Bochum. Hans-Peter Villis und Ilja Kaenzig fanden nach dem Bochumer Spielabbruch deutliche Worte. Neben dem Imageschaden könnte es diese Folgen geben.
Frustriert, entsetzt, fassungslos standen Ilja Kaenzig, Geschäftsführer des VfL Bochum, und Hans-Peter Villis, der Vorstandsvorsitzende, eine halbe Stunde nach dem Spielabbruch der Bundesliga-Partie gegen Borussia Mönchengladbach auf der Tribüne. „Wir wünschen dem Schiedsrichter-Assistenten alles Gute“, sagte Villis im Gespräch mit dieser Redaktion. „Ich bin seit elf Jahren Vereinschef, seit 55 Jahren Fan des VfL und gehe seitdem hier ins Stadion. Das habe ich noch nie erlebt. Das ist nicht der VfL Bochum“, schimpfte Villis konsterniert. „Das Verhalten von solchen Idioten, die mit Bierbechern auf Schiedsrichter oder andere Personen werfen, ist absolut nicht zu akzeptieren. Man kann sich ärgern, aber man darf niemanden beschmeißen.“ Grundsätzlich nicht – und an diesem Abend, an dem der VfL vor 25.000 Fans, so vielen wie seit über zwei Jahren nicht, in für Frieden werbenden Sondertrikots auflief, um ein Zeichen gegen den Krieg in der Ukraine zu senden, passte es erst recht nicht ins Bild.
Nach rund 70 Minuten waren bei der hitzig, aber im sportlich fairen Rahmen geführten Bundesliga-Partie des VfL Bochum gegen Borussia Mönchengladbach beim Stand von 0:2 zum wiederholten Mal trotz ständiger Appelle von Stadionsprecher Ansgar Borgmann, dies zu unterlassen, gefüllte Bierbecher Richtung Spielfeld geflogen.
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Einer traf Schiedsrichter-Assistent Christian Gittelmann aus nächster Nähe vor Block A auf der Südtribüne, vielleicht sogar gezielt am Kopf, mutmaßte Villis konsterniert in seiner ersten Reaktion. Die Partie wurde letztlich abgebrochen. „Diese Entscheidung des Schiedsrichters können wir nachvollziehen“, sagte Villis und schüttelte verärgert den Kopf.
Villis und Kaenzig sehen einen großen Imageschaden für den Verein
Die Vereinsvertreter rechnen mit harten Strafen, wie ein Post in den Sozialen Medien am Samstagmorgen zeigte. "Wir gehen davon aus, dass der VfL Bochum verbandsseitig bestraft wird", heißt es da. Dementsprechend behalte sich der Klub, sollte der Täter ermittelt werden, vor, weitere Konsequenzen zu ergreifen. "Im Falle einer Identifizierung wird der VfL Bochum 1848 weitere Schritte einleiten, zum Beispiel Stadionverbot, Vereinsausschluss oder Einzug der Dauerkarte, und behält sich Schadenersatzansprüche vor." In der Nacht zum Samstag war der Täter noch nicht ermittelt. Die Bochumer riefen dazu auf, Hinweise an die Polizei weiterzugeben.
Über „einzelne“ Fans, so Villis, die alle anderen und dem Verein hohen Schaden zufügen, war er stinksauer. „Da sind einige, die machen uns alles kaputt. Das ist hart, das ist entsetzlich“, so Villis. Über die verlorene Partie und drohende, harte Strafen, die den Verein auch wirtschaftlich direkt treffen dürften, hinaus sehen Villis und Kaenzig einen großen Imageschaden für den Verein.
Alle Infos zum Spielabbruch beim VfL Bochum in unserem Blog
Der Aufsteiger hatte sportlich für viele positive Schlagzeilen gesorgt in dieser Saison, auch die Stimmung im Stadion wurde oft gerühmt, auch von Gegnern. Der Abbruch-Skandal überschattet den bisher so guten Gesamteindruck, der allerdings schon einmal eine empfindliche Störung erlitten hatte: Gegen Union Berlin waren im Dezember Bierbecher auch Richtung Gäste-Bank und Trainer Urs Fischer geflogen. Jetzt der folgenschwere Wurf mit dem Spielabbruch.
Kaenzig: "Es wird eine empfindliche Strafe geben"
„Es wird eine empfindliche Strafe geben, es kommt nichts Gutes auf uns zu. Unser hervorragendes Bild, das wir in dieser Saison aufgebaut haben, wird natürlich beschädigt“, sagte Ilja Kaenzig. „Das ist für unsere Außendarstellung sehr, sehr schädlich. Das macht wütend, man ist enttäuscht. Das soll in keinem Stadion passieren. Dass jetzt von einem Spielabbruch im Vonovia Ruhrstadion gesprochen wird, ist einfach nicht gut.“
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Leider gab es die Bierbecherwürfe nicht zum ersten Mal, so Kaenzig, alle Appelle hätten bisher nicht gefruchtet. Noch vor dem West-Duell gegen Mönchengladbach hatte in einem vom Verein erstellten und auf den sozialen Medienkanälen veröffentlichten Video Kapitän Anthony Losilla darum gebeten, Bier zu trinken und nicht in Bechern zu werfen. Losilla meinte nach dem Spiel. „Wir wollten ein gutes Spiel absolvieren, das war lange der Fall. Wir haben immer noch Leute, die nicht verstanden haben, dass Becher nicht zu werfen sind. Das ist ärgerlich, dass solche Sachen passieren, das nervt nur. Wir sind dafür da, um Fußball zu spielen, mit den Fans einen schönen Abend zu haben. Das darf in Zukunft nicht mehr passieren“, sagte der Kapitän. Kaenzig: „Wir können uns nur wiederholen, dass das gefährlich ist, dass das absolut nicht geht.“
Dass Schiedsrichter Benjamin Cortus die hitzige Partie oft nicht im Griff hatte, wollte kein Bochumer als Entschuldigung für den folgenschweren Becherwurf gelten lassen.
VfL Bochum setzt alles daran, den Täter ausfindig zu machen
Auch vereinseigene Konsequenzen soll es geben. Mit Hilfe der TV-Bilder und Stadionkameras will man den Täter ausfindig machen, ein Stadionverbot verhängen, über weitere Sanktionen und Maßnahmen beraten.
Post wird es geben vom DFB, Kaenzig erwartet sie am Montag. Der VfL wird dann um eine Stellungnahme gebeten werden, die er vermutlich bis Mitte nächster Woche abgeben muss, ehe ein Urteil gefällt wird.
Möglich erscheint etwa eine Beschränkung der Zuschauer-Kapazität, und zwar nicht wegen der Pandemie – aufgrund der Lockerungen waren gegen Mönchengladbach erstmals seit über zwei Jahren 25.000 Fans im Stadion. Möglich ist auch, dass Bochum ein Heimspiel woanders austragen muss. Der FC St. Pauli musste 2011 nach dem Spielabbruch gegen Schalke ein Heimspiel mehr als 50 Kilometer entfernt austragen, spielte damals in Lübeck.
Sicher ist wohl, dass der VfL die Partie verloren hat. Sicher ist auch, dass der VfL den Klassenerhalt noch nicht sicher hat – und nun eine Baustelle hat, die auch den Kampf gegen den Abstieg beeinflusst.