Paris. . Novak Djokovic spielt in Paris für seine gerade gestorbene Entdeckerin Jelena Gencic. Tommy Haas, der am Mittwoch im Viertelfinale gegen den Serben spielen wird, darf sich darauf einstellen, einen Gegner vorzufinden, der sich keine Schwäche erlauben wird.
Es sind keine leichten Tage, die Novak Djokovic gerade erlebt. Vor ein paar Tagen war jene Frau an einem Herzinfarkt gestorben, die ihn als Sechsjährigen bei einem Kinderkurs in den Bergen bei Kopaonik im Süden Serbiens entdeckt hatte, Jelena Gencic. Fünf Jahre war sie seine Trainerin, dann riet sie ihm, nach Deutschland zu gehen, um bei Niki Pilic die nächsten Schritte auf dem Weg zum Tennis-Profi zu machen. „Sie war eine zweite Mutter für mich“, sagte Novak Djokovic über die mit 77 Jahren gestorbene Gencic, „wir standen uns sehr nahe. Sie hat mir viele Dinge beigebracht, die ein Teil von mir und meines Charakters sind.“
Sie sprach über Sachen mit ihm, die weit über Technik und Grundlagen des Tennisspiels hinausgingen. Sie gab ihm Bücher zu lesen, hörte mit ihm klassische Musik, obwohl er vieles noch gar nicht richtig verstand. Sie versuchte, ihm Augen und Ohren für nützliche Dinge zu öffnen, die einem in vielen Situationen des Lebens Kraft und Halt geben können. Offenbar verstand er, was sie meinte.
Besuch in Belgrad
Der Kontakt zwischen den beiden riss nie ab. Im Frühjahr besuchte Djokovic Jelena Gencic zum letzten Mal in Belgrad, vor zwei Wochen telefonierten sie zum letzten Mal miteinander. Es war eindrucksvoll, wie offen und ausführlich er in dieser Pressekonferenz bei den French Open in Paris über seine Gefühle sprach. Wie er bereit war, Erinnerungen mit fremden Menschen zu teilen. Aber er erklärte, warum er das tat. Die Erfahrungen, die er vor gut einem Jahr nach dem Tod seines Großvaters gemacht habe, sagte er, würden ihm jetzt helfen. „Damals dauerte es lange, bis ich mich erholt hatte. Jetzt habe ich wieder jemanden verloren, der mir sehr nahe stand. Es ist wieder ein Schock. Aber ich kann besser damit umgehen.“
Gesichtsakrobaten in Paris
Die Frage, ob sich die Ereignisse der vergangenen Tage auf sein Spiel niederschlagen würden, wurde in der Achtelfinal-Partie gegen Philipp Kohlschreiber ansatzweise beantwortet. Zu Beginn wirkte Djokovic gedämpft in seinen Reaktionen und Emotionen. Aber je größer die Herausforderung wurde, desto mehr befreite er sich von der Last, die auf seinen Schultern lag. Und Tommy Haas, der am Mittwoch im Viertelfinale gegen den Serben spielen wird, darf sich darauf einstellen, einen Gegner vorzufinden, der sich keine Schwäche erlauben wird.
In dem Telefongespräch vor zwei Wochen hatte Jelena Gencic ihren Lieblingsschüler daran erinnert, Roland Garros sei das Turnier, das er unbedingt gewinnen müsse. Es ist der letzte der vier großen Titel, der ihm noch fehlt. Er sagt, die Erinnerung an die großartige Frau werde ihm helfen, alles aus sich herauszuholen. „Ich hab mehr denn je das Gefühl, dass ich es diesmal schaffen muss. Ich will es für sie tun.“
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Haas siegte zuletzt gegen Djokovic
Wie man das Verhältnis der Chancen in der Begegnung am Mittwoch zwischen Haas und Djokovic nun einschätzen soll? Schwer zu sagen. Nach eindrucksvollen Auftritten zu Beginn des Jahres und dem Gewinn der Titel bei den Australian Open und beim Turnier in Dubai wirkte der Serbe in den vergangenen Wochen bisweilen unberechenbar. Der Niederlage gegen Haas in Miami folgte der Sieg im Finale von Monte Carlo gegen Rafael Nadal. Doch es ging wieder abwärts bei weiteren überraschenden Niederlagen: in Madrid gegen Grigor Dimitrov und zuletzt in Rom gegen Tomas Berdych.
Haas denkt verständlicherweise gern an Miami. Der Sieg gegen Djokovic Ende März (6:2, 6:2) war der zweite seiner Karriere gegen eine aktuelle Nummer eins des Tennis gewesen. Der erste, 1999 gegen Andre Agassi, lag schon lange zurück. Und er hatte hinterher geschwärmt, er habe lange nicht mehr von Anfang bis Ende so gut gespielt. Haas täte es liebend gern am Mittwoch wieder.