Essen. Noch ist das Aufstiegsrennen in der Regionalliga offen, aber der Klub sendet derzeit keine Mut machenden Signale. Ein Kommentar
Die einen zetern und fluchen, andere schütteln nur wortlos den Kopf nach dieser bitteren Enttäuschung. Enttäuschung? Das ist viel zu harmlos formuliert. Fassungslos sind sie nach diesem indiskutablen Auftritt von Rot-Weiss Essen. Wie konnte das sein? Spitzenreiter Münster patzt und lädt in der Regionalliga ein zum Miteinander an der Spitze, RWE aber kriegt es vor 10.000 Fans an der Hafenstraße gegen einen ausgesprochen biederen Gegner nicht gebacken, eine 1:0-Führung über die Runden zu schaukeln. Nach dieser Steilvorlage ist auch das der zuletzt oft kritisierte Chancen-Wucher.
Der Titelfavorit, gespickt mit hochkarätigen und erfahrenen Spielern, hat versagt, ausgerechnet in der entscheidenden Saisonphase zeigte er eine der schlechtesten Saisonleistungen. Und dabei wollte RWE nach zuletzt dürftiger Ausbeute trotzig die Zähne zeigen. Man begreift es nicht. Sind es tatsächlich die Nerven, die den Spielern einen Streich nach dem anderen spielen? Ist es so, dass der Druck sie lähmt, fehlt die Qualität. Dann ist diese Mannschaft doch nicht so ein Mentalitätsmonster, wie so oft gepriesen?
Verunsicherung zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt.
Da wird an der Hafenstraße analysiert und geredet, und was kommt heraus? Das Team wirkte zwar defensiv stabiler gegen die harmlosen Gäste, dafür aber offensiv so ungefährlich, unstrukturiert und uninspiriert wie selten zuvor. „Unsere starke Offensive, ich habe sie nicht gesehen“, musste selbst Trainer Neidhart eingestehen. Und dann trotzdem diese Schlafmützigkeit beim Ausgleich nach einem Standard. Auch nicht zum ersten Mal.
Direkt nach der Pressekonferenz marschierten die Verantwortlichen, Trainer, Sportdirektor und der Vorsitzende Uhlig, mit versteinerter Miene schnurstracks in den Besprechungsraum. Diese Zielstrebigkeit hätte man sich auf dem Rasen gewünscht. Aber es zeigt auch, was die Uhr geschlagen hat: Das Projekt Aufstieg, mit so viel Euphorie und Schweiß behaftet, droht erneut zu scheitern.
RWE-Bilanz: Zuletzt wenig meisterlich
Klar, die Ausgangslage im Titelkampf hat sich nicht geändert, außer dass Rot-Weiss nur noch fünf Spiele bleiben, um sich vor Münster an die Spitze zu setzen. Selbstbewusstsein ist jetzt gefragt. Doch die Kurve sackte zuletzt bedenklich ab. Nach der Corona-Pause Mitte März holte RWE aus acht Spielen 13 Punkte. Meisterlich ist das nicht.
Aber das Schlimmste ist: Die Überzeugung bröckelt. „Die Stimmung kippt“, heißt es. Denkbar schlechte Voraussetzungen für einen furiosen Endspurt. Man kann nur hoffen, dass es nur für den Moment so ist, im Gefühl der Enttäuschung, der Hilf- und Ratlosigkeit. Also Hintern zusammenkneifen und jetzt erst recht beweisen, dass man das beste Team der Liga ist. Spätestens am nächsten Dienstag muss es jeder wieder deutlich erkennen. „Mal sehen, wie wir die Mannschaft wieder aufrichten“, sagte Trainer Neidhart noch. Und bitte die Fans nicht vergessen.