London. Vor vier Jahren in Peking gewann Judoka Ole Bischof Gold in der Gewichtsklasse bis 81 Kilo. Diesmal reichte es nur zur Silbermedaille. Im Halbfinale gegen Travis Stevens verausgabte sich Bischof zu sehr. “Der Kampf hat viele Körner gekostet, die mir am Ende gefehlt haben“, sagte er.
Als sich Ole Bischof in den Katakomben der Judo-Halle zu den Reportern vorbeugte, um von seinem zweiten olympischen Abenteuer zu berichten, musste er erst noch einmal kräftig seine Lunge mit Sauerstoff belüften. Auf seiner Brust waren lange rote Striemen zu sehen. Blutige Spuren eines anstrengenden Tages. Nicht nur für den austrainierten Körper, der bis zur Grenze des Möglichen gefordert wurde. Auch für den Kopf. Fünf der stärksten Gegner der Welt, auf die man sich mental einstellen muss. Immer im Bewusstsein, bei einer falschen Bewegung kann alles vorbei. Da fährt das Adrenalin Achterbahn. Aber als sich Bischof dann ein wenig erholt hatte, sagte er mit einem Lächeln: „Ich kann mich über die Silbermedaille freuen, auch wenn man natürlich nach Gold strebt, wenn man das Finale erreicht hat. Kim Jae-Bum war heute einfach besser.“
Bischof hätte als erster deutsche Judoka seinen Olympiasieg wiederholen können
Einige Minuten vorher hatten sich der Deutsche und der Südkoreaner umarmt. Nicht so eine der flüchtigen Gesten, die es unter Sportlern so oft gibt. Die beiden verharrten Sekunden um Sekunden in der Umarmung. Vielleicht weil sie ganz genau die bewegende emotionale Tiefe dieses Moments gegenseitig nachempfinden konnten. Vor vier Jahren hatten sie sich schon einmal in einem olympischen Finale in der Gewichtsklasse bis 81 Kilo auf der Matte gegenüber gestanden. Damals war es Ole Bischof, der Kim besiegte und danach vor lauter Überschwang seinen damaligen Bundestrainer Frank Wieneke durch die Halle trug. Diesmal war Kim der Stärkere. So verpasste es Bischof, als erster deutscher Judoka seinen Olympiasieg wiederholen zu können. Aber immerhin zog er mit Wieneke gleich, der nach Gold 1984 auch Silber 1988 gewonnen hatte.
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„Wenn ich wieder den Olympiasieg geschafft hätte, dann wäre ich in die Themse gesprungen“, sagte der 32-Jährige, „mal schauen, was ich mir jetzt einfallen lasse.“ Obwohl Bischof hundertprozentig auf seinen Finalgegner Kim vorbereitet war, schaffte er es nicht, seine Spezialtechniken anzuwenden. „Ich hatte mir schon eine Taktik zurecht gelegt, aber Kim hat stets eine Lösung gefunden“, sagte Bischof, „er ist ein netter Kerl, ich gönne ihm den Sieg. Ich weiß, wie er sich jetzt fühlt. Er hat vier Jahre lang auf diesen Tag gewartet.“
Bischof musste einige bange Augenblicke überstehen
Am Ende hatte der Reutlinger einfach nicht genügend Kraft, um den Südkoreaner ernsthaft in Gefahr bringen zu können. Während sich Kim, der Weltranglisten-Erste und Weltmeister von 2010 und 2011, souverän durch das Turnier kämpfte, musste Bischof einige bange Augenblicke überstehen, ehe er den Weg ins Finale gefunden hatte. Vor allem das Halbfinale wurde zu einer Zerreißprobe. Mit dem US-Amerikaner Travis Stevens hatte Bischof einen Rivalen, der äußerst unangenehm zu kämpfen ist und für seine Mätzchen bekannt ist. Mehrere Male ließ sich der bullige US-Amerikaner am Auge behandeln. Ob es sich um eine ernsthafte Verletzung handelte, ob er sich so zusätzliche Verschnaufpausen verschaffen wollte oder ob er Bischof nur aus dem Konzept bringen wollte, darüber kann man nur Vermutungen anstellen.
Sicher ist es jedoch, dass sich beide Konkurrenten, die beim deutschen Serienmeister TSV Abensberg zusammen in einer Mannschaft stehen, nichts geschenkt haben. Nach fünf Minuten ging der erbitterte und nicht immer saubere Fight in die Verlängerung. Weitere drei Minuten später gab es noch immer keine Wertung für einen der beiden Rivalen, so dass die Kampfrichter entscheiden mussten. „Das war ein hartes Ding. Vielleicht setzen sich Travis und ich nach Olympia mal bei einem Bier zusammen und reden darüber“, sagte Bischof, „aber ich habe mir den Sieg verdient. Ich war aktiver. Doch der Kampf hat viele Körner gekostet, die mir am Ende gefehlt haben.“
Mit Silber war nicht nur Ole Bischof zufrieden, sondern auch der Präsident des Deutschen Judo-Verbandes, Peter Frese. Nach drei enttäuschenden Tagen in London gab es endlich durch den Kapitän die erste Medaille. „Hat der Junge Nerven“, zog Frese den Hut vor seinem Routinier, „der Ole und Fechterin Britta Heidemann sind die beiden nervlich stärksten Sportler, die ich kenne." Und nicht nur das, jetzt zählen sie auch zu den erfolgreichsten.