London. . Roger Federer ist auch mit 35 Jahren noch einer der Tennis-Favoriten für Wimbledon. Der Schweizer spricht über seine Liebe zu London und die Zeit mit der Familie.

Für manche ist es eine Bürde, als Turniersieger in den Wettbewerb zu gehen, andere betrachten es als Schub. Roger Federer sieht auch nach dem Sieg in Halle seine Aussichten für Wimbledon sehr gelassen. Vor seinem Auftaktmatch am Dienstag gegen den Ukrainer Alexander Dolgopolow spricht der Schweizer über seine Karriere und seine Zukunft.

Roger Federer, Sie haben das westfälische Halle mit dem neunten Titel verlassen, einer Rekordmarke. Nun sind Sie auch der Wettfavorit in Wimbledon.

Roger Federer: Ich gehe gestärkt in das Turnier in Wimbledon. Es ist der wichtigste Termin für mich im Jahr. Es ist auch das Turnier, auf das ich die meiste Konzentration bei meinem Comeback gerichtet habe. Weil ich dort in London eigentlich mit sehr großer Selbstverständlichkeit mein bestes Tennis spiele.

Sie haben schon einige Male das Double Halle/Wimbledon gewonnen. Was rechnen Sie sich selbst aus für die Championships?

Roger Federer: Der Sieg in Halle ist kein Freibrief für Wimbledon. Alles beginnt wieder bei Null, ganz von vorne. Ich rechne mit härtester Konkurrenz, mit den üblichen Verdächtigen, also den Topleuten wie Djokovic, Murray, Wawrinka und Nadal. Und dann gibt es noch diese Burschen aus der neuen Generation, Spieler wie Kyrgios, Alexander Zverev oder Khachanov, auf die man aufpassen muss.

Halle war der vierte Titel in einem Jahr, das mit einem Paukenschlag begann, mit dem 18. Grand-Slam-Titel, mit dem unerwartetsten Major-Coup überhaupt. Wie blicken Sie auf die Januartage der Australian Open zurück, auf den Triumph im Finale gegen Nadal?

Roger Federer: Es war der unglaublichste Moment überhaupt. Einer, an den ich nie geglaubt hätte. Es war der Hammer, der Kracher schlechthin. Ich schaue immer noch fasziniert zurück und denke: Mann, was ist da eigentlich passiert? Es war jenseits aller Erwartungen, aller Hoffnungen, selbst aller Träume. Ich wachte danach morgens manchmal auf, und dann fragte ich mich: Ist es wirklich so passiert? Es ist natürlich auch ein wahnsinniges Glücksgefühl da gewesen, es ist auch immer noch, immer wieder da. Dieses Glück geht nicht so schnell weg.

Haben Sie sich dieses Endspiel noch einmal angeschaut?

Roger Federer: Nicht in voller Länge. Immer mal wieder Highlights, die spektakulären Szenen. Die Phasen, in denen es sich hin und her drehte. Und die Siegerehrung. Ich habe dabei gespürt, was mir das alles bedeutete. Wie wichtig es auch für mein Team, für meine Familie war.

Gab es jemals vergleichbare Momente auf dem Tennisplatz für Sie?

Roger Federer: Es fällt schwer, da etwas zu finden. Sicher der erste Wimbledonsieg, der Sieg bei den French Open. Aber ich kann mich selbst nicht erinnern, dass so starke Gefühle so lange nach einem Match geblieben sind.

Man hat das Gefühl, Sie schweben immer noch auf Wolke sieben.

Roger Federer: Es gibt Siege und Momente, die unbezahlbar sind. Und Melbourne war so ein Sieg, so ein Moment. Ich blieb ja auch auf dieser Welle, diese Erfolge setzten sich fort. Indian Wells, Miami. Die Siege bei den Masters-Wettbewerben. Genau so irre. Auch Halle nehme ich nicht als selbstverständlich.

Sie waren die zweite Hälfte 2016 nicht im Wanderzirkus unterwegs, sechs Monate ohne Pflichtspiel. Wie war diese Zeit für Sie?

Roger Federer: Am Anfang denkst Du: Das ist eine lange Strecke jetzt, ganz ohne Turniertennis, ganz ohne diesen wichtigen Teil deines Lebens. Aber ich konnte diese Zeit schnell genießen, ich habe mir einfach gesagt: Mach was draus, entdecke die Möglichkeiten, die du nun hast! Und das war natürlich auch die intensive Zeit mit der Familie, mit meiner Frau und den Kindern. Pausen sind eigentlich nichts Schlimmes, im Gegenteil: Wenn man sie richtig nutzt, sind sie eine Chance. Ich fühlte mich wirklich frisch, ausgeruht und energiegeladen, als ich nach Australien kam. Und auch jetzt noch einmal, nachdem ich die Sandplatzsaison ausließ. Und das ist auch etwas, was andere Spieler im Hinterkopf haben sollten: Pausen sind Teil deiner Arbeit als Profi, sie können sehr nützlich sein.

Gab es nach Melbourne nicht die Versuchung zu sagen: Danke, liebes Tennis, das ist jetzt der Traummoment, um aufzuhören?

Roger Federer: Nein. Ich habe letztes Jahr, nach den Verletzungen, die ich hatte, immer wieder gesagt: Ich habe einen längerfristigen Horizont, wenn ich dieses Comeback plane. Ich arbeite eigentlich erst mal so, als ob es einfach weitergeht – ohne einen festen Endpunkt. Und daran hat sich auch nichts geändert. Ich will noch ein paar Jahre Tennis spielen.

Gibt es ein Traumszenario für den Schlusspunkt der Karriere?

Roger Federer: Nein, das gibt es nicht. Ich denke, ich werde einfach merken, wenn es soweit ist.