Barcelona. . Auf den Tag genau ein Jahr nach seinem Olympiasieg in London hat sich der 21-jährige Franzose auch bei den Schwimm-WM in Barcelona über 200 Meter Freistil Gold gesichert. Agnel ist von Nizza nach Baltimore gezogen, hat den Spaß neu entdeckt. Erstmals wirkt er auch außerhalb des Beckens wie befreit.

Als Yannick Agnel im Palau Sant Jordi aus dem Becken geklettert war, kniete er sich auf den nassen Boden, ballte beide Fäuste und kniff die Augen fest zusammen. Dann öffnete er sie, breitete seine Arme aus und feierte gemeinsam mit den 16.000 Zuschauern ausgelassen seinen Triumph. Auf den Tag genau ein Jahr nach seinem Olympiasieg in London setzte sich der gerade erst 21 Jahre alt gewordene Franzose auch bei den Schwimm-WM in Barcelona über 200 Meter Freistil durch.

Für den Holländer Pieter van den Hoogenband, einer von Agnels Vorgänger auf dem WM- und Olympia-Thron, ist Agnel der beste Schwimmer der Gegenwart. Die Weltpresse überschlägt sich mit Lobeshymnen auf Agnel, die französische Sportzeitung „L’Equipe“ widmet ihm drei Seiten und zeigt ihn auf dem Titel mit der Überschrift „Der Unbesiegbare“. Aber auch wenn der Sieger von London der Gewinner von Barcelona ist, Agnel ist ein völlig anderer geworden. Der gewaltige Ausbruch der Freude wäre für den schüchternen Schlaks aus Nizza vor einem Jahr völlig unmöglich gewesen. „Als ich gesehen habe, wie er sich hingekniet und die Arme ausgebreitet hat, habe ich gesagt, das ist nicht unser Sohn“, erzählte seine Mutter Elisabeth, „es ist der Beginn eines neuen Lebens für ihn. Er ist glücklich. Und das ist für Eltern wichtiger als alle Titel.“

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Hals über Kopf in die USA

Das neue Leben des Yannick Agnel hat eigentlich schon vor zwei Monaten begonnen. Agnel knüpfte damals die ersten Kontakte per Twitter zu Bob Bowman. Nicht-Schwimmern sei gesagt: Der Mann ist der berühmteste Schwimm-Trainer der Welt. Michael Phelps hat er zum erfolgreichsten Sportler der olympischen Geschichte gemacht. Bowmans neuer Phelps heißt Agnel. Im Mai packte der Franzose Hals über Kopf seine Sachen und siedelte zu Bowman in die USA nach Baltimore über.

Agnel hatte zuvor in Nizza die Lust verloren. Nicht am Schwimmen, aber am täglichen Training unter Fabrice Pellerin. Schwimmen ist ein knochenharter Job. Und wenn man ihn nicht mit voller Begeisterung ausführt, wird er zur Hölle. Agnel fühlte sich eingeengt. Französische Beobachter sagen, früher sei er ferngesteuert, unnahbar gewesen, habe nie seine Freude herauslassen können.

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Zwei Monate in den USA haben eine Transformation bewirkt. Bei der Pressekonferenz scherzt er, lacht und übernimmt mit lockeren Sprüchen selbst die Leitung des Frage-Antwort-Spiels. Seine Botschaft ist eindeutig, denn seine Körpersprache passt hundertprozentig zu seinen Worten: „Ich fühle mich einfach wohl in meiner Haut. Das wäre auch so gewesen, wenn ich nur Silber oder Bronze gewonnen hätte. Aber als Weltmeister ist es noch cooler.“

Agnel schwärmt vom American way of life, von der amerikanischen Mentalität. In seiner Trainingsgruppe habe man viel Spaß und sehe alles viel lockerer. Vor der WM habe er mit seinem neuen Trainingskollegen, dem US-Amerikaner Conor Dwyer, gescherzt, es wäre ein tolles Ding, wenn sie Erster und Zweiter würden. Es wurde ein gelebter Scherz, Dwyer holte Silber. All das erzählt Agnel auf Englisch. Besser gesagt auf Amerikanisch mit Baltimore-Slang.

Ex-Trainer spuckt Gift und Galle

Während Agnel sein neues Leben genießt, spuckt sein früherer Trainer Fabrice Pellerin Gift und Galle. Agnel sei undankbar, sagt er. Aber der Weltmeister hält sich zurück: „Es ist Zeit, sich die Hand zu reichen und Glück für die Zukunft zu wünschen“, sagt Agnel. Nach der WM geht es wieder nach Baltimore. Wird er dann auch mit Michael Phelps trainieren, dem Comeback-Pläne nachgesagt werden? „Ich weiß nicht, ob er zurück kommt“, sagt Agnel, „aber das wäre cool. Wir hätten viel Spaß.“