Essen/Kasan. . Bei der Schwimm-WM in Kasan ist die Auswahl an Medaillenkandidaten begrenzt. Bundestrainer Henning Lambertz aus Essen denkt schon weiter - an die Olympischen Sommerspiele 2020.
Im Januar 2013 übernahm Henning Lambertz im DSV den Posten des Chefbundestrainers. Bis zu den Olympischen Spielen 2020 will der 44-Jährige die deutschen Schwimmer wieder in die Weltspitze führen. Bei der WM in Kasan ist seine Auswahl an Medaillenkandidaten aber sehr begrenzt – deshalb wendet sich frühere Essener Trainer mit einer klaren Botschaft an die deutsche Politik.
Herr Lambertz, bis Olympia 2020 wollen Sie den deutschen Schwimmsport zurück in die Weltspitze führen. Wie schätzen Sie die Lage drei Jahre nach dem Tiefpunkt bei den Spielen in London ein?
Henning Lambertz: Wir haben schon einen Aufwärtstrend. Zum Beispiel sind die Frauen etwas aus ihrem Schattendasein herausgetreten. Auf der Langstrecke werden wir zunehmend stärker – vielleicht auch aufgrund meiner Intervention, ein bisschen mehr zu trainieren. Aber sehr viele unserer hochkarätigen Namen haben seit 2012 ihre Karriere beendet. Dadurch wird es nicht leichter, in kurzer Zeit eine klare Veränderung hinzukriegen. Da müssen wir wirklich bis Olympia 2020 warten.
Ein zentraler Punkt in Ihrem Plan hin zu den Tokio-Spielen ist das Perspektivteam. Wie hat sich dieses Projekt bislang entwickelt?
Lambertz: Das Projekt hat sich toll entwickelt. Ich würde mir nur wünschen, dass noch mehr Trainer in Deutschland die Chance dieses Projektes erkennen. Durch die Erfolge bei der Junioren-EM, zum Großteil durch Schwimmer aus dem Perspektivteam, sollten alle anderen Heimtrainer erkennen, dass die Maßnahmen, die wir im Perspektivteam ergreifen, ihren nicht entgegenstehen. Sondern sie im Gegenteil unterstützen.
Toptalent Johannes Hintze trainiert lieber zuhause
Wie sehen Sie in dem Zusammenhang den Fall Johannes Hintze, der im letzten Jahr, mit 14, über 400 Meter Lagen schneller war als Michael Phelps in diesem Alter?
Lambertz: Er entwickelt sich sehr gut, hatte zuletzt aber Pech mit einem Virusinfekt. Er hat die WM abgesagt – und ist auch kein Mitglied im Perspektivteam. Ich hatte ihn eingeladen, aber er hat sich in Potsdam mit seinen beiden Trainern dagegen entschieden. Solche Fälle meine ich. Denn wenn sich Nachwuchstrainer an einem Bundesnachwuchsstützpunkt gegen ein Nachwuchsprojekt des Chefbundestrainers entscheiden, hat das nicht immer einen ganz so schönen Charakter.
Was stört die beiden?
Lambertz: Vielleicht haben sie Angst, dass wir ihn nicht so trainieren, wie sie es zu Hause täten. Aber das ist veraltetes Denken, so kommen wir nicht weiter.
Wie entscheidend ist der finanzielle Aspekt für den Erfolg oder Misserfolg der deutschen Spitzenschwimmer?
Lambertz: Es gibt Länder wie England, die sich entschlossen haben, Sport in hohem Maße zu fördern. Aber wenn 80 oder 90 Prozent der Menschen in Deutschland nur Fußball gucken, muss es irgendwann ein klares Statement aus der Politik geben, die sagt: Okay, wir wollen das stärker subventionieren, stärker fördern. Nicht nur ein bisschen, sondern richtig.
Ihr Plan, bis 2020 wieder die Nummer eins in Europa zu sein, steht trotzdem nach wie vor?
Lambertz: Der steht nach wie vor. Aber man muss natürlich – das klingt ein bisschen dramatisch – auch die Waffen an die Hand bekommen, mit denen man so einen Krieg gewinnen kann. Wenn ich mit einem Zahnstocher gegen Länder kämpfe, die schon lange Schwerter in der Hand haben, wird das nichts werden.