Sepang. Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel gewinnt den GP von Malaysia. Doch sein rabiates Überholmanöver gegen seinen Teamkollegen Mark Webber verärgert das gesamte Red-Bull-Team und sorgt für einigen Gesprächsbedarf – und Vettel entschuldigt sich kleinlaut: „Ich habe es versaut“.
So unglücklich wie beim Großen Preis von Malaysia hat man die Schnellsten bei einem Formel-1-Rennen noch nie gesehen. Nicht ein Hitze-, Reifen- oder Regenchaos hat dafür gesorgt, sondern die pure Rivalität – und mal wieder Stallorder. Sebastian Vettels erster Saisonsieg hat mehr als einen Schatten, als er Mark Webber gegen alle Anweisungen überholte. Und Lewis Hamilton hat ein schlechtes Gewissen, weil der erste Podestplatz für Mercedes eigentlich an Nico Rosberg hätte gehen müssen. Aber der durfte nicht überholen. Vier Verlierer ganz vorn.
Das zweite Rennen der Saison ist das erste Formel-1-Rennen der Neuzeit, das sich als Hörspiel besser als im Fernsehen gemacht hätte. Jedenfalls nach der 46. von 56 Runden. Denn da lieferten sich die beiden Red-Bull-Piloten Mark Webber und Sebastian Vettel das Finale ihrer Harakiri-Manöver. War es der blanke Übermut oder Unverstand, der Verfolger Vettel zum Äußersten trieb?
Für eine Situation wie diese, in der Webber seine Reifen schonen musste, galt ein Nichtangriffspakt, im internen Code „21“ genannt. Vettel hatte ihn stumpf ignoriert, obwohl seine Chefs schon Runden zuvor dem Nervenzusammenbruch nahe waren. In Kurve vier ging der Titelverteidiger schließlich außen vorbei, nachdem sich die beiden blau-roten Boliden mehrfach fast berührt hatten.
Red-Bull-Chef schimpft: „Das ist dumm, Seb! Was soll das?“
„Was heute passiert ist, hätte nicht geschehen dürfen“, sagte Red-Bull-Teamchef Christian Horner anschließend zu der riskanten Aktion. Und das war schon milde formuliert. Denn während des Rennens konnten auf dem Funksprechkanal von Red Bull Dialoge mitgehört werden, die eher an wüste Twitter-Tribunale erinnerten. Allen Beteiligten war noch jene Forderung Vettels aus der 28. Runde im Ohr: „Mark ist zu langsam.“
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Aber das österreichisch-britische Team wirbt mit der Gleichberechtigung seiner Piloten, und deshalb gab es keine Freigabe. Obwohl schon zu ahnen war, dass die beiden so ungleichen Typen ähnlich aneinander geraten könnten wie 2010 in der Türkei, als aus Rivalität eine Feindschaft wurde. Deshalb brüllte der sonst so besonnene Teamchef Christian Horner: „Das ist dumm, Seb! Was soll das?“
Konstrukteur Adrian Newey, ein Vettel-Freund, schlug die Hände vors Gesicht, und auch von „Rocky“ Roquelin, dem Renningenieur, kam nicht wirklich ein Kompliment: „Gut gemacht, du willst es wohl unbedingt. Aber da wird einiges zu erklären sein.“ Denn Webber hatte zuvor vom Team garantiert bekommen: „Das Rennen ist vorbei. Du hast keinen Angriff zu befürchten.“
Späte Reue von Vettel nach Formel-1-Rennen
Doch der Angriff kam – und nachdem Vettel in Schlangenlinien zu seinem 27. Karriere-Sieg fuhr, herrschte erst einmal eisiges Schweigen. Der Raum hinter dem Siegerpodium wurde zum Ort eines Schnellgerichts. Newey stellte den Sieger zu Rede, dem wohl dämmerte, dass er gerade die ganze Renn-Welt gegen sich aufgebracht hatte.
Dann kam endlich Webber die Treppe hoch. Die Wangenknochen traten noch etwas plastischer hervor, weil