Essen. Michael Mronz, Initiator der Rhein-Ruhr-Initiative, glaubt wegen der Wechsel auf wichtigen sportpolitischen Positionen weiter an Spiele in NRW.

Die neue Bundesregierung ist im Amt, der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat eine neue Führung. Sportmanager Michael Mronz (54), Initiator der Privatinitiative Rhein Ruhr City, verbindet diese Zeit des Wechsels mit einem Neustart. Im Interview spricht er über seine Pläne, Olympia doch noch ins Ruhrgebiet zu holen, über seine Erwartungen an die Politik und über seine Hoffnungen, dass junge Menschen trotz Pandemie wieder zum Sport zurückfinden.

Herr Mronz, wir erleben, wie die Spitzen der mächtigsten Sportverbände Deutschlands in Machtintrigen versinken. Wie groß ist der Schaden für den Sport?

Michael Mronz: Wichtig ist jetzt, den Blick nach vorne zu richten und sich mit aller Entschlossenheit den Herausforderungen und Aufgaben zu stellen, vor denen der Sport steht. Durch die Corona-Pandemie hat der Sport essenziell an Bedeutung verloren. Diesen Schaden für unsere Gesellschaft halte ich für den weitaus größeren als Personalfragen. Es ist daher sehr zu begrüßen, wenn sich die neue DOSB-Spitze um den Präsidenten Thomas Weikert wieder mit einer starken Stimme für den Sport national und international einsetzen will.

Stimmen Sie der Kritik zu, die Politik habe in der Pandemie vor allem dem Spitzensport geholfen, allen voran dem Fußball?

Wenn Fußball vor leeren Rängen gespielt werden muss, dann ist das natürlich schade für die Fans und geschäftsrelevant, aber nicht unmittelbar gesellschaftsrelevant. Durch die Pandemie und vorher schon durch fehlende zeitgemäße Sportstätten haben sich zuletzt Hunderttausende junge Menschen vom Sport abgewandt. Das ist ein großes gesamtgesellschaftliches Problem. Andere Länder bewundern uns für die Vereinsstrukturen in Deutschland. Sportvereine vermitteln täglich wichtige Werte für unsere Kinder wie Respekt, soziales Miteinander, Toleranz und Fairplay. Sport ist Bildung, Ausbildung und Weiterbildung. Die Sportpolitik und die Politik müssen den Sport wieder stärker in den Fokus rücken.

Was kann die Politik tun?

Ein Beispiel: Die Landesregierung in NRW gibt einem Verein für jedes ausgetretene Mitglied einen Kompensationsbetrag von bis zu 30 Euro, um den finanziellen Verlust zu mindern. Gewinnt der Verein neue Mitglieder zurück, wird dies mit einer Abschlusszahlung honoriert. Der Sport wird dafür belohnt, Ideen zu entwickeln und sich anzustrengen.

Sie haben einen Nachhaltigkeitsfonds Sport vorgeschlagen, um unter anderem die Jugend zurückzugewinnen. Was meinen Sie damit?

Junge Menschen fragen heute nicht mehr, ob ihr Verein ökologisch nachhaltig wird. Sie gehen schon fest davon aus, dass ihr Klub etwa eine Solaranlage auf dem Dach oder einen umweltfreundlichen Kunstrasenplatz hat. Das entscheidet mit, ob junge Sportlerinnen und Sportler in die Vereine kommen und ob sie bleiben. Ein bundesweiter, milliardenschwerer Fonds würde helfen, Vereine ökologisch und ökonomisch zukunftsfähig und attraktiv zu machen und damit ihren sozialen Aufgaben wieder gerecht zu werden.

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP findet sich der Sport weit hinten, auf den Seiten 112 und 113. Was sagt das über die Bedeutung des Sports?

Während der Pandemie haben die Kultur und die Gastronomie auf Bundesebene jeweils über vier Milliarden Euro an Corona-Hilfen erhalten, der Sport aber nur 400 Millionen Euro, ohne die Hilfen der Landespolitik gerechnet. Daran sehen wir, dass wir als Sport es nicht ausreichend verstanden haben, die Stimme zu erheben. Das ist keine Kritik an der Politik, sondern die Selbstkritik, dass der organisierte Sport besser werden muss. Zu erkennen, was falsch gemacht wurde, ist zugleich unerlässlich, wenn es um die mögliche Bewerbung für die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele geht.

Ihre privatwirtschaftliche Initiative Rhein Ruhr City ist in diesem Jahr mit dem Vorhaben gescheitert, die Spiele 2032 nach NRW zu holen. Zwischen Ihnen und dem damaligen DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann kam es zum Zerwürfnis. Die Spiele wurden nach Brisbane vergeben. Wie geht es mit der Initiative weiter?

