München. Unter Oliver Kahn beginnt beim FC Bayern eine neue Ära. Der Klub will trotz “Wettbewerbsnachteil“ in der Weltklasse bleiben.

Als Oliver Kahn und Herbert Hainer am Montag in der Münchner Arena vor die Kameras traten, hätte beinahe übersehen werden können, dass es sich um einen historischen Moment handelt, jedenfalls für den FC Bayern. An den Präsidenten Hainer, 67, hat sich das Publikum ja gewöhnt seit seinem Amtsantritt im November 2019. Und auch Oliver Kahn, 52, ist im Ambiente des FC Bayern ein vertrauter Anblick. Doch in der Videokonferenz stand Kahn nun als neuer Vorstandsvorsitzender, der sich in den vergangenen anderthalb Jahren eingearbeitet hatte, um die Nachfolge von Karl-Heinz Rummenigge, 65, anzutreten. Weil dieser Führungswechsel vom AG-Chef der vergangenen 19 Jahre, Rummenigge, zum neuen, Kahn, am 1. Juli so planmäßig wie geräuschlos vollzogen worden war, musste wohl noch einmal an die historische Dimension erinnert werden. Denn seit dem vergangenen Donnerstag haben beim FC Bayern, zumindest offiziell, erstmals seit dem 1. Mai 1979 andere das Sagen als Uli Hoeneß oder Rummenigge. Also erstmals seit 42 Jahren, als Hoeneß zum Manager aufgestiegen war.

„Große Fußstapfen, klar“, sagte Kahn nun, als er erstmals als AG-Chef über die neue Zeitrechnung beim FC Bayern nach den beiden prägenden Figuren der vergangenen Jahrzehnte sprach, „aber man muss ja nicht unbedingt in diesen Fußstapfen weiterlaufen, wenn sie so groß sind.“ Man könne auch „andere Wege gehen“, sagte Kahn und nannte als Beispiel seinen Führungsstil. „Ich bin jemand, der sehr, sehr stark auf das Team setzt, Menschen mitnimmt und teilhaben lässt an Prozessen“, sagte der frühere Torwart, bezeichnete sich als „sehr strategischen Menschen“ und erinnerte ans von ihm schon 2020 angestoßene Projekt „FC Bayern AHEAD“, das den Verein zukunftssicher machen soll. Trotz der Konkurrenz durch Klubs mit scheinbar unerschöpflichen Geldquellen wie Paris Saint-Germain. Den „Wettbewerbsnachteil“ Bundesliga (Kahn) mit den geringeren TV-Einnahmen als vor allem in der englischen Premier League kompensiere der FC Bayern durch „unsere Erfolgskultur, Siegesfähigkeit. Das ist unser Wettbewerbsvorteil, den man nicht so einfach kopieren kann.“ Der sportliche Anspruch auf Basis wirtschaftlicher Vernunft bleibe wie gehabt. „Absoluten Weltklassefußball“ wolle der FC Bayern auch künftig anbieten. Der zehnte Meistertitel in Serie soll dabei herausspringen, „und natürlich wollen wir es auch immer wieder schaffen, die Champions League zu gewinnen“, sagte Kahn. Ein zunehmend wichtiger Baustein sei zudem die Talentförderung.

FC Bayern will mit Julian Nagelsmann eine Ära prägen

Es war Kahns erste Regierungserklärung zum Start ins Jahr 1 nach Uli und Kalle (Jahr 1 n. UuK.), für das nun auch noch ein julianischer Kalender eingeführt wird. Für das Publikum ist Julian Nagelsmann ja die spannendste Personalie. Der 33 Jahre alte Fußballlehrer wurde für bis zu 23 Millionen Euro beim Ligakonkurrenten RB Leipzig ausgelöst und als erster Bayern-Trainer überhaupt mit einem Fünfjahresvertrag ausgestattet. Als Nachfolger von Erfolgscoach Hansi Flick, 56, der ebenfalls eine neue Ära begründen soll, allerdings als Nachfolger des ehemaligen Bundestrainers Joachim Löw, 61.

In der Münchener Arena: Der neue Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn (mitte) und Herbert Hainer (rechts) während der virtuellen Pressekonferenz des FC Bayern.
In der Münchener Arena: Der neue Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn (mitte) und Herbert Hainer (rechts) während der virtuellen Pressekonferenz des FC Bayern. © getty Images

Beim FC Bayern ging es am Montag nicht nur darum, Kahn öffentlich als AG-Chef einzuführen. Sondern es auch darum, beim Start in ein neues Zeitalter Leitplanken zu setzen, bevor der neue Trainer Nagelsmann an der Säbener Straße erstmals aus der Kulisse tritt. „Wir sind alle voll davon überzeugt, dass wir mit ihm eine neue Ära des FC Bayern München angehen können“, sagte Kahn, aber klar sei auch: „Beim FC Bayern muss der Erfolg immer sehr, sehr schnell kommen.“ Die erste Vorbereitung hält für Nagelsmann gleich ein paar Schwierigkeiten bereit. Am Montag konnte er zwar immerhin 19 Spieler zu jenen Leistungstests begrüßen, die an diesem Dienstag fortgesetzt werden, ehe am Mittwoch die erste Trainingseinheit ansteht. Doch verzichten muss Nagelsmann bis in die zweite Julihälfte hinein auf Alphonso Davies (mit Kanada beim Gold Cup), die acht deutschen und vier französischen Nationalspieler sowie auf Robert Lewandowski, der mit Polen ebenfalls an der EM teilgenommen hatte und sich wie die Kollegen im Urlaub befindet. Verteidiger Lucas Hernández wird noch später ins Training einsteigen. Der Franzose wurde gerade am Meniskus operiert. Dass er rechtzeitig zum Ligaauftakt am 13. August in Mönchengladbach fit wird, erscheint doch sehr fraglich.

FC Bayern: Dayot Upamecano soll neuer Abwehrchef werden

Für Nagelsmann bedeutet das, dass er vorerst improvisieren muss. In der Verteidigung fehlen durch die Abgänge von David Alaba und Jérôme Boateng künftig zwei bisherige Stammkräfte. Hernández, 2019 für 80 Millionen Euro Ablöse von Atlético Madrid gekommen und weiterhin der Rekordtransfer der Bundesliga, soll unter Nagelsmann eine wichtige Rolle einnehmen. Vor allem dann, wenn der Trainer eine Dreierkette aufbietet, in der Hernández den linken Part übernehmen würde. In der Mitte wird mit Dayot Upamecano, 22, geplant, der als neuer Abwehrchef und Königstransfer dieses Sommers für 42,5 Millionen Euro verpflichtet wurde, ebenfalls aus Leipzig. Immerhin ist Upamecano wie die ablösefreien Zugänge, Linksverteidiger Omar Richards, 23, und Ersatztorwart Sven Ulreich, 32, von Beginn an dabei. Upamecano grüßte bereits vom Münchner Siegestor mit einem ersten „Mia san mia“.