Essen. Die Speerwurf-Weltmeisterin Steffi Nerius trainiert mittlerweile Behindertensportler. Für sie sind die Wettbewerbe knallharter Leistungssport.

Von wegen „Dabei sein ist alles“. Die Paralympics sind keine Kuschelveranstaltung. „Das ist inzwischen knallharter Leistungssport“, sagt Steffi Nerius. Die ehemals weltbeste Speerwerferin ist überzeugt: „Bald wird es nicht mehr viele Athleten geben, die in unterschiedlichen Disziplinen erfolgreich sind. Wer sich nicht spezialisiert, wird das Trainingspensum nicht mehr schaffen.“ Heute ist Nerius Trainerin im Behindertensport, sie coachte ihre beiden Athleten Markus Rehm und Franziska Liebhardt zu viermal Edelmetall bei den Paralympics in Rio.

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„Die Entwicklung im Behindertensport ist gigantisch“, findet Nerius, die seit einiger Zeit als Leiterin des Sportinternats in Leverkusen und als Trainerin für den Deutschen Behindertensportverband arbeitet. 2002, als sie bei Bayer Leverkusen ihre Trainerstelle antrat, habe sie auf der Suche nach paralympischen Nachwuchsathleten 600 Briefe an Schulen und Sportvereine geschrieben. „Gemeldet hat sich damals nicht ein einziger“, erinnert sie sich.

Heute ist vieles anders und Bayer der erfolgreichste und größte paralympische Sportverein in Deutschland. Markus Rehm und Franziska Liebhardt sind mit zweimal Gold beziehungsweise Gold und Silber zwei hochdekorierte deutsche Paralympioniken. In Rio gewannen Leverkusener Athleten insgesamt 15 Medaillen. Eines der Erfolgsrezepte: „Wir arbeiten im Verein sehr professionell. Behinderte und nicht-behinderte Athleten trainieren ganz selbstverständlich zusammen“, sagt Nerius.

20 000 Euro für Gold

Das Fernziel für sie und ihren größten Star Markus Rehm sind die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. Dass sich bis dahin im paralympischen Sport noch eine Menge tun wird, davon sei auszugehen. „Ich kann diejenigen nicht verstehen, die meckern und sagen, dass der paralympische Sport zu wenig gefördert wird“, findet die 44-Jährige. Inzwischen sind die Erfolgsprämien angepasst worden. Sieger bei Paralympics und Olympischen Spielen bekommen das gleiche: 20 000 Euro. Für Silber und Bronze gibt es 15 000 bzw. 10 000 Euro. „Das ist doch fantastisch“, sagt die frühere Erfolgsathletin. „Auch die Olympischen Spiele haben einen weiten Weg hinter sich“, sagt Nerius und nennt dieses Beispiel: Bei den Spielen 1972 habe Heide Rosendahl noch als Prämie einen Gutschein für Schnitzel bekommen. . . Nerius geht davon aus, dass in den nächsten Jahren auch die paralympische Entwicklung in riesigen Schritten vorangehe.

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Andere Länder seien schon jetzt weiter. „Die meisten chinesischen Athleten sind Vollprofis.“ In fast jeder Disziplin kämpften die Athleten aus Fernost um den Titel. So weit ist man in Deutschland noch nicht. Selbst Weltrekordhalter und Paralympicssieger Rehm arbeitet halbtags als Orthopädietechniker. Einziger Profi sei derzeit David Behre. Der gebürtige Duisburger kehrte aus Rio mit einem kompletten Medaillensatz aus Bronze, Silber und Gold zurück. „Ich gehe davon aus, dass das Interesse an unseren paralympischen Athleten auch in der Zeit bis Tokio auf einem gewissen Level bleibt. Die Vermarktung der Sportler wird immer besser“, erklärt die Trainerin.