Thomas Weikert hat sich als neuer DOSB-Präsident eindeutig für eine Olympia-Bewerbung Deutschlands ausgesprochen und dafür die Winterspiele 2030 sowie die nachfolgenden Spiele ins Gespräch gebracht. Auch im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung gibt es ein grundsätzliches Bekenntnis zur Ausrichtung Olympischer und Paralympischer Spiele in Deutschland. Das ist neu. Diese Klarheit hat es in der Vergangenheit nicht gegeben. Ich glaube: Wir sind in einer neuen Epoche, um einen Neuaufschlag zu starten.

Wie sehen Sie die Chancen, die Spiele doch noch nach NRW zu holen?

Wir haben ein ökologisch und ökonomisch nachhaltiges Konzept für die Region Rhein Ruhr entwickelt. Getragen wird es durch einen parteiübergreifenden Beschluss des Landtags und durch die 16 beteiligten Kommunen sowie weitere Städte, die der Initiative beitreten wollen. Rhein Ruhr City ist ein Projekt aus der Mitte der Gesellschaft, finanziert von zahlreichen Unternehmen wie Evonik, Vivawest, Vonovia, RAG, Daimler und Deutsche Telekom, ohne Steuergelder. In dem Bekenntnis der neuen Bundesregierung und des DOSB sehen wir nun eine neue Chance, die Bewerbung der Region Rhein-Ruhr auf der aktuellen Planungsgrundlage weiter nach vorne zu bringen.

Beginnt die Initiative Rhein-Ruhr City von vorn?

Nein, ganz im Gegenteil. Das vorliegende Konzept mit 90 Prozent vorhandener Sportstätten wurde sowohl vom DOSB als auch vom IOC inhaltlich sehr gelobt. Beim IOC gibt es eine klare Abkehr vom Gigantismus. 2032 zeigt: Regionen-Konzepte sind Gewinner-Konzepte. Auch Australien hat sich nicht mit Sydney oder Melbourne beworben, sondern mit einer Region Queensland. Ich glaube, dass wir mit unserem Konzept ein zeitgemäßes Angebot vorweisen können, weg vom Gigantismus, hin zu nachhaltigen Spielen. Die Stadt Essen etwa hat gerade eine Machbarkeitsstudie zur Überbauung der Autobahn A40 in Auftrag gegeben, um dort ein Olympische Dorf zu errichten. Es gibt den Beschluss der NRW-Landesregierung und der beteiligten Kommunen, die Olympia-Bewerbung als Dekadenprojekt fortzuführen. Wir sind aufgefordert, weiter an dem Konzept zu arbeiten.

Wie geht es weiter?

Es muss für eine Bewerbung einen klaren Zeitplan geben. Deutschland muss aus meiner Sicht deutlich vor 2025, dem Ende der Amtszeit von IOC-Chef Thomas Bach, eine Bewerbung einreichen. Dazu müssen im innerdeutschen Prozess entscheidende Dinge umgesetzt werden: die Entwicklung eines für den Bürger gewinnbringenden Konzeptes, Beschlüsse der Landesregierungen, und am Ende eine Bürgerbefragung. Ich finde, es sollte der Kandidat für Deutschland ins Rennen gehen, der das ökologisch-ökonomisch nachhaltigste Konzept hat. Das Entscheidende dabei ist für mich: Der Bewerber muss eine gewonnene Bürgerbefragung vorweisen. Das hat international bislang noch kein Bewerber geschafft.

Ein möglicher Konkurrent von Rhein-Ruhr könnte Berlin sein. Wie sehen Sie generell eine deutsche Bewerbung für 2036 – 100 Jahre nach den Nazi-Spielen?

Nordrhein-Westfalen ist das größte Bundesland, knapp ein Drittel der Bürger und Bürgerinnen hat einen Migrationshintergrund. Für mich spricht vieles dafür, die Spiele in eine Region zu vergeben, in der Integration erfolgreich gelebt wird. Ich glaube, dass der Sport Dinge bewegen kann, wie es selbst eine breit angelegte Diskussion über gesellschaftliche Werte nicht vermag. Daher sollten wir gemeinsam mit den Menschen einen Dialog darüber führen und die Menschen fragen, was sie davon halten. Vor Beginn der Fußball-WM 2006 hatten wir ein gespaltenes Verhältnis zu unserer Nationalfahne, seit 2006 ist kein Außenspiegel mehr sicher. Das Sommermärchen haben die Menschen gemacht. Dass am Ende sie, die Bürger, über eine Olympiabewerbung Deutschlands für 2036 abstimmen, ist aus meiner Sicht eine tolle Chance. Es würde unsere Gesellschaft sicherlich bereichern.