Hockenheim. . Die Zuschauerzahlen sinken, die Quoten im Fernsehen sind viel schlechter als zu Michael Schumachers Zeiten: Die Formel 1 kriselt ausgerechnet im Auto-Land Deutschland. Doch dafür gibt es Gründe. Und die sind zum großen Teil hausgemacht. Eine Bestandsaufnahme.

Der Zirkus ist weiter gezogen, zurück bleibt: Hockenheimer Alltag. Oberbürgermeister Dieter Gummer, ein Mann mit silbergrauem Bürstenschnitt, wird weiter am neuen Schulentwicklungsplan mitarbeiten, außerdem soll er demnächst das neue Klärbecken freigeben. Es geht um die Perspektive der Stadt – jenseits der Formel 1, jenseits der Rennstrecke.

Denn mit dem Hockenheimring ist nur noch halb so viel Staat zu machen wie früher. Die großen Tribünen ragen in die Landschaft hinein wie betonierte Symbole der Krise: Die Formel 1 zieht nicht mehr, jedenfalls nicht in Deutschland und nicht einmal beim einzigen Grand Prix im Land, bei dem am Sonntag viele Plätze leer blieben. Eine Bestandsaufnahme.

Die Symptome

Leere Tribünen: Weltweit sind die Trends unterschiedlich, in Deutschland aber stehen alle Zeichen auf Abschwung: Am Sonntag klafften auf den Tribünen große Lücken. Die Zeiten, in denen Michael Schumacher über 100 000 Menschen nach Baden-Württemberg zog, sind vorbei. Seine Nachfolger wollen nur halb so viele sehen.

Magere Quoten:
Zehn Millionen Zuschauer hatte RTL vor Jahren im Schnitt, wenn es Rennen zeigte. Geblieben ist nach 400 Übertragungen nicht einmal die Hälfte.

Die Ursachen

Die Macht der Großen: Ganze drei Rennställe – Red Bull, Ferrari und Mercedes – können sich den PS-Zirkus leisten. Die Entwicklungskosten sind immens, den kleineren Rennställen fehlt längst das Geld, um mit den drei Riesen konkurrieren zu können. Im Gegenteil: Sogar namhafte Teams wie Lotus greifen auf Bezahlfahrer zurück, die von Konzernen alimentiert werden und ihrerseits so den Rennställen unter die Arme greifen. Chancengleichheit und damit mehr Spannung? Wunschdenken.

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Die Macht des Kleinen: Auch auf dem Hockenheimring hielt Bernie Ecclestone Hof. Alles springt, wenn der 83-Jährige, der sich seit Ende April in einem Schmiergeldprozess vor dem Landgericht München verantworten muss, ruft. Einige glauben, dass der exzentrische Brite der Formel 1 inzwischen eher schadet, aber Ecclestone, keine 1,60 Meter groß, hat seine gewaltige Macht über Jahrzehnte geschickt zementiert. Auch, weil er keinen Nachfolger aufgebaut hat.

Fahrer statt Typen: Wie viele Charakterköpfe hat die Formel 1 noch? Jede Sportart braucht ihre Helden, aber sie fehlen. Ein Nico Rosberg ist noch kein Sebastian Vettel, ein Sebastian Vettel wiederum kein Michael Schumacher. Inzwischen sitzen mehr und mehr austauschbar wirkende Fahrer in den Cockpits, die sich allerdings auch gar keinen Namen machen können, weil – siehe oben – ihre Wagen oft von vorneherein chancenlos sind. Ein Teufelskreis.
Das Regel-Wirrwarr:
„Auto, Motor und Sport“ hat gerechnet: 77 gravierende Änderungen in neun Jahren. „Es ist falsch, immer neue Dinge zu schaffen“, wettert Ex-Champion Niki Lauda.

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Technik statt Fahrkunst: Jedes Jahr neue Regeln, jedes Jahr neue Technik. Und oft wirkt es so, als würde alles so zugeschnitten, dass nur ein Rennstall profitieren kann. Jahrelang fuhr Red Bull allen davon, jetzt ist plötzlich Mercedes allen klar überlegen. Und immer mehr Fans fragen sich: Welche Rolle spielt noch der Fahrer?

Das Ende der PS-Gläubigkeit: Die Gesellschaft wandelt sich. Und mit ihr die Autos. Komfort, Sicherheit, Verbrauch und Umweltverträglichkeit sind wichtiger geworden als Höchstgeschwindigkeit und Drehmoment.

Klingt alles nicht danach, als stünde die Formel 1 hierzulande vor einer neuen Blüte.