London. Kugelstoßer David Storl sieht sich zum Leichtathletik-Start bei den Olympischen Sommerspielen 2012 in London nicht als Favorit. Doch er ist oft auf dem Punkt topfit - sonst wäre er nicht Welt- und Europameister.

David Storl ist kein Freund böser Worte. Wenn er sich richtig Mühe gibt, den starken Mann zu markieren, klingt das so: „Ich werde versuchen, den anderen 22 Meter vorzusetzen, und dann mal sehen, was passiert.“

Die anderen, Kolosse wie Christian Cantwell, Reese Hoffa und Ryan Whiting aus den USA oder Tomasz Majewski aus Polen, wird das in etwa so beeindrucken wie ein Dackel Nachbars Pitbull mit einer Duftmarke an dessen Zaunpfahl. Aber Worte braucht es an diesem Freitag auch nicht, um zum Auftakt der olympischen Leichtathletik-Wettbewerbe für ein Aufatmen im deutschen Lager zu sorgen. Ein einziger herausragender Versuch des 22-jährigen Kugelstoßers aus Chemnitz würde schon reichen – so ein formidabler Stoß wie bei seinem überraschenden WM-Sieg im vergangenen Jahr.

Mockenhaupt hat es schwer

Kugelstoßen der Männer und 10 000 Meter der Frauen, das sind die Disziplinen, in denen es am Freitag im Olympiastadion um Medaillen geht. Läuferin Sabrina Mockenhaupt von der LG Sieg dürfte kaum in die von Afrikanerinnen dominierte Weltspitze vordringen können, aber David Storl traut der deutsche Sportdirektor Thomas Kurschilgen viel zu: „David hatte ein fantastisches Abschlusstraining, und er strahlt ein für seine jungen Jahre erstaunliches Selbstbewusstsein aus. Ich bin sicher, dass er sich gut präsentieren wird.“

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Den Verantwortlichen des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) wäre das nur recht, denn das Ziel für die Olympischen Spiele London ist in erster Linie, Wiedergutmachung zu leisten. Ganze zwei Medaillen gewann der DLV vor acht Jahren in Athen, gar nur eine einzige zuletzt in Peking. Diesmal soll es „mindestens einen Leichtathletik-Olympiasieger“ geben, sagt Kurschilgen, „und wir wollen mehr Medaillen gewinnen als in Athen und Peking zusammen“. Das sind also zumindest vier.

David Storl ist es noch immer nicht ganz geheuer, dass er mit 22 Jahren und gerade mal knapp über 120 Kilogramm schon im Reigen der arrivierten Kollegen mitmischen kann. In der Weltjahresbestenliste liegt er mit 21,58 Metern hinter den drei Amerikanern und Majewski auf Rang fünf. Storls Bestleistung steht seit seinem WM-Sieg bei 21,78 Metern. Aber da gibt sich sein Trainer Sven Lang keinen Illusionen hin: „In London muss man sicherlich weiter stoßen, um eine Medaille zu holen.“ Deshalb ja der Plan mit den 22 Metern im ersten Versuch.

Storl, der in diesem Jahr im finnischen Helsinki schon Europameister geworden ist, könnte in London seinen dritten großen Titel holen. Aber als Favorit sieht er sich nicht. „Die anderen Jungs haben einfach ein viel höheres Grundniveau als ich“, sagt er. Die seien ja auch zehn Jahre älter als er, betont sein Trainer Lang. „Es geht darum, am Tag X der Beste zu sein. Und das ist uns eigentlich immer gut gelungen“, erklärt der Coach. „Ich denke, dass wir ein besonderes Händchen dafür haben, den Höhepunkt vorzubereiten.“

Freundin Carolin Leonhardt wird als Schlagfrau des Kajak-Vierers gebraucht

Diesmal allerdings brachte ein persönlicher Schicksalsschlag erhebliche Unruhe in Storls akribische Olympiavorbereitung. In der vergangenen Woche starb seine Großmutter überraschend im Alter von 64 Jahren an einem Hirnschlag, es war der Tag vor Storls 22. Geburtstag. Es sei schwer, damit umzugehen, sagte David Storl. Aber er werde alles im Sinne seiner Oma machen – und sich deshalb nicht von seinem Ziel abbringen lassen.

Privaten Trost spendete Storls Freundin Carolin Leonhardt, die allerdings nicht im Stadion sein kann, wenn das Kugelstoßgold vergeben wird. Als Schlagfrau des olympischen Kajak-Vierers kommt die 27-Jährige erst am Freitagabend an der außerhalb Londons gelegenen Kanustrecke an.