München. Bei der Präsentation als neuer Bayern-Trainer zeigt Julian Nagelsmann gleich seine Qualitäten von Fachkompetenz bis Schlagfertigkeit.
Knapp zehn Minuten lang lief die Präsentation von Julian Nagelsmann, als der neue Trainer des FC Bayern seine Qualitäten erstmals so richtig ausspielte. Es ging um eines der Antrittsgeschenke, die Bettwäsche seines neuen Arbeitgebers, und um die Frage, ob er darin schlafen werde wie einst als Kind. Nagelsmann, 33, lachte, dann sagte er: „Aktuell liegt sie noch in der Ankleide, aber ich denke schon, dass ich mal eine Nacht drin schlafen werde. Das ist auch Oeko-Tex 100, habe ich gesehen, also die ist nicht nur schön, sondern auch gesund für den Körper.“
Taktikschulung im Schnelltempo
Neben ihm kicherten der Vorstandschef Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic, und Nagelsmann, einmal im Redefluss, legte noch eine entwaffnende Pointe nach. „Mein Sohn hat schon auch Anspruch gehegt, dass er darin schlafen darf“, sagte er, „wir teilen uns auch öfter mal eine Bettdecke. Er ist ja noch in dem Alter, wo er noch mit seinem Papa kuschelt. Demnach werden wir das vielleicht auch gemeinsam mal machen.“ Dann sprach Nagelsmann in einem Tempo über die Eröffnung aus der Dreierkette und den fließenden Übergang vom 4-2-3-1- ins 4-3-3-System, dass sogar die geübtesten Stenografen kaum mitgekommen sein dürften. Seine Kernbotschaft: Er werde nicht alles auf den Kopf stellen, „es geht einfach drum, eine gewisse Flexibilität zu haben.“
Bayern-Trainer Julian Nagelsmann: schlagfertig, nahbar und witzig
Es war eine bemerkenswerte Pressekonferenz, auf der Nagelsmann am Mittwoch seinen ersten Auftritt als Bayern-Trainer hatte, flankiert von Kahn und Salihamidzic. Die hatten den von RB Leipzig für bis zu 23 Millionen Euro Ablöse verpflichteten Fußballlehrer mit einem Fünfjahresvertrag ausgestattet und damit mit einem Vertrauensvorschuss, den keiner seiner Vorgänger in der mehr als 121-jährigen Vereinsgeschichte genießen durfte. Nagelsmann erhält diesen Vorschuss, weil er sehr fachkompetent auftritt und zudem sehr schlagfertig, nahbar und witzig. Hinzu komme, so formulierte es Kahn: „Er ist selber unglaublich identifiziert mit dem Klub.“ Zudem sei man „überzeugt, dass sich die langfristige Arbeit eines Trainers immer auszahlt“, erklärte Kahn, „es gibt ja sogar Daten und Statistiken mittlerweile, dass eben Kontinuität auf der Trainerposition ein ganz, ganz wichtiger Faktor für Erfolg ist.“ Kurzum: Man sei „überzeugt, dass wir mit Julian eine Ära prägen können.“
Der FC Bayern hofft auf und glaubt an eine Ära
Sie haben sich beim FC Bayern ganz fest vorgenommen, dieses Vorhaben mit Leben zu füllen. Dafür steht der für den FC Bayern und die gesamte Branche ungewöhnliche Fünfjahresvertrag als bewusst gesetztes „Statement“ (Salihamidzic) nach innen und außen. Das Wort Ära soll dabei laut Kahn nicht als inhaltsleeres „buzzword“ (Schlagwort) missbraucht werden, als das es sich bei Niko Kovac und Hansi Flick zuvor entpuppt hatte, die nach je rund anderthalb Jahren schon Geschichte waren in München. Vielmehr, sagte Kahn, sei es „ein großer Wert, eine Ära zu prägen“. Mit Nagelsmann, der „1A-Wunschlöschung“ (Salihamidzic), soll das gelingen, zumal auch die Dispute zwischen Sportvorstand und Trainer, wie zuletzt bei Flick, nun ein Ende haben sollen. „Wir wollen eine 1A reine Kommunikation haben“, sagte Salihamidzic und verwies auf Gesprächsrunden („ich habe eine neue Espressomaschine im Büro“) mit allen Beteiligten inklusive Präsident Herbert Hainer, Finanzvorstand Jan-Christian Dreesen und dem Aufsichtsrat, zu dem Nähe wichtig sei. „Ab und zu kommt der Uli Hoeneß auch mal vorbei“, erzählte Salihamidzic und ließ zudem wissen: „Julian ist auch einer, der sich viel mit mir und uns über den Campus unterhält.“ Wer wollte, konnte auch das als Spitze in Richtung Flick verstehen.
Nagelsmann: "Den Hut sollte schon der Verein aufhaben“
Nagelsmann, nahe München in Landsberg am Lech aufgewachsen, berichtete vom „herausragenden Gefühl“, für seinen Lieblingsklub arbeiten zu dürfen und verzichtete darauf, Ansprüche zu erheben. „Den Hut sollte schon der Verein aufhaben“, sagte er zum Kader, „ich bin ein Trainer, der versteht, dass man nicht alles machen kann auf dem Transfermarkt.“ Doch irgendwann, nach der Pandemie, werde der FC Bayern vielleicht auch wieder „verrückte Sachen machen“, kündigte Salihamidzic bei so viel Zurückhaltung des Trainers fast schon verzückt und vorauseilend an.
Honeymoon an der Isar?
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Sie wirken beim FC Bayern gerade alle ein bisschen verliebt ineinander, und diese Zuneigung sollen auch die Spieler zu spüren bekommen. Die weilen zwar größtenteils noch im Urlaub, doch Nagelsmann nutzte seine Präsentation vor der ersten Trainingseinheit am Nachmittag auch dazu, Botschaften an seine Belegschaft zu senden. Manuel Neuer? Bleibt Kapitän. Leon Goretzka mit dem 2022 auslaufenden Vertrag? Soll die Ära mitprägen. Leroy Sané? Habe unfassbare Anlagen. Und den Weg auf den Rathausbalkon bei den angestrebten Titelfeiern? Lasse er sich gern von den erfahrenen Spielern zeigen. Nur einmal verrutschte Nagelsmann eine Pointe, als es um den Ausrüster und Anteilseigner der FCB-AG ging. Es war ein Moment, der zeigte, dass er wohl noch verinnerlichen muss, dass jedes Wort beim FC Bayern sehr viel Gewicht hat und sehr ernst genommen werden kann. Nagelsmanns leicht verunglückte Anekdote: „Gestern Abend war ich schon bei sintflutartigen Niederschlägen mal kurz in den Isarauen mit dem Mountainbike unterwegs und habe die Dichtigkeit unserer neuen Adidas-Trainingskleidung getestet. War zufriedenstellend, mit Ausnahme der Hose.“ Kahn und Salihamidzic kicherten nicht.