Helsinki. Mit sechs Siegen und insgesamt 16 Medaillen gewannen Deutschlands Leichathleten erstmals seit der deutschen Vereinigung die Nationenwertung bei einer Europameisterschaft. Allerdings traten Russland und Frankreich nicht mit allen Weltklasse-Athleten an.
Furioser Finaltag mit sieben Medaillen: Als erfolgreichstes Team der EM von Helsinki haben Deutschlands Leichtathleten Selbstvertrauen getankt für Olympia. Mit sechs Siegen und insgesamt 16 Medaillen gewannen sie mehr Gold als das ohne sechs Weltmeisterinnen angetretene Russland und Frankreich (je 5) und erstmals seit der deutschen Vereinigung auch die Nationenwertung.
Die "Note 1" hatte Sportdirektor Thomas Kurschilgen vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) dem Team bereits nach dem verregneten kalten Samstag mit dem Siegwurf von Diskus-Weltmeister Robert Harting (68,30 m) gegeben. Am Sonntag folgten Gold durch Weitspringer Sebastian Bayer (Hamburg) mit 8,34 m und die 4x100-m-Staffel der Frauen um die entthronte Europameisterin Verena Sailer (Mannheim) in Europa-Jahresbestzeit von 42,51 Sekunden.
Silber für Nadine Müller, Björn Otto und das männliche Sprintquartett
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Silber holten wie bei der WM 2011 Diskus-Ass Nadine Müller (Halle) mit 65,41 m hinter der Kroatin Sandra Perkovic (67,62) und das männliche Sprintquartett (38,44), Silber und Bronze das Stab-Duo. Nur Frankreichs 'Überflieger' Renaud Lavillenie (5,97) bezwang wie bei der Hallen-WM den auf 5,92 m verbesserten Björn Otto (Uerdingen/Dormagen) und Raphael Holzdeppe (Zweibrücken/5,77). Nur Rang vier blieb mit gleicher Höhe dem als Nummer eins der Weltrangliste (5,90) angereisten Wattenscheider Malte Mohr (5,77). Am Ende gab es durch die 4x400-m-Männerstaffel in 3:01,77 Minuten noch einmal Bronze.
"Endlich das erste Gold im Freien, darauf habe ich lange gewartet", meinte Sebastian Bayer, der im fünften Durchgang von Position vier aus erst die Führung übernommen hatte (8,33) und dann noch einen Zentimeter drauflegte. 'Das 100-m-Finale war mir völlig wurscht, wir dachten nur an die Staffel', meinte die entthronte Einzel-Europameisterin Verena Sailer im Überschwang der Gefühle nach dem 4x100-m-Triumph.
Björn Otto war glücklich. "Bei 6,02 m hatte ich bei dem wechselnden Wind keine Chance. Das gute Training im Winter hat sich bezahlt gemacht", meinte der 34-Jährige. "Gold wäre schön gewesen, aber auch mit diesem Silber bin ich zufrieden - wie letztes Jahr in Daegu", meinte Nadine Müller.
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Nach vorausgegangenen Siegen durch Zehnkämpfer Pascal Behrenbruch und den Kugelstoßern David Storl und Nadine Kleinert hatte Robert Harting am Vortag die Medaillenbilanz schon aufpoliert. Mit dem 28. Sieg seit 2010 baute er die längste Erfolgsserie aus, die derzeit ein Weltklasse-Leichtathlet hat. "Der 30. Sieg ist mein Ziel in London", verkündete Harting, der bei seinen beiden WM-Triumphen stets das Trikot mit wildem Urschrei zerfetzt hatte, es am kalten, verregneten Mittsommerabend aber heil ließ. Zur gleichen Stunde steuerte Martina Strutz (Neubrandenburg) im Stabhochsprung Silber bei, das sie schon 2011 bei der WM gewonnen hatte, Favoritin Silke Spiegelburg (Leverkusen) wurde medaillenlos Vierte. Bronze gewann am vorletzten Tag Antje Möldner-Schmidt (LC Cottbus) in 9:36,37 Minuten über 3000 m Hindernis.
Friedrich und de Zordo bekommen Olympia-Ticket wohl über Härtefall-Regelung
Trotz Regen und Kälte gab es im Olympiastadion im 89-köpfigen deutschen Team mehr Licht als Schatten - auch wenn Hammerwurf-Weltrekordlerin Betty Heidler durch den dritten Blackout in einem großen Medaillenwettstreit Fragezeichen hinterließ und Ariane Friedrich (LG Frankfurt) und der in Helsinki fehlende Speerwurf-Weltmeister Matthias de Zordo (Saarbrücken) das London-Ticket am Mittwoch wahrscheinlich nur über eine Härtefall-Regelung durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) erhalten. Ob der Berliner Carsten Schlangen zwei Jahre nach dem Silber von Barcelona Olympia noch schafft, ist nach verpasstem 1500-m-Finale zu bezweifeln. (sid)