Magdeburg. . Der Wattenscheider Agit Kabayel boxt am Samstag um den Europameister-Titel. Früher spielte der 24-Jährige Fußball mit Nachbarsjunge Leroy Sané.
Der athletische Hüne mit dem schwarzen Hoodie betritt leichtfüßig das Restaurant des Magdeburger Hotels Maritim und bestellt ein Wasser. „Mit oder ohne Kohlensäure”, fragt die Kellnerin. „Natur, ganz klar. Und nichts zu essen, bitte”, antwortet Agit Kabayel. Als Schwergewichtsboxer muss er eigentlich nicht auf sein Gewicht achten, aber deshalb weicht der 24-Jährige nicht von seinen Gewohnheiten ab. Nur einen Raum weiter bestreitet Kabayel am Samstag (22.30 Uhr/MDR live) den Kampf seines Lebens. Im Fight um die vakante Europameisterschaft im Schwergewicht des Verbandes EBU trifft er im Hotel-Saal auf den gleichaltrigen Hervé Hubeaux aus Belgien. Und was macht ein Profiboxer zwei Tage vor dem Duell, dessen Ausgang sein ganzes Leben verändern könnte? „Ich gebe meiner Zeitung aus dem Ruhrgebiet ein Interview und dann werde ich abschalten. Nur nicht irre machen”, sagt Kabayel, der in Leverkusen geboren ist, mit vier Jahren nach Essen-Kray umgezogen ist und schon lange in Wattenscheid lebt.
Metall als Vorbild
Der Magdeburger Profibox-Stall SES setzt voll auf Kabayel, will mit ihm das lukrative Geschäft in der Schwergewichtszene erobern und nahm ihn deshalb für drei Jahre unter Vertrag. Die Gegner, die Kabayel in seinen bisherigen 15 Kämpfen alle bezwang, davon zwölf per K. o., haben nicht die klangvollen Namen, aber dennoch stand er schon mit einigen Großen als Sparringpartner im Ring. „Mein Vater hat als Metallbinder gearbeitet”, erzählt Kabayel. „Er hat mir mal gesagt: Junge, Metall arbeitet und kann nie rosten. Nimm dir das zum Vorbild, arbeite immer!” Und so machte Kabayel nicht nur eine Ausbildung als Facharbeiter im Gleisbau und jobbte als Türsteher.
Erstmals geboxt hat er mit 14 beim früheren deutschen Mannschaftsmeister BC Essen-Steele. Vorher hat er jedoch Fußball gespielt bei Rot-Weiß Leithe. „Wir haben auch draußen auf der Straße oder auf dem Bolzplatz gespielt”, sagt er. „Ich war nicht schnell genug. Mein Freund Leroy Sané ist mir weg gerannt, obwohl er viel jünger ist.” Mit Leroy Sané ist Kabayel Haus an Haus in Wattenscheid aufgewachsen. Zum Ex-Schalker Fußballstar hat er noch Kontakt.
Nach oben boxen
Der Profi von Manchester City kann am Samstag nicht zum Kampf seines Ex-Nachbarn kommen. Im Gegensatz zu Kabayels bestem Freund, Kerem Demirbay von der TSG Hoffenheim. Auch der Schalker Sead Kolasinac gehört zu seinen Bekannten: „Wir haben den gleichen Friseur.” Und in Kabayels Ringecke wird sogar ein prominenter Rapper stehen, um in den Pausen den Mundschutz auszuwaschen. KC Rebell, der schon eine Goldene Schallplatte bekommen hat und mehr als 1,2 Millionen Facebook-Freunde hat, ist Kabayels Cousin. „Agit beim Boxen und ich mit meiner Musik, wir mussten uns alles hart erkämpfen”, sagt der Star-Rapper.
Kabayel, der einen deutschen Pass hat, will sich nach oben boxen. Aber den Begriff „Ghettoboxer”, den eine Boulevardzeit für ihn verwendete, mag er nicht. „Wir leben im Ruhrgebiet, doch nicht in der Bronx”, sagt er und lacht. „Klar, es gab Versuchungen in meiner Jugend, aber der Sport hat mir den richtigen Weg gewiesen.”
Notfalls wieder Gleisbauer
Sein großer Traum ist es, Weltmeister zu werden. Den ersten Schritt dorthin will er mit einem Sieg am Samstag im Kampf um die Europameisterschaft machen. Und wenn es nicht klappt? „Ach, ich muss es einfach probieren. Notfalls gehe ich als Gleisbauer wieder malochen. Aber vor meinem ersten WM-Kampf machen wir das Interview bei euch in der Redaktion”, sagt Agit Kabayel, trinkt sein Glas Mineralwasser aus und geht ein bisschen bummeln.