Essen. . Hat die Gewalt in deutschen Stadien zugenommen? Zu diesem Eindruckgelingt dem Aktuellen Sportstudio im ZDF eine gute Diskussionsrunde. Ultras sind nicht gleich Hooligans, lernt man dort. Und doch gibt es noch viel Gesprächsbedarf zwischen DFB, Vereinen und Fans.

Die Diskussion, wie man mit gewaltbereiten Fußballfans umgehen sollte, sie kocht in den letzten Wochen und Monaten immer wieder hoch. Nicht zuletzt nach den Ausschreitungen beim Pokalspiel Borussia Dortmund gegen Dynamo Dresden, den Tumulten beim Zweitligaspiel MSV Duisburg gegen Fortuna Düsseldorf oder den Schlägereien beim Hallenturnier in Hamburg mit vor etwa einer Woche. Die Diskussionsrunde im Aktuellen Sportstudio am späten Samstagabend im ZDF zeigte, dass es sich lohnt, darüber zu sprechen.

Dabei ging es zunächst darum, dass genau das bei der letzten Gesprächsrunde des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit Fanvertretern zu keinem Ergebnis führte. Nach drei Runden wurden die Gespräche abgebrochen. Liga-Präsident Reinhard Rauball sprach von einer „Geisterdebatte“. Eigentlich sollte darüber verhandelt werden, ob Ultras im engen Rahmen eines Pilotprojektes Bengalische Feuerwerke einsetzen dürfen und sich im Gegenzug dazu verpflichten, sich an die abgesprochenen Regeln zu halten. Dabei seien es zu seiner Überraschung „sehr sachliche Gespräche“ gewesen, bestätigt Jannis Busse, Sprecher der Initiative „Pyrotechnik legalisieren“. Dass sie trotzdem zu keinem Ergebnis führten, hinterlässt bei Mainz 05-Manager Christian Heidel einen faden Beigeschmack: „Mein Gefühl ist: Die Entscheidung stand schon vorher fest.“

Manager selbstkritisch

Heidel zeigte sich in der Diskussion auch selbstkritisch: „Die Vereine machen auch Fehler im Umgang mit der Pyrotechnik“, gestand er ein. Bei Feiern mit den Fans nach großen Erfolgen machten sich Vereinsangehörige und Spieler manchmal auch keine Gedanken, wenn dann Bengalos zum Einsatz kämen – die ja eigentlich verboten seien.

Randale in Dortmund

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    Es ist zunächst eine sehr sachliche Diskussion im Aktuellen Sportstudio. Bei einem Thema, das sonst die Gemüter leicht hochkochen lässt. Ein Erfolg dieser sachlichen Diskussion: Vorurteile und Unschärfen in der bisherigen Debatte kommen zutage. Es gehe zum Beispiel keineswegs um eine generelle Legalisierung von Pyrotechnik, stellt Hendrik Große Lefert, Vorsitzender der DFB-Task-Force „Sicherheit“ klar. Diskutiert worden waren Pilotprojekte, mehr nicht.

    Vorurteile widerlegt

    Zweitens gelingt es Moderator Michael Steinbrecher, auch Vorurteile gegenüber Ultra-Fans zu widerlegen. Zunächst ganz einfach dadurch, dass einige ihrer Vertreter im Studio sind und mitdiskutieren. „Ultras werden immer mehr mit Gewaltbereitschaft in Verbindung gebracht“, sagt Mainz 05-Manager Christian Heidel. Dabei sei den Vereinen schon lange klar, dass es wichtig ist, mit ihnen zu kommunizieren. Bei den regelmäßigen Gesprächen von Mainzer Vereinsvertretern mit Fans säßen Ultras selbstverständlich mit im Tisch, erzählt er.

    Ultras seien schlicht „die am stärksten wachsende Jugendkultur in Deutschland“, sagt Michael Gabriel von der Koordinierungsstelle Fankultur, die von Bund und DFB finanziert wird. „Ultras wollen mehr machen, als nur 90 Minuten im Stadion zu sein“, erklärt Philipp Markhardt, Sprecher der Initiative „Pro Fans“. Sie wollten Spruchbänder, Choreografien – und eben auch Pyrotechnik. Politologe Jonas Gabler sieht aber auch eine „große Widersprüchlichkeit“ der Szene, die sich zu 100 Prozent mit dem Verein identifiziere, ihm nicht schaden wolle, aber ab und zu auch ein paar Regeln brechen wollen.

    Nicht mehr Gewalt

    Auch die große Frage hinter der ganzen Debatte bringt Steinbrecher in die Diskussion ein: Hat die Gewalt zugenommen? Eine Antwort geben die Zahlen: 846 Verletzte gab es in der vergangenen Saison im Profi-Fußball, nicht mehr als in den Jahren zuvor. „Jeder Verletzte ist einer zuviel“, sagt der DFB-Sicherheitsbeauftragte Helmut Spahn. „Aber 800 Verletzte gibt es beim Münchner Oktoberfest an einem Tag.“ Niemand diskutiere deshalb über ein Alkohol- oder Glasverbot.

    Welche Spannungen bestehen, wird klar, als Fansprecher Jannis Busse auf Bernhard Witthaut von der Gewerkschaft der Polizei trifft. Schnell werden Vorwürfe laut, die bis dahin sachliche Diskussion wird emotionaler. Die Polizei setze Pfefferspray willkürlich ein, fördere mit massivem Auftreten eine aggressive Stimmung.

    Spätestens da ist klar: Die Gespräche müssen weitergehen.