Sepang. . Weltmeister Sebastian Vettel löst mit seiner Attacke gegen seinen Team-Kollegen Mark Webber heftigen Ärger aus. Mit seinem rabiaten Überholmanöver hat er seine internen und externen Gegner unnötig stark gemacht. Noch nie war Teamboss Christian Horner so sauer auf seinen Vorzeige-Ziehsohn.

Das deutlichste Zeichen für das wachsende schlechte Gewissen liefert Sebastian Vettel schon bei seiner Zieldurchfahrt: Ganz dicht fährt er nach seinem ersten Saisonsieg beim Großen Preis von Malaysia an die Boxenmauer heran, als suche er verzweifelt die Nähe zu seinem Red Bull-Team; der zweitplatzierte Kollege Mark Webber hingegen sucht den äußeren Fahrbahnrand, als Zeichen von Entfremdung.

Titelverteidiger Vettel hat ein wichtiges Rennen gewonnen, er hat die WM-Führung übernommen, aber was er mit seinem Verstoß gegen das teaminterne Überholverbot alles verloren hat, das ist auch nach der Aussprache nach dem Rennen mit den Ingenieuren noch nicht abzusehen. Sich dem eigenen Rennstall zu widersetzen, das gilt in der Formel 1 als Todsünde. Ganz Große, wie Ayrton Senna haben das in ihrer Rücksichtslosigkeit gewagt, aber ein Michael Schumacher, erklärter Mannschaftskapitän, hat es nie getan.

Fahrer-Egoismus und der Mannschaftssport Formel 1 kollidieren

Der Vertrauensbruch führt zur großen Vertrauensfrage: Wer kann sich künftig auf wen verlassen? Sebastian Vettel hat seine Gegner, interne wie externe, unnötig stark gemacht. Wer vor der Supermarktkasse unbedingt noch überholen will, der tut das erst Recht in seinem Hauptberuf. Aber mit diesem Ehrgeiz tut er sich keinen Gefallen.

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Der Vorfall aus der 46. Runde ist ein Paradebeispiel dafür, wie Fahrer-Egoismus und der Mannschaftssport Formel 1 kollidieren, die legale Stallorder ist nicht das Thema. Sebastian Vettel hat sich, weil er zu den Cleveren des Fahrerlagers gehört, schnell zu seinem Fehler bekannt – als er ihn an der Reaktion von Webber, Publikum und Journalisten ablesen konnte. Bis dahin war für ihn klar, mit dem Recht des Schnelleren gehandelt zu haben. Und er kann sich auf die leidvolle Vorgeschichte der gegenseitigen Respektlosigkeiten mit Webber berufen, der Betriebsfrieden ist schön länger nachhaltig gestört. Webber hatte mit seiner eigenen Sturheit zuletzt sogar den Titelgewinn Vettels beim Drama-Finale von Brasilien 2012 gefährdet.

Der rasante Stimmungswandel

Gestern noch Super-Seb, heute Ignorant. Ein rasanter Stimmungswandel. Zum ersten Mal hat sich Vettel unbewusst gegen Red Bull gestellt, jene Marke, der er fast alles zu verdanken hat. Der Überholvorgang gegen Webber, der auf Anweisung der Box die Motorleistung auf 80 Prozent reduziert hatte und sich als sicher Sieger fühlen durfte, mag Instinkttat eines Vollblutrennfahrers gewesen sein. Dafür hat er nach dem Rennen dann oft genug „sorry“ gesagt.

Doch die öffentliche Wirkung, die Vettel so wichtig ist, und sein Plädoyer für Ehrlichkeit werden ihm in der Ethik-Debatte jetzt zum Verhängnis, er ist der Doppel-Moral verdächtig. Sein Weltbild hat Vettel einmal so formuliert: „Sobald ich den Helm aufhabe, muss ich zu einem gewissen Grad egoistisch sein – und vielleicht auch ein bisschen ein Drecksack. Aber es gibt keinen Grund, warum ich, wenn ich den Helm abziehe, ein egoistischer Arsch sein sollte.“

Ungewohnte Rolle des Ungeliebten

An diesem grauen Sonntag in Malaysia hat er lernen müssen, dass nicht alle so trennen können und wollen wie er. Daraus entsteht die Anschlussfrage, die erst in den kommenden 17 Rennen beantwortet werden kann: Ist er willens und hart genug, auch mit der ungewohnten Rolle des Ungeliebten klarzukommen? Im besten Fall schärft die unfreiwillige Lehrstunde sein Profil. Zunächst aber ist es ihm beinahe peinlich: „In mir sieht es nicht gut aus.“

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Mindestens so entscheidend für sein Fortkommen: Kann er nach der Befehlsverweigerung so ohne weiteres wieder jener Leader sein, dem alle blind folgen? Erst nach der Hilfe des Teams rufen, dann die Vorschriften ignorieren. Noch nie war Teamboss Christian Horner so sauer auf seinen Vorzeige-Ziehsohn gewesen, der den Doppelerfolg gefährdet hatte. Auf die Frage, warum es keine Anweisung gab, dass Vettel den Kollegen auf den letzten zehn Runden wieder vorbeilässt, antwortet der Brite nur mit einem gequälten Lächeln: „Glauben Sie wirklich, das Sebastian den Platz wieder hergegeben hätte?“