London. Im Vorfeld hatte es durchaus Zweifler gegeben: Usain Bolt sei nicht mehr unantastbar, gerade in seinem Landsmann Yohan Blake sei ihm ein gleichwertiger Konkurrent erwachsen. Bolt gab im 100-Meter-Rennen eine eindrucksvolle Antwort und holte mit deutlichem Vorsprung zum zweiten Mal in Folge die Goldmedaille.

Er startete schwach, er musste kämpfen, am Ende aber sahen sie alle nur seinen Rücken: Usain Bolt ist mit der zweitbesten Zeit der Geschichte erneut zur olympischen Goldmedaille über 100 Meter gerannt. Im mit Spannung erwarteten Endlauf von London blieb der Weltrekordler fünf Hundertstel über seiner Bestmarke von der WM 2009 in Berlin und wiederholte in 9,63 Sekunden als zweiter Läufer nach Carl Lewis (USA, 1984 und 1988) den Olympiasieg über die kurze Sprintdistanz.

Kaum im Ziel, küsste Showman Bolt die Laufbahn und warf sich in seine „Blitz“-Pose. Sein Sieg war deutlich: Landsmann Yohan Blake lief in persönlicher Bestzeit (9,75) zu Silber, Justin Gatlin aus den USA, Olympiasieger in Athen 2004, in 9,79 zu Bronze.

Der Hochgeschwindigkeits-Endlauf hatte sich schon im Halbfinale abgezeichnet: Keston Bledman (Trinidad und Tobago) rannte die beste Halbfinalzeit der Geschichte (10,04), die nicht zum Einzug in den Endlauf reichte; bei der WM 2011 hätte er damit Silber gewonnen. Die Medaillenanwärter liefen schon vor dem großen Showdown atemberaubend schnell: Gatlin war der Schnellste in 9,82. Blake folgte mit 9,85. Bolt lief 9,87, ließ es aber schon 40 Meter vor dem Ziel locker angehen.

Viele Fragezeichen hinter Bolt

Hinter Bolt hatten nach einer durchwachsenen Saison viele Fragezeichen gestanden. Erstmals seit dem dreifachen Triumph von Peking hatte der Nimbus der Unbesiegbarkeit des „Außerirdischen“ Kratzer erhalten. Wer das Fehlstart-Fiasko der WM 2011 als einen einmaligen Ausrutscher gewertet hatte, weil Bolt anschließend die 200 m gewann und gemeinsam mit Blake einen Weltrekord mit der Staffel aufgestellt hatte, sah sich 2012 getäuscht.

Bolt hatte in den vergangenen Monaten immer wieder über Rückenbeschwerden geklagt, auch im Vorfeld von London ließ er sich deshalb bei Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt in München behandeln ließ. Ende Mai lief Bolt beim Meeting im tschechischen Ostrau dann eine indiskutable 10,04. Damals kamen prompt erste Zweifel auf, ob der Weltrekordler physisch und psychisch fit für die Sommerspiele sein würde.

Blake hatte sich in den Vordergrund gespielt

Spätestens mit seinen Siegen gegen Bolt bei den jamaikanischen Olympia-Ausscheidungen spielte sich Blake immer weiter in den Vordergrund. Seinem WM-Titel ließ der einstige Lehrling konstant Weltklasse-Leistungen folgen. Mit 9,75 Sekunden führte er auch die Jahres-Weltbestenliste knapp vor Bolt (9,76) an. Trotzdem sprach Blake nie offensiv über den möglichen Olympiasieg, sondern verprach nur „ein großartiges und schnelles Rennen.“

Shelly-Ann Fraser-Pryce hatte sich am Samstagabend in 10,75 Sekunden zur schnellsten Frau der Welt gekrönt. Die Jamaikanerin hatte bereits 2008 in Peking Gold gewonnen, außerdem 2009 bei den Weltmeisterschaften in Berlin. Weltmeisterin Carmelita Jeter aus den USA (10,79) blieb nur Silber, die zweimalige 200-m-Olympiasiegerin Veronica Campbell-Brown (10,81/Jamaika) holte Bronze. Die ehemalige Europameisterin Sailer verpasste als Sechste in ihrem Lauf um 24 Hundertstelsekunden das Finale.