Berlin. Wilhelm Schänzer, Leiter des Instituts für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule Köln, rechnet nicht damit, dass die am Freitag beginnenden Olympischen Spiele in London frei von Dopingfällen sein werden. Der Doping-Experte nennt Nachkontrollen als „sehr gutes Abschreckungsmittel“.
Der Doping-Experte Wilhelm Schänzer ist trotz umfangreicher Dopingkontrollen bei Olympia skeptisch, dass es saubere Spiele in London geben wird. „Der Trend ist, dass die Athleten Substanzen zu sich nehmen, die der menschliche Organismus selbst herstellt. Diese Substanzen sind nur schwer nachzuweisen“, sagte der Leiter des Instituts für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule in Köln im Interview mit dapd-Korrespondent Martin Einsiedler. Schänzer erklärte, dass besonders die sogenannten Nachkontrollen ein wirksames Instrument im Kampf gegen Doping seien.
Herr Prof. Dr. Schänzer, wer von beiden hat eigentlich recht: Die Fechterin Imke Duplitzer, die sagt, dass nur jene erwischt werden, die sich die entsprechenden Medikamente und die sorgfältige ärztliche Unterstützung nicht leisten können. Oder der britische Sportminister Hugh Robertson, der vor den Spielen die Botschaft verkündete: 'Wir kriegen Dich, wenn Du betrügst'?
Wilhelm Schänzer: Natürlich ist es weniger wahrscheinlich, dass jemand mit Geld und einem Experten im Rücken positiv getestet wird, als jemand, der dies nicht hat. Und gerade für die Olympischen Spiele gilt: Wer sich hier erwischen lässt, der war wirklich schlecht aufgestellt.
Das klingt nicht nach sauberen Spielen. Wo liegen die größten Probleme im Kampf gegen Doping?
Schänzer: Der Trend ist, dass die Athleten Substanzen zu sich nehmen, die der menschliche Organismus selbst herstellt. Diese Substanzen sind nur schwer nachzuweisen. Und wenn der Athlet das „richtige“ Umfeld hat, das ihn berät und unterstützt, wird es schwer für die Kontrolleure.
Dabei wird in London so häufig wie noch nie zuvor bei Olympischen Spielen kontrolliert werden.
Schänzer: Es ist ein gewaltiges Wettkampfkontrollsystem aufgebaut worden mit einem hohen Probenaufkommen. Dieses Dopinglabor hat die weltweit besten Analysemöglichkeiten. Und wichtig ist, dass die Kontrollphase schon mit Beginn des Einzugs ins Olympische Dorf begonnen hat. Im Vergleich zu 2008 fand, sowohl was die Analyseverfahren als auch die personellen und finanziellen Ressourcen betrifft, eine Steigerung statt.
Was muss in Zukunft besser werden, um der Doping-Problematik im Leistungssport noch besser Herr zu werden?
Schänzer: Wie gesagt, bei Olympia sind nahezu perfekte Bedingungen geschaffen worden. Das trifft bei Weitem nicht auf die Zeit zwischen einem solchen Großereignis zu. Es muss im Anti-Doping-Kampf eine Harmonisierung der Kontrollen geschaffen werden; vergleichbare Bedingungen sind notwendig - nicht nur, was das konkrete Analyseverfahren betrifft, sondern auch die Quantität der Proben.
Sind Nachkontrollen das womöglich wirksamste Mittel?
Schänzer: Nachkontrollen sind ein sehr gutes Abschreckungsmittel, das bereits mehrfach erfolgreich eingesetzt worden ist. So können sich auch Sportler, die denken, den Kontrolleuren einen Schritt voraus zu sein, nicht mehr sicher sein. Schließlich können die Proben bis zu acht Jahre gelagert und auf Substanzen untersucht werden.
Die Nationale Anti-Doping Agentur Deutschland (NADA) hat große finanzielle Probleme. Sagt das nicht schon viel über den Stellenwert des Anti-Doping-Kampfes in Deutschland aus, wenn die einzige große Anti-Doping-Stiftung in diesem Land stets klamm ist?
Schänzer: Es ist wichtig, dass die NADA ihre Finanzierungsprobleme in den Griff bekommt, weil die Herausforderungen im Anti-Doping-Kampf nicht weniger, sondern mehr werden. Bund, Länder und Wirtschaft müssen für die nötige finanzielle und personelle Ausstattung sorgen. Zum einen wird der Spitzensport teilweise über Steuermittel finanziert, daher ist vor allem der Bund in der Pflicht. Aber auch die Wirtschaft verdient viel Geld mit dem Spitzensport, sie trägt ebenfalls Verantwortung für einen sauberen Sport.
Doping wird vorwiegend mit Radsport, Schwimmen oder Leichtathletik in Verbindung gebracht. Im Fußball scheint es sich hier nur um ein kleines Problem zu handeln. Dabei müsste die Verlockung doch groß sein, leistungssteigernde Mittel bei der Sportart einzusetzen, bei der mit Abstand das meiste Geld im Umlauf ist.
Schänzer: Man darf dabei nicht vergessen, dass gerade weil es um viel Geld geht und der Imageschaden bei Dopingvergehen immens ist, der Fußball alles versucht, gegen Doping anzukämpfen. Zudem ist Fußball eine Spielsportart und geprägt durch technische Elemente, wenngleich natürlich auch leistungssteigernde Mittel im Fußball einen Effekt hätten. Grundsätzlich aber gibt es keine Hinweise, dass Doping im Fußball nur annähernd ein solches Problem sein könnte wie bei Individualsportarten wie Schwimmen, Radfahren oder Leichtathletik etwa. Außerdem wird im Fußball bereits viel getestet, auch wenn dies noch intensiviert werden sollte. (dapd)