London. Es war ein deutlicher Erfolg: Usain Bolt hat die 100 Meter bei den Olympischen Spielen in 9,63 Sekunden gewonnen, seine Verfolger deutlich auf die Plätze verwiesen - und nebenbei einen neuen olympischen Rekord aufgestellt. Dabei waren zuvor Zweifel an der Dominanz des Jamaikaners laut geworden.

Usain Bolt darf sich endgültig umbenennen in Usain Gold. Der Sprintstar aus Jamaika läuft auch an diesem Sonntagabend im Olympiastadion von London dem Rest der Welt davon. 80.000 Menschen jubeln ihm zu. Er ist so schnell, dass sein eigener Schatten im Flutlicht kaum bei ihm bleibt: Gold über 100 Meter in 9,63 Sekunden vor seinem Landsmann Yohan Blake (9,75) und dem US-Amerikaner Justin Gatlin (9,79).

Der schnellste Mann der Welt, sein Weltrekord steht bei 9,58 Sekunden, betritt das Stadion an diesem Abend wie bei jedem Rennen in London mit seiner schwarzen Wollmütze auf dem Kopf. Es ist der letzte Wettbewerb des Sonntags, der Nachthimmel hat sich längst dunkel über die Arena gelegt, die drohenden Regenwolken sind abgezogen. Die 3000-m-Hindernis-Läufer, die noch von ihrem Finale auf der Bahn sind, räumen die Bühne.

Die 80.000 Zuschauer auf den ausverkauften Rängen verstummen, als die 100-m-Sprinter sich in die Startblöcke kauern. Man könnte ein Seidentuch hören, das auf den Boden flattert. Der Belag der neuen Bahn ist knallhart, er ist für Sprint-Rekorde gemacht.

Länderkampf zwischen Jamaika und den USA

Nur die Blitzlichter der Foto-Apparate flackern überall auf den Tribünen, jemand weit oben unter dem Dach brüllt „Bolt“, dann fällt der Startschuss. Bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft vor einem Jahr in Südkorea ist der Jamaikaner in diesem Augenblick zu früh aus dem Block geflogen. Fehlstart, Disqualifikation. In London bleibt er ruhig, kein Fehlstart.

Das Finale ist ein Länderkampf zwischen Jamaika und den USA. Drei US-Sprinter gegen drei Jungs in den gelb-grünen Trikots des Karibik-Staats. Der niederländische Meister Churandy Martina und Richard Thompson auf den Außenbahnen sind lediglich Feldfüller.

Gegner waren keine mehr da

Bolt ist auf Bahn sieben eingeklemmt zwischen den US-Amerikanern Ryan Bailey und Justin Gatlin. Gatlin hat in seiner Karriere bereits zwei Dopingsperren hinter sich. Er ist mit seinen 30 Jahren zurück in der Weltspitze und genauso schnell wie früher. Im ersten der Halbfinal-Läufe zwei Stunden zuvor am Abend hat er mit 9,82 Sekunden die beste Zeit auf die Bahn gehämmert. Im Zirkus der Sprinter fehlen einem einfach manchmal nur die Worte.

Bolt war im zweiten Halbfinale in 9,87 Sekunden nur wenig langsamer, aber er hatte schon zehn Meter vor dem Ziel das Tempo heraus genommen und lächelnd zur Seite geschaut, um seine Gegner zu suchen. Es waren keine mehr da.

Der frühere Weltrekordler Asafa Powell, der in seiner Karriere bereits 80 Rennen über die 100 Meter unter zehn Sekunden beendet hat, läuft im Finale auf Bahn drei. Er hat sich seinen Kinnbart im Gelb Jamaikas färben lassen. Es nutzt Powell nichts, er kommt schlecht aus den Blöcken, der Bart ist für ihn im Finale früh ab.

Hasen laufen einem Tiger hinterher

Bolt rauscht die Bahn wie ein Schnellzug herunter. Tyson Gay und Justin Gatlin halten dagegen, doch nach 60 Metern hat der schnellste Mann der Welt das Rennen im Griff. Sein Landsmann Yohan Blake, der ihn bei der Olympia-Qualifikation in der Heimat über 100 und 200 Meter noch geschlagen hatte, kann ebenfalls nicht mehr mithalten. Die Jagd auf der Bahn sieht von oben aus, als würden ein paar Hasen einem Tiger hinterherlaufen.

Usain Bolt stürmt ins Ziel, die Uhr bleibt bei 9,63 Sekunden stehen. Olympischer Rekord. Er läuft direkt weiter, irgendwer reicht ihm eine Fahne Jamaikas. Bolt hüllt sich in die Fahne ein wie in Brokat, dann beginnt er seine Ehrenrunde. Er lächelt, sein erstes Ziel hat er erreicht. Aber er hat in London mehr vor: Er startet noch über die 200 Meter und in der 4-x-100.m-Staffel, er will drei Goldmedaillen gewinnen. Wie vor vier Jahren in Peking, als er ebenfalls zu drei Olympiasiegen lief. Und nach der Vorstellung vom Sonntagabend ist Usain Gold alles zuzutrauen.