Essen. IOC-Präsident Thomas Bach bewirbt sich um eine zweite Amtszeit und lässt sich dafür feiern. Das hat einen Beigeschmack. Ein Kommentar.
"Ich bin bereit, für eine zweite Amtszeit als IOC-Präsident zu kandidieren und weiter der olympischen Bewegung zu dienen, die wir alle so lieben.“ Ist Thomas Bachs Bewerbung eine gute Nachricht für die Olympische Bewegung? Vermutlich. Verursacht die schwülstige Demut Unbehagen? Eindeutig.
Ergebenheitsadressen an den Präsidenten
Es wäre hübsch zu wissen, ob Thomas Bach, der im kommenden Jahr als IOC-Präsident wiedergewählt werden möchte, sich wirklich als Diener begreift. Die Ergebenheitsadressen, mit der die IOC-Mitglieder reagieren, erinnerte jedenfalls eher an kaiserlich-hochherrschaftliche Zeiten als an moderne Demokratie. Eine war „froh, weiterhin Schulter an Schulter“ mit Bach „für die Olympische Sache kämpfen zu können“, ein anderer sah in dem 66-Jährigen genau den „starken Führer, den wir in diesen schwierigen Zeiten“ brauchen.
Ehrliche Treue oder Kalkül?
Abgesehen davon, dass es immer Unwohlsein auslöst, wenn jemand nach einem „starken Führer“ ruft, bleibt die Frage, wie ernst die Worte gemeint waren. Das IOC durchläuft in der Corona-Krise schwere Zeiten. Zustimmung ist gerade jetzt besonders leicht einzuholen. Dass sich bei den – O-Ton Bach – „herz erwärmenden“ Treueschwüren daher unmittelbar der Verdacht einschleicht, alles sei kalt inszeniert – also pure Machtpolitik –, ist vermutlich das nachhaltigste Problem des IOC, dem allen Reformversprechen zum Trotz der Ruf der Kungelrunde ähnlich hartnäckig anhaftet wie Kaugummi der Schuhsohle.
Warnung vor Olympia-Boykotten
Eine Wunsch an die Welt hatte Thomas Bach auch. Zwei Tage vor dem 40. Jahrestag der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele von Moskau am 19. Juli 1980 hielt der Fecht-Olympiasieger von 1976 eine emotionale Rede über die Enttäuschung der Sportler, nicht an den Wettkämpfen teilnehmen zu können. Das verband er mit einer Warnung vor künftigen Olympia-Boykotten. Die Spiele sollen – wenn nicht das IOC selber die Richtung vorgibt – zum Segen der Sportler unpolitisch bleiben: Bach klingt glaubhaft, aber wieder bohrt sich ein kritischer Gedanke ins Bewusstsein, die Ahnung, dass beim IOC einmal mehr der Wunsch nach ungestörtem Geschäftsbetrieb zur Haltung motivieren könnte.