Aachen. Athleten und Funktionäre diskutieren in Aachen über Zukunft der Vereine. Wirtschaftliche Not drängt soziale und ökologische Belange zur Seite.

„Der Name Sportschau kann weg. Eigentlich müsste es Fußballschau heißen.“ Dietloff von Arnim (61), Präsident des Deutschen Tennisbundes und ein im Ruhezustand dezent-kultiviert wirkender Mann, hatte bei der Diskussionsrunde zum Thema Gleichberechtigung irgendwann keine Lust mehr, gute Laune zu verbreiten, und benannte ein Problem. Sportmanager Michael Mronz hatte am Rande des Reitsport-Klassikers CHIO in Aachen geladen, um beim #Neuland-Kongress über die Zukunft des Sports zu diskutieren. Oder, genauer gesagt: über Nachhaltigkeit und Gleichberechtigung im Sport.

Es trafen sich Schwergewichte. Isabell Werth (52), die erfolgreichste Reiterin der Welt, war dabei, ebenso Athletensprecher Max Hartung (31), Paralympics-Olympiasieger Felix Streng (26), Dagmar Freitag (68/SPD), Vorsitzende des Sportausausschuss im Deutschen Bundestag. Dazu einige Verbandspräsidenten, Medienschaffende und Fußball-Bosse.

Ambitionierte Agenda

Die Agenda war ambitioniert und frei übersetzt mit dem Titel „Mal eben kurz den Sport retten“ versehen. Der Ausbruch von Arnims, früherer Turnierchef beim World Team Cup im Rochusclub Düsseldorf, zu Beginn sorgte immerhin dafür, dass das Treffen nicht in Harmonie ertrank. Schnell wurde bei den Vorträgen klar, dass es nicht allein um Geschlechtergerechtigkeit, sondern auch um groß und klein, arm und reich ging. Stefan Klett, Präsident des Landessportbundes NRW, sah „Rahmenbedingungen, die in Ordnung, und Strukturen, die vorhanden sind“, um Gleichberechtigung herzustellen – nur die Zahlen gäben das nicht wieder.

Dietloff von Arnim verdeutlichte dies: Zwar würden bei den Grand-Slam-Turnieren, den Spitzen-Events des Tennis, an Männer und Frauen die gleichen Preisgelder ausgezahlt, aber: „Es bleibt die Frage, wie verdienen Sportlerinnen ihr Geld? Von den 100 Topverdienern beim Tennis sind 98 Männer und zwei Frauen.“ Reiterin Isabell Werth ergänzte: „Junge Sportlerinnen müssen die Möglichkeit bekommen, sich auf den Sport zu fokussieren und trotzdem eine berufliche Perspektive zu haben.“

Viel Raum erhielt der Breitensport. Michael Mronz, Konferenz-Initiator und Chef der gescheiterten Rhein-Ruhr-Bewerbung um Olympische Spiele 2032, würdigte in einem energischen Vortrag Breitensport und Ehrenamt, gab der Politik mit auf den Weg, dass wegen dessen gesellschaftlicher Bedeutung mehr Geld für den Sport „keine Kann-, sondern Muss-Investitionen“ seien. Dass der Sport im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen vor allem beim Einwerben von Fördergeldern abgeschlagen zurückliege, dafür hat der Manager aber auch einen Schuldigen ausgemacht: „Der Sport war und ist zu träge.“ Das war – auch wenn er den Verdacht von sich wies, sich um ein Amt bewerben zu wollen – eine Kampfansage an den DOSB. Er habe in der Coronakrise den organisierten Sport in den Diskussionen vermisst. Es sei bemerkenswert, dass die Friseure als Erste wieder öffnen durften, lange vor dem Sport. „Es muss im öffentlichen Bewusstsein verankert werden, dass ohne Sport etwas fehlt.“

Ohne TV-Zeit zu wenig Geld

Der Elefant im Raum blieb zunächst der Fußball. Nachhaltigkeit braucht Geld, für Geld braucht es Aufmerksamkeit. Max Hartung nannte die TV-Übertragungen als Kernproblem. Der Fechter hatte dabei nicht nur wegen der Vermarktungs-Erlöse „Equal Pay“ – also gleiche Bezahlung – im Kopf: „Mädchen und junge Frauen brauchen Vorbilder. Und die sehen sie halt vor allem im Fernsehen.“

Am Nachmittag ging es dann doch konkret um den Fußball: An­dreas Rettig (58), Manager des Drittligisten Viktoria Köln, und Carsten Schmidt (57), Vorsitzender der Geschäftsführung beim Bundesligisten Hertha BSC, sprachen über Nachhaltigkeit. Es ging um solide Finanzierung: „Man soll bei der Bewertung der Klubs nicht nur auf die Umsätze schauen, sondern auch darauf, ob sie was zum Gemeinwohl beitragen“, sagte Rettig, der bei Viktoria Köln entsprechende Klauseln in die Arbeitsverträge schreiben lässt. Schmidt glaubt, dass auch wegen gesellschaftlicher Trends spätestens 2030 alle Klubs jenseits kommender Auflagen der DFL drängende „Fragen von Investoren und Medien-Unternehmen zu Umwelt, sozialem Engagement und Unternehmenskultur“ beantworten müssen.

Der Sport hat Probleme, auch in Aachen drängten ökonomische Zwänge bei beinahe allen Diskussionen die Suche einer nachhaltigen Lösung beiseite. Immerhin: Eine mögliche Zukunft ist skizziert.