Essen. Die Länderchefs im DFB fordern die Aufwertung ihres Kernthemas in der Bundespolitik. Vor allem der Amateurbereich braucht mehr Unterstützung.

echtzeitig zu den Koalitionsverhandlungen der politischen Parteien nach der Bundestagswahl im September haben die Landesfürsten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) eine Forderung an die Politik formuliert. Es müsse künftig einen Sportminister, beziehungsweise zumindest einen Staatsminister für Sport im Bundeskanzleramt geben: „Im Rahmen der laufenden Regierungsbildung erwarten die Mitgliedsverbände des DFB eine Stärkung des Sports, speziell des Breitensports, der während der Corona-Pandemie in den politischen Entscheidungen lange Zeit stark vernachlässigt wurde.“

In einem ersten Reflex möchte man die Idee als Ablenkungsmanöver des Verbandes abtun, schließlich fehlt dem DFB – und nebenbei auch dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) – aus internen Gründen mehr als der Politik ein verlässlicher, glaubwürdiger Verhandlungsführer: DFB und DOSB suchen noch einen Präsidenten. Beide Amtsinhaber mussten aus einer Mischung eigener Fehler und verbandsinterner Querelen gehen.

Fest steht aber auch, dass der Sport in Deutschland schwer gebeutelt dasteht. Die Corona-Krise hat die Vereine massiv Mitglieder gekostet, der DOSB nennt eine Million weniger Sporttreibende. Das geht ins Geld.

Fußball ist in Deutschland omnipräsent

Der Sport scheint dabei in einer schizophrenen Lage. Vor allem der Fußball ist doch omnipräsent, es gibt kaum noch einen fußballfreien Tag im Fernsehen. Die Bundesligaklubs haben durch das enorme Publikumsinteresse in den Stadien und vor den TV-Geräten ein großes Megafon für ihre Interessen. Die Stars erreichen in den Sozialen Medien Millionen. Das beschreibt aber zugleich das Problem. Der Profi-Fußball drängt – ohne, dass man ihm das vorwerfen könnte – den Rest des Sports immer mehr an die Wand. Sport in Deutschland sind aber eben nicht nur die Profiklubs, sondern die 24 Millionen Menschen, die sich in Vereinen organisieren und bewegen.

Die Freizeitbewegung an Tischtennisplatte, im Schwimmbad oder bei der Sitzgymnastik sind nicht nur privates Freizeitvergnügen. Sport und Bewegung sind von der Politik gewünscht, die Klagen gehen eher in die Richtung, dass sich die Menschen zu wenig bewegen. Das aber belastet das ohnehin oft überforderte Gesundheitswesen. Die Idee einer besseren Vertretung des Sports in der Bundesregierung ist daher nicht ganz neu. Eine Arbeitsgruppe des DOSB wagte bereits 2013 einen Vorstoß Richtung Sportministerium.

Die Corona-Krise wirkt wie ein Brennglas. Ein Kommentator des ZDF meinte dazu: „Als Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen zum letzten Mal neue Maßnahmen beschlossen, tauchte der Sport im Gegensatz zu Friseuren, Schulen und dem Einzelhandel lediglich in unverbindlichen Fußnoten auf. Spätestens da dämmerte den Sportfunktionären, dass das zurückhaltende Handeln im Breitensport der letzten Monate nicht belohnt werden würde.“

Diejenigen, die über eine ranghöhere Vertretung – bislang verliert sich der Sport im umfangreichen Organigramm des Bundesinnenministeriums auf Ministerialdirigentenebene – dringen, schauen ausgerechnet auf die Kultur. Gerhard Schröder installierte 1998 gegen viele Widerstände – Kultur ist wie der Sport aus vielen guten Gründen traditionell Ländersache – einen Staatsminister, genauer gesagt einen „Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien“. Dienstsitz ist seither das Kanzleramt in Berlin. Amtsinhaberin Monika Grütters (CDU) und ihre Vorgänger mussten buchstäblich nur über den Flur, um beim Kanzler beziehungsweise der Kanzlerin ein Ohr zu finden. Diese Nähe hilft.

Könnte mehr Nähe zur Macht, eine ranghöhere Vertretung, also auch dem Sport helfen? Nein, meint Sporthistoriker Michael Krüger von der Uni Münster. Der 66-Jährige wird deutlich: „Wir brauchen keinen Staatssport, der von einem Sportminister geleitet wird, sondern einen Sport, der ,von unten’, von den Bürgerinnen und Bürgern selbst und von Städten und Gemeinden ausgeht und weiter ausgebaut wird.“ Einen zentralistischen Sport hätte das Land zweimal in der deutschen Geschichte gehabt, sagt Krüger weiter: „Das brauchen wir nicht noch mal.“

Ein Nachhaltigkeitsfonds Sport

Etwas differenzierter sieht das der Sportmanager Michael Mronz. Es müsse jetzt darum gehen, den Stellenwert des Sports wieder in den Mittelpunkt unserer Gesellschaft zu rücken, sagt der 54-Jährige: „Dazu braucht es zuallererst klar definierte Inhalte und Visionen, dann die Verortung des Sports in der Bundespolitik. Unabhängig davon, wo der Sport aufgehängt sein wird, braucht Deutschland einen Nachhaltigkeitsfonds Sport. Investitionen in den Sport sind Muss-Investitionen in unsere gesamte Gesellschaft und Investitionen in unsere Gesundheit und Bildung.“

Klar ist derzeit nur, dass der Sport, vor allem der Breitensport in der Klemme steckt und dringend Hilfe braucht. Dazu gehört auch ein besserer Zugang zur Politik. Eine Veränderung scheint also unumgänglich. Ein Beauftragter für den Sport bei der Bundesregierung, ein „Sportminister“ als zentraler Ansprechpartner könnte nützlich werden, wenn die Risiken zentraler Steuerung gründlich abgewogen werden. Breitensport ist über seine überwiegend ehrenamtliche, lokale Organisation ein Kulturgut. Eines, das es zu schützen gilt. Ganz gleich wie Spitzenverbände und Politik ihr Miteinander organisieren.