Monte Carlo. . Auf dem Straßenkurs von Monte Carlo geht es am Sonntag wieder um den Unterschied zwischen Männern und Memmen. In diesem Formel-1-WM-Rennen ist mehr Fahrkunst gefragt als üblich.

Ein Mann hangelt sich über Kopf und mit bloßen Fingern an der Decke entlang, während Sebastian Vettel gerade erklärt, warum er Rennfahren auf den Straßen von Monte Carlo gar nicht unsicher findet. Ein extremer Gegensatz im schwimmenden Fahrerlager-Tempel von Red Bull: links der Formel-1-Weltmeister live, rechts ein hauseigener Werbeclip vom Abenteuerklettern.

Der Große Preis von Monaco (Sonntag, 14 Uhr, live bei RTL, Sky oder in unserem Ticker) war schon immer eine Parallel-Welt, in der sich Gegensätze anziehen, weshalb alle 22 Piloten vom sechsten WM-Lauf schwärmen. Obwohl der enger, kürzer und langsamer als alle anderen 18 Rennen der Saison ist. Doch Vettel klärt über die ureigene Faszination auf: „Hier macht der Fahrer noch den Unterschied, und die Unterschiede zwischen den Fahrern sind auch größer.“ Ein gnadenloser Ego-Trip über 78 Runden, mit 1000 Schaltvorgängen. Die Champions League des Rennfahrens.

Genau der Gegenpol, den das Berufsbild jetzt braucht nach den Reifen-Orgien der letzten Wochen. Natürlich haben die Pneus weiterhin ihren Anteil am Erfolg. Aber vor allem geht es auf diesen 3,3 Kilometern um den Unterschied zwischen Männern und Memmen.

Der deutsche Red-Bull-Pilot gehört, obwohl WM-Tabellenführer, zu den härtesten Kritikern der Gummi-Wissenschaft. Die Rücksichtnahme pneu a pneu hat das, was er am liebsten tut, nachhaltig verändert. Nicht zu Gunsten des Rennfahrerjobs, findet er: „Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Profi-Skifahrer, und bisher ging es immer um den Mut, möglichst schnell in die Kurven zu fahren, auf die eigene Stärke zu vertrauen – und über Nacht müssten sie dann mit Holz-Ski klarkommen.“

Überholmanöver der Formel-1-Fahrer sind in Monaco selten

Vettels Chef, der Dosenmogul Mateschitz, hatte beim Lokaltermin geflucht: „Das ist doch nicht mehr Racing.“ Stimmt, sagt sein leidender Angestellter, „das ist alles anders als wir es kennen, und nicht mehr so, wie wir es mögen.“ Die Formel 1 ist ihm einfach zu technisch geworden, man habe mehr mit Ingenieuren als hinter dem Lenkrad zu tun: „Der ganze Sport hat sich komplett verändert.“

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Monaco soll den 22 Fahrern die Antwort geben, ob sie noch können, was sie wollen, das pure Rennfahren. Was genau aber kann fahrerisch im Leitplankenkanal so besonders sein? Das Ganze klingt doch widersinnig. Die Pole-Position ist in Monte Carlo fast alles, in sieben Jahrzehnten haben erst zehn Mann gewonnen, die nicht auf den ersten drei Startplätzen standen, und im letzten Jahr wurden ganze drei echte Überholvorgänge gezählt. Auf dem Monitor neben Vettel ist jetzt ein Kunstradfahrer zu sehen, der mit seinem Bike Flamenco tanzt. So blitzt es auch in den Augen des Titelverteidigers, voller Trotz kontert er: „Man muss seine Linie finden, und diese dann genau treffen.“

Der Kurs in Monaco verzeiht nichts

Das klingt jetzt auch nicht gerade sexy. Es sei denn, man weiß, was es mit dieser Linie auf sich hat: „Man weiß ja, was kommt, wenn man Richtung Casino einlenkt – aber man sieht trotzdem nicht um die Kurve. Da muss man sich jede Runde aufs Neue überwinden“, gesteht der Sieger von 2011. „Alles Rausquetschen“ nennt er die besondere Tugend der Top-Pioten. Zwischen Mut und Übermut und Crash ist es ein verdammt schmaler Grat in Monte Carlo, der Kurs verzeiht nichts.

Ein brutaler mentaler Stress. Ayrton Senna, der einzige Fahrer, der dreimal in Serie Pole-Position und Sieg einfahren konnte, musste fast bewusstlos aus dem Cockpit gezogen werden, weil er während seiner Qualifikationsrunde das Atmen fast vergessen hatte, so fokussiert war er. „Die Belastung für den Geist ist auf Straßenkursen größer“, weiß Vettel, „die nächste Kurve kommt hier ja viel schneller.“