Aachen. . Isabell Werth ist Deutschlands erfolgreichste Dressurreiterin. Bei Olympischen Spielen gewann sie vier Goldmedaillen. Doch die 45-Jährige hat längst noch nicht genug. Zusammen mit der Stute Bella Rose plant sie die Zukunft - und will noch einmal ganz oben stehen.
Mit vier Goldmedaillen bei Olympischen Spielen ist Isabell Werth Deutschlands erfolgreichste Dressurreiterin. Sie wurde Weltmeisterin, Europameisterin und Deutsche Meisterin. In Aachen, wo sie schon viele Erfolge feierte, sprach sie über ihre bisherige Laufbahn, einen alten Weggefährten und die Zukunft.
Alle großen Titel haben Sie bereits mehrfach geholt. Woher nimmt man da die Motivation, weiterzumachen und noch mehr zu wollen?
Isabell Werth: Das Besondere an unserem Sport ist die Zusammenarbeit mit dem Lebewesen Pferd. Das führt dazu, dass man nicht satt wird und dass es nicht langweilig wird. In anderen Sportarten hat man nach 10, 15 Jahren sicher irgendwann Kopf und Herz leer, kann man die Tartanbahn oder das Schwimmbad nicht mehr sehen. Aber das Pferd gibt einem immer eine Antwort, es findet ein permanenter Austausch statt. Zudem gibt es die Möglichkeit, immer wieder neue Tiere in den Sport zu führen.
Wann ist der Punkt gekommen, an dem Sie genug haben?
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Werth: Ich bin mir sicher, dass meine innere Uhr mir rechtzeitig das Zeichen gibt, dass es genug ist mit der aktiven Karriere. Pferde und das Reiten werden allerdings immer eine Rolle in meinem Leben spielen, auch wenn ich 80 bin. Ob es jetzt noch sieben, acht oder zehn Jahre werden, hängt sicherlich davon ab, mit welchem Pferd und mit welcher Situation ich dann am Start bin. Wer mit einem Lebewesen zusammenarbeitet, weiß, dass man da nicht nach einem strikten Plan vorgehen kann. Alleine eine kleine Verletzung kann einen komplett aus dem Sport weghauen.
Ihren letzten großen Titel haben Sie mit der Goldmedaille bei Olympia im Jahr 2008 errungen. Wollen Sie noch mal richtig angreifen?
Werth: Mit Bella Rose gehe ich jetzt mit einer Stute an den Start, die über alle Möglichkeiten verfügt. Das motiviert mich ungemein. Natürlich wäre es schön, wenn ich noch die eine oder andere Goldmedaille holen würde.
Ihr Entdecker und langjähriger Förderer Dr. Uwe Schulten-Baumer ist kürzlich verstorben. Welche Rolle hat er rückblickend für Ihre Karriere und Ihr Leben gespielt?
Werth: Ganz einfach: Ohne ihn würden wir jetzt nicht sprechen. Er hat mir damals mit 17 Jahren die Möglichkeit gegeben, bei ihm auf einem jungen Pferd zu beginnen. Dabei hat er ein gewisses Talent in mir entdeckt. Durch ihn habe ich das Können erlangt, Pferde auszubilden und in den Sport zu bringen. Er hat mir das Rüstzeug für mein gesamtes sportliches Leben gegeben.
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Sie sagen, Dr. Schulten-Baumer und Sie hat eine „blinde Passion“ verbunden – was meinen Sie damit?
Werth: Schulten-Baumer hat sein gesamtes Leben der Ausbildung von Pferden gewidmet. Er war einfach ein großer Pferdemann. Leider sterben diese Pferdeleute langsam aber sicher aus. Ich hoffe, dass wir ein Stück weit die Tradition aufrechterhalten können, und ich bedauere es sehr, dass es uns zuletzt nicht mehr vergönnt war, regelmäßig Kontakt zu halten.
Von Kritikern wird das Dressurreiten immer wieder als Tierquälerei bezeichnet. Können Sie diesen Vorwurf irgendwie nachvollziehen?
Werth: Leider haben wir es nicht geschafft herüberzubringen, was wir alles für unsere Pferde tun. Gerade die Haltungsbedingungen haben sich in den letzten zehn Jahren extrem verbessert. Abgesehen davon sind die Pferde ganz nüchtern betrachtet unser wichtigstes Gut, dem wir niemals schaden würden. Natürlich betreiben wir Spitzensport, natürlich gehen wir bei den Pferden wie auch bei uns selbst an Grenzen. Wir wollen die optimale Leistung herausfordern, aber wir bemühen uns, diese Grenzen nie zu überschreiten. Leider gibt es Menschen, die allein die Tatsache, dass wir Pferde zum Reiten nutzen, schon als Quälerei betrachten. Ich denke, der Sport dient dazu, das Kulturgut Pferd zu erhalten, denn sonst haben wir irgendwann nur noch eins im Zoo stehen, und das war’s.
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Wenn Sie ein Pferd das erste Mal sehen, ab wann wissen Sie, ob Sie mit dem Tier Erfolg haben können?
Werth: Es muss ein gewisser Funke überspringen. Bei Bella Rose etwa war ich regelrecht elektrisiert. Wenn ich dann das erste Mal auf dem Tier sitze und eine gewisse Leistungsbereitschaft und Elastizität des Pferdes spüre, dann weiß ich relativ schnell, ob ein Pferd für den Spitzensport geeignet ist.