Dortmund.. Wer in diesen Tagen über die Tour redet, der impliziert damit auch gleichzeitig Doping. Der Anti-Dopingkontrolleur Stefan Rosiejak aus Gelsenkirchen ist bei den Olympischen Spielen im Einsatz – Rosiejak glaubt an das Gute im Radsport.
Es wird wieder über Radsport geredet, denn bei der Tour de France jagen spindeldürre Profis die Berge hoch, rasen tollkühn gefährliche Abfahrten hinunter und trotzen auch übelsten Wetterkapriolen. Wer in diesen Tagen über die Tour redet, der impliziert damit auch gleichzeitig Doping. Und da der Spitzenreiter Bradley Wiggins auch noch Sohn eines übelst beleumundeten Vaters ist, erscheint der Engländer gleich doppelt verdächtig. Wie der Vater so der Sohn. Dagegen wehrt sich Stefan Rosiejak aus Gelsenkirchen. Der wird bei den Olympischen Spielen in London für den Radweltverband UCI im Einsatz sein, bei den Bahnrennen und im Mountainbike. Dafür nimmt der 44-Jährige, im Hauptberuf Geschäftsstellenleiter der Radsportverbandes NRW in Duisburg, Urlaub. Man könnte sagen: Doping-Kontrollen sind sein Hobby. Ziemlich paradox, denn der Mann ist Anti-Doping-Kontrolleur .
In Radsportkreisen gehört Rosiejak einem Zirkel an, der einen äußerst zweifelhaften Ruf genießt, wurden Doping-Kontrolleure über Jahre als „Zecken“, „Vampire“ oder „Blutsauger“ diffamiert. Und solch ein Mann bricht eine Lanze für den Profiradsport? „Alles maßlos übertrieben. Erfreut sind natürlich die wenigsten, wenn sie uns sehen, aber normalerweise läuft das mittlerweile ziemlich professionell ab“, sagt der Gelsenkirchener. Und dabei ein „ehrlicheres Bild vom Profi-Radsport“ vermitteln will: „Wenn der Weltverband UCI pro Jahr 12 000 Proben nimmt und davon sind nur acht bis zehn positiv, dann ist das ein guter Schnitt. Davon können andere Sportarten nur träumen.“ Die in gerne propagierte Schlagzeile „Radsport gleich Doping“ stimme einfach nicht.
Denn andere Sportarten hätten auch Probleme, aber nicht das dichte Netz von Überprüfungen wie der Radsport. Der Hinweis, einen Blick in die Jahresbilanz der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) zu werfen, ist aufschlussreich. Dort stehen alle Sportarten, von American Football bis Wasserski, unterteilt nach Trainingskontrollen und Wettkampftests.
Kein einziger Bluttest im Fußball
Demnach wurden 2011 im Profi-Fußball 499 Trainingskontrollen vorgenommen, davon aber kein einziger Bluttest. Die dauerverdächtigen Radsportler wurden 429 Mal getestet, 183 Mal wurde Blut abgezapft. Im Wettkampf ergibt sich das gleiche Bild. Urin-Proben ja, aber Blutkontrollen im Fußball, Eishockey oder bei den traditionell verdächtigen Kraftsportarten Boxen oder Gewichtheben? Fehlanzeige! Allein Leichtathleten, Radsportler und Behindertensportler wurden von der NADA zur Ader gelassen. Wobei diese Bluttests als „intelligente Kontrollmethode“ gelten. Die These: Wo nicht intelligent kontrolliert wird, kann auch niemand positiv auffallen.
In London wird von morgens bis abends unzählige Urinfläschchen sortieren und auf stramme Radsport-Oberschenkel und deren intime Umgebung gucken müssen, um jeden Manipulationsversuch zu unterbinden. Dabei müssen die gestandenen Männer die Hosen runterlassen. „Die Sichtkontrolle“, sagte Rosiejak, „geht von den Knien bis unter die Achselhöhlen“. Auch das Protokoll ist nicht von schlechten Eltern, umfasst zehn Punkte, die Verfahrensfehler verhindern sollen. Dazu gehört, nichts anfassen: Alles muss der Sportler selbst machen. Sogar das Verteilen des Urins in zwei Fläschchen. Zuerst 30 Milliliter für die B-Probe, dann 60 Milliliter für die A-Probe.
DopingMerkwürdigkeiten im Kontrollsystem
Es gibt so manche Merkwürdigkeit im Kontrollsystem. Beim Giro d’Italia musste Rosiejak einen Fahrer dreimal an einem Tag kontrollieren. Da müsse man möglichst freundlich gestimmt sein, um die Sache nicht eskalieren zu lassen. Kontrolliert werden dürfe von 7 Uhr morgens bis 23 Uhr abends. Früher durfte er die Sportler sogar morgens um 5 Uhr aus den Betten holen. „Dass das vorbei ist, findet ich gut. Radsportler sind auch Menschen und keine Maschinen.“ Das sei schon grenzwertig.
Stefan Rosiejak glaubt an das Gute im Radsport. „Ganz einfach. 98 Prozent aller Fahrer wissen mittlerweile, dass nichts mehr geht.“ Aber eben nicht alle.