Essen. . Für ihren Traum Rio 2016 hat die Essenerin ihre Grenzen ausgelotet und bis zur Erschöpfung trainiert. Bei der WM in Kasan kann sie eine Medaille holen.

Wer sich mit Dorothea Brandt unterhält, der erlebt eine junge Frau von großer Eloquenz, die mit offenem Blick auf ihre Gesprächspartner eingeht. Ihre große Kommunikationsfähigkeit und ihre hohe Beliebtheit haben die Schwimmerin der Startgemeinschaft Essen in den vergangenen Jahren zur idealen Aktivensprecherin gemacht. Bei der Weltmeisterschaft im russischen Kasan wird die deutsche Nationalmannschaft allerdings von Brandts Essener Teamkollegen Hendrik Feldwehr vertreten.

„Das Amt hat mich zuviel Kraft gekostet“, sagt Brandt. „Ich bin ein Mensch, der gerne hilft. Aber der Zeitpunkt ist gekommen, dass ich mich auch mal selbst in den Mittelpunkt stelle. Jetzt muss ich ein bisschen Egoist sein.“

Brandt wird vom Olympiadritten Mark Warnecke trainiert

Alles dreht sich bei Dorothea Brandt um das Projekt „Olympische Spiele 2016“, das sie akribisch mit ihren Trainern Nicole Endruschat und Mark Warnecke angegangen ist. „Die WM ist eine Zwischenstation“, sagt sie. Warnecke geht offensiv mit der Zielsetzung für Olympia um: „Doro soll eine Medaille gewinnen. Sie hat das Zeug dazu. Wenn man das Maximale aus einer 31-Jährigen herausholen will, muss alles stimmen.“

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Warnecke weiß, wie man eine olympische Medaille gewinnt. 1996 wurde er in Atlanta Dritter über 100 Meter Brust. Während Endruschat für das Wassertraining verantwortlich ist, lässt Warnecke an Land Brandt ein ausgeklügeltes Kraftprogramm machen. „Als Leistungssportlerin habe ich eine andere Wahrnehmung“, spricht Brandt über die Folgen eines solchen Trainings. „Mit dünnen Armen und Beinen würde ich mich gar nicht mögen. Manchmal ärgert mich mein breites Kreuz, wenn bei einer Bluse die Ärmel zu kurz sind oder bei einem Blazer die Schultern spannen. Ich habe aber auch schon sehr schöne Komplimente erhalten, sowohl von Männern als auch Frauen.“

Brandt: "Habe meine Grenzen ausgelotet"

Warnecke ist ein Tüftler. Der Arzt hat ein Unternehmen, das von der Fußball-Nationalmannschaft über Borussia Dortmund bis zu Brandt viele bekannte Sportler mit Nahrungsergänzungsmitteln versorgt. In diesem Jahr hat er mit Brandt ausprobiert, wie sich extremes Training auf ihren Körper auswirkt. „Ich habe meine Grenzen ausgelotet“, erzählt Brandt. „Nur wenn ich mich völlig verausgabe, kann ich ein höheres Niveau erlangen. Manchmal habe ich gedacht, ich schaffe es nicht. Ich war total schlapp, hatte keinen Appetit mehr, konnte nicht schlafen.“

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Aber Brandt und Warnecke sind fest davon überzeugt, dass sie nur durch die Überbelastung einen Fortschritt erzielen. Obwohl die Essenerin die vielseitigste deutsche Schwimmerin ist, wie sie bei der DM 2014 mit ihren Titeln über 50 Meter Freistil, Schmetterling und Brust bewies, setzt sie alles auf eine Karte: Am 13. August 2016 will sie im olympischen Finale über 50 Meter Freistil aufs Podium. 24 Sekunden oder möglichst einige Hundertstel weniger werden darüber entscheiden, ob ihr Projekt von Erfolg gekrönt sein wird.

Brandt ist Medaillenhoffnung bei WM in Kasan

„Dann werde ich aus dem Wasser steigen und sagen, das war so geil, das war mein Rennen“, sagt Brandt. „Dafür arbeite ich jeden Tag. Ich habe ein Ziel, ich habe einen Traum, ich muss einen Arsch in der Hose haben.“

Bei der WM in Kasan, bei der ab Sonntag die Titel im Becken vergeben werden, zählt die Essenerin zu den wenigen deutschen Medaillenkandidatinnen. Die Müdigkeit ist nach dem harten Training längst verflogen. „Ich glaube, dass es gut wird und ich meine Bestzeit unterbiete“, sagt sie und fügt an, worauf es ihr wirklich ankommt: „Danach geht der Blick sofort nach Rio.“