Bochum. VfL Bochums Trainer Reis ist in Quarantäne. „Machtlos“ sah er den Spielabbruch gegen Gladbach. Er hofft auch auf mehr Zivilcourage der Fans.
VfL-Trainer Thomas Reis ist gesundheitlich auf einem guten Weg. „Es wird von Stunde zu Stunde besser“, sagte der am vergangenen Mittwoch positiv auf das Coronavirus getestete Trainer des VfL Bochum am Samstag zur WAZ. Am kommenden Mittwoch will er sich frei testen, die häusliche Isolation verlassen, auf den Trainingsplatz zurückkehren – und sein Team nach einer „fatalen Woche“, so Reis, nach der Niederlage in Frankfurt, zahlreichen Coronafällen im Team und dem skandalösen Spielabbruch gegen Borussia Mönchengladbach wieder aufrichten. „Wir müssen jetzt“, sagt Reis, „noch enger zusammenrücken.“
Der VfL-Cheftrainer sah die Partie am Freitagabend in seinem Wohnzimmer mit seiner Frau vor dem TV-Bildschirm, hielt über Patrick Fabian Kontakt zu seinem Co-Trainer Markus Gellhaus im Stadion. Als der Bierbecher flog und Schiedsrichter-Assistent Christian Gittelmann am Hinterkopf traf, entfuhr Reis daheim zunächst ein „Das kann doch jetzt nicht wahr sein“, erzählt er. Fassungslos war er, letztlich auch: hilflos. „Du sitzt zu Hause und bist so machtlos.“
Thomas Reis: „Du sitzt zu Hause und bist so machtlos“
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Und wütend war Reis. „Am liebsten wäre ich direkt in den Block gelaufen und hätte die Person persönlich herausgezogen. Nur wenn diese sich sofort selbst gestellt hätte, hätte es vielleicht eine Chance gegeben, dass das Spiel noch hätte fortgeführt werden können. Wir wollten das Spiel in einem sportlich fairen Wettkampf beenden“, meinte der 48-Jährige. „Es gibt keine Entschuldigung für das Werfen von Gegenständen. Und sie käme jetzt auch viel zu spät.“
Elfmeter? Kein Thema mehr: Bierbecher-Wurf zerstört alle Hoffnungen des VfL Bochum
Kurz vor dem nicht ersten, aber folgenschweren Becherwurf des Abends war Sebastian Polter nach einem Zweikampf im Strafraum der Gladbacher zu Boden gegangen, vielleicht hätte die Szene überprüft werden können ohne den Becherwurf. „Der aber zerstörte alles“, sagt Reis – und vieles auch, was sich seine Aufsteiger in dieser Saison aufgebaut hatten. Der Imageschaden ist beträchtlich für den VfL Bochum, wie bereits im Stadion am Freitagabend Vorstandsvorsitzender Hans-Peter Villis und Geschäftsführer Ilja Kaenzig gegenüber dieser Redaktion betont hatten.
Borussia Mönchengladbach führte letztlich nicht unverdient mit 2:0 wegen „zu einfacher Fehler und schlechter Positionierung in einem zweikampfbetonten, von Beginn an unruhigen, hitzigen Spiel“, meinte Reis. Gittelmann wurde nach dem Treffer am Kopf in der Nacht ins Krankenhaus gebracht, dort wurden eine Schädelprellung und ein Schleudertrauma diagnostiziert, erklärte er tags darauf bei „DFB.de“. Die Partie war um 22.19 Uhr von Schiedsrichter Benjamin Cortus abgebrochen worden.
Reis: Übeltäter darf Wort „Fan“ des VfL Bochum nicht mehr in den Mund nehmen
Die Partie wird sicherlich für Mönchengladbach gewertet, der DFB hat die Ermittlungen aufgenommen. Dem VfL Bochum drohen zudem weitere Sanktionen in einem zweiten Verfahren gegen den Verein wegen des Fan-Fehlverhaltens. Ende nächster Woche könnte es ein Urteil geben. Eine Geldstrafe im sechsstelligen Bereich etwa ist möglich, im schlimmsten Fall auch ein Zuschauer-(Teil-)Ausschluss.
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VfL-Trainer Reis findet jedenfalls für den Übeltäter und alle, die mit Bierbechern oder anderen Gegenständen werfen, klare Worte. „So jemand darf das Wort „Fan“ des VfL Bochum nicht mehr in den Mund nehmen“, sagt Reis.
VfL-Trainer setzt auch auf mehr Zivilcourage bei den Fans
Der Verein denkt nach Ermittlung des Täters über Stadionverbot, Mitglieder-Ausschluss, Dauerkarten-Entzug und Schadenersatzansprüche nach. „Das war Körperverletzung am Linienrichter, das ist mit nichts zu entschuldigen oder zu rechtfertigen“, sagt Reis. „Es hat dem ganzen Verein, dem Großteil der Fans, unserer Mannschaft einen Schlag in die Magengrube versetzt. Das ist für mich unbegreiflich.“ Reis hofft auch, dass künftig andere Fans „mehr Zivilcourage“ aufbringen und solche Täter umgehend stellen würden.
Der VfL spiele eine starke Saison, sagt Reis, er habe tolle Bilder geliefert vor tollen Fans – einige von ihnen aber fielen immer wieder durch Bierbecherwürfe auf, so der Trainer. Jetzt mit harten Konsequenzen, vor allem zunächst für den betroffenen Schiedsrichterassistenten Gittelmann,, wie Reis betont: „Ich hoffe, dass er bald wieder auf dem Platz stehen kann und wünsche ihm alles Gute.“ Gittelmann hatte bereits eine telefonische Entschuldigung von VfL-Sport-Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz „angenommen“, erklärte er auf DFB.de.
Reis zur sportlichen Lage: „Wir müssen im Training wieder eine Schüppe drauflegen“
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Bis zum Dienstag, das hatte Reis schon vor der Partie gesagt, hat sein Team nun frei. Reis hat seinen Spielern in der Whatts-App-Gruppe bereits mitgeteilt, dass das Engagement stimmte am Freitag, dass alle nun die Köpfe freikriegen sollten, um dann mit Vollgas in den Endspurt zu gehen. Nach den Niederlagen gegen Frankfurt (1:2) und dem Skandal-Spiel gegen Mönchengladbach hofft der Coach, dass die zuletzt wegen Corona fehlenden Profis wieder zurückkehren, wie zum Beispiel Maxim Leitsch. Insgesamt fehlten gegen Gladbach acht Profis, überwiegend Stammkräfte. Sieben Spieler allerdings sind wie berichtet nun auf Länderspielreise.
„Wir müssen“, sagt Reis sportlich selbstkritisch, „auch im Training wieder eine Schüppe drauflegen, um uns das nötige Quäntchen Glück, das uns zuletzt im Spiel fehlte, mit Leidenschaft und Intensität wieder zu verdienen. Wir haben mit 32 Punkten weiterhin eine gute Ausgangsposition. Der Spielabbruch vom Freitag war beschissen. Trotzdem müssen wir die Situation so annehmen und nun noch enger zusammenrücken, um in den letzten sieben Spielen über die Ziellinie zu gehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir den Klassenerhalt schaffen, auch wenn wir jetzt harte Bretter vor uns haben.“
Am 2. April geht es bei der TSG Hoffenheim weiter, ehe am 10. April Bayer Leverkusen zu Gast in Bochum ist.