London. . Die Berlinerin Sabine Lisicki schlägt im Achtelfinale die große Favoritin Serena Williams (USA) mit 6:2, 1:6 und 6:4 - es ist die nächste große Überraschung von vielen, die das diesjährige Turnier schon erlebt hat. Für Lisicki steht als nächstes das Viertelfinale gegen Kaia Kanepi aus Estland an.

Flach wie eine Flunder lag sie auf dem grünen Boden und schluchzte, überwältigt von ihren Gefühlen und von einer großen Tat. In Wellen floss der Beifall des begeisterten Publikums zu Sabine Lisicki herunter, hoch verdienter Lohn für den Sieg in drei Sätzen gegen die Titelverteidigerin und Favoritin Serena Williams (6:2, 1:6, 6:4). Alle staunten, nur die Verliererin nicht. Die erklärte eine halbe Stunde nach dem Spiel, Lisicki sei ja schließlich nicht irgendwer. „Sie ist eine exzellente Spielerin, und sie spielt extrem stark auf Rasen. Für mich ist das kein großer Schock.“

Mit dieser Einschätzung stand sie ziemlich allein. Ein amerikanischer Journalist der Los Angeles Times hatte vor Jahren für den ersten Spieltag der zweiten Woche mit den kompletten Achtelfinalspielen von Männern und Frauen den Begriff „manic monday“ erfunden – verrückter Montag.

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Diesmal war es mehr als das, denn der verrückte Montag folgte den Ereignissen der ersten Woche mit den Niederlagen von Rafael Nadal, Roger Federer und Maria Scharapowa. Jede einzelne dieser Niederlagen hatte Wimbledon erschüttert, und Lisickis Coup gegen Williams war der nächste Kracher.

Ein Duell auf Augenhöhe

Nicht, dass man der Berlinerin keinen starken Auftritt zugetraut hätte. Jeder weiß, dass es auf der ganzen Welt keinen Tennisplatz gibt, auf dem sie lieber und besser spielt als auf Wimbledons Centre Court. Und man hatte ja auch nicht vergessen, dass sie seit 2009 zweimal das Viertelfinale und einmal (2011) das Halbfinale erreichte. Aber angesichts der dominanten Form, in der Williams in diesem Jahr aufgetreten war, in der sie erst vor weniger als drei Wochen bei den French Open den 16. Grand-Slam-Titel ihrer Karriere gewonnen hatte, konnten sich nicht viele Leute vorstellen, dass sie dieses Spiel verlieren würde.

Zu denen gehörte Sabine Lisicki offensichtlich nicht. Mit großen, schnellen Schritten stürmte sie in die Partie, war bei den Seitenwechseln meist schon am Stuhl angekommen, als Williams kaum die Grundlinie verlassen hatte, und ihre Körpersprache verriet: Hey, wir spielen hier auf Augenhöhe.

Die Titelverteidigerin als gereizte Löwin

Und genauso war es auch. Im ersten Satz überstand sie Williams’ Sturm-und-Drang-Phase zu Beginn, befreite sich schnell und gewann den Satz zur Freude des Publikums. Die Titelverteidigerin wirkte unzufrieden, und man sah ihr an, dass sie nicht gedachte, dieses Spiel weiter mitzumachen. Thema: Man reize die Löwin nicht. Sie reagierte wie fast immer in solchen Situationen, straffte den Rücken und ging zum Angriff über. Im Schnelldurchgang gewann sie Satz Nummer zwei, bisweilen mit Gebrüll; irgendwie schien doch alles nach Plan zu laufen.

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Der Eindruck verstärkte sich zu Beginn des dritten Satzes, schnell führte Williams 3:1 und 40:15, doch auch das nahm Lisicki hin, als sei nichts geschehen. Sie spielte mit voller Kraft weiter, ließ den Kopf nicht sinken und machte Druck. Und in dieser Situation zeigte Williams Wirkung. Hinterher erklärte sie, diesmal habe sie nicht getan, was sonst ihre Spezialität sei: Bei den wichtigen Punkten keine Schwäche zu zeigen.

Lisicki ließ sich nicht abschütteln

Sie ging zwar 4:2 in Führung, aber Lisicki ließ sich nicht abschütteln und glich zum 4:4 aus. Jeder spürte, dass es nun auf jede Kleinigkeit ankam, auf jeden Schritt und jeden Schlag. Mit einem missglückten Schmetterball, der perfekt zum verrückten Montag passte, kassierte Williams ein Break, und Lisicki schlug zum Match auf. Mit dem zweiten Matchball setzte sie das Ausrufezeichen ans Ende der Geschichte dieses Spiels.

Es dauerte eine Weile, bis sich Sabine Lisicki halbwegs gefasst hatte. Beim Interview mit der BBC gleich nach dem großen Sieg flossen wieder Tränen, als sie stammelte: „Ich bin so glücklich, dieser Platz hier ist einfach was ganz Besonderes für mich.“ Danach zog sie sich eine Weile zurück, um sich auf eine Partie im Mixed mit Mark Knowles vorzubereiten. Ein strammes Programm angesichts der Tatsache, dass es für sie am Dienstag bereits im Einzel weitergehen wird mit dem Viertelfinale gegen Kaia Kanepi aus Estland.