Essen. Trauer um den 1964er-Zehnkampf-Olympiasieger Willi Holdorf. Auch Frank Busemann, Olympiazweiter von 1996, ist geschockt: “Er war mein Held“.
Frank Busemann trifft die Nachricht wie ein Schlag. Im Gespräch mit dieser Redaktion erfährt er vom Tod des Zehnkampf-Olympiasiegers Willi Holdorf, der Sonntagabend in seiner schleswig-holsteinischen Heimat Achterwehr bei Kiel im Alter von 80 Jahren verstorben war.
„Willi war immer mein Held. Er hat mit seinem Olympiasieg im Zehnkampf das geschafft, was alle wollen. Doch er ist immer Mensch geblieben, hatte immer einen Spruch auf den Lippen. Er hat sich nie über die Dinge gestellt, ist einem immer auf Augenhöhe und nie herablassend begegnet“, sagt der Olympia-Zweite im Zehnkampf von 1996. „Er wird mir und dem Sport als Persönlichkeit fehlen.“
"Kämpfen bis zur absoluten Erschöpfung"
Zwar war der 45-Jährige noch nicht geboren als Holdorf 1964 in Tokio zum Olympiasieg lief, nein vor Erschöpfung sogar torkelte, doch die Bilder von damals bewegen Busemann noch immer. „Ich kriege richtig Gänsehaut, wenn ich an seinen abschließenden 1500-Meter-Lauf in Tokio 1964 denke. Das ist das Idealbild eines Zehnkämpfers: kämpfen bis zur absoluten Erschöpfung. Wenn ich ein Vorbild hatte, dann war es immer Willi. Er hatte das Herz am rechten Fleck, den Kampfgeist und die Leidenschaft.“
Der Recklinghäuser habe immer bewundert, dass Holdorf nicht nur eine Sportkarriere hatte, sondern gleich mehrere: als Leichtathlet, als Stabhochsprung- und sogar Fußball-Bundesliga-Trainer, als Bobfahrer und als Sportartikel-Repräsentant. Als Knirps fiel er als pfeilschneller Torjäger von Fortuna Glückstadt auf. Als er mit 19 Jahren deutscher Juniorenmeister im Zehnkampf wurde, stand er außerdem noch im Handballtor des MTV Herzhorn. Vielseitigkeit bewies der Tausendsassa und Diplom-Sportlehrer auch nach seinem Gold-Coup: Holdorf führte Stabhochspringer Claus Schiprowski 1968 als Trainer zu Olympia-Silber, kümmerte sich um die Kondition des deutschen Davis-Cup-Teams, machte den Fußballlehrer-Schein und arbeitete 1974 kurzzeitig als Trainer des damaligen Bundesligisten Fortuna Köln. Zwischendurch setzte er sich als Anschieber in den Zweierbob von Horst Floth und wurde 1973 EM-Zweiter. „Beim ersten Trainingslauf hatte ich mordsmäßig Schiss“, erzählte Holdorf einmal. Busemann sagt nur bewundernd: „Er war ein Tausendsassa, der immer seinen eigenen Kopf hatte.“
Freundschaftliches Verhältnis
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Busemann gerät ins Schwärmen: „Wenn ich Bilder von Willi in Aktion sehe, dann begeistert mich vor allem die Ursprünglichkeit. Dieses Rausgehen, Sport machen, alles geben bis zum Umfallen. Da sieht man die Seele des Zehnkampfes. Das ist nicht vergleichbar mit dem Hochleistungssport von heute, bei dem jede Kleinigkeit bis ins letzte Detail optimiert wird.“
Das Verhältnis zwischen den beiden Zehnkampfgrößen war sehr freundschaftlich. „Er hat mir immer das Gefühl gegeben, dass ich viel richtig mache. Wenn ich ihm gesagt habe, wie sehr ich ihn bewundere, dann hat er immer gesagt: ,Ach, was! Ich hab‘ doch gar keine Ahnung von Zehnkampf, das was du leistest, das ist stark.‘ Er hat seine Bewunderung für andere nie verloren und immer wieder betont, dass die Leistung der Jungs von heute viel besser ist als seine – obwohl er der Olympiasieger war.“