximilian Wittek und Bernardo.

Frauen: Seit 2011 ist Freiburg erstklassig - U19 ist in der Vorsaison abgestiegen

Auch bei den Frauen ist der SC Freiburg längst da, wo der VfL Bochum nach dem Rückzug seines Teams aus der 2. Liga 2015 wieder hin will: in der Bundesliga. Seit 2011 sind die Fußballerinnen aus dem Breisgau erstklassig. Bochum führt derzeit die Tabelle der drittklassigen Regionalliga West klar an.

Auch eine so junge wie professionelle zweite Mannschaft, die der VfL 2013 abschaffte, zählt zur Philosophie der Breisgauer. Der SC II spielte in der Vorsaison in der 3. Liga stark auf, wäre sportlich als Zweiter in die 2. Liga aufgestiegen, was die Statuten aber nicht erlauben. Aktuell steht der älteste Nachwuchs der Freiburger auf Abstiegsrang 18. Von den Bundesligisten hat lediglich Borussia Dortmund eine U23 in der 3. Liga.

Einen kleinen Rückschlag gab es indes eine Altersklasse tiefer: Die U19 des SC stieg in der Vorsaison aus der Bundesliga Süd/Südwest ab. Sie wird nach der Neuregelung der A- und B-Jugend-Bundesligen nächste Saison aber als Bundesliga-/NLZ-Klub wieder erstklassig sein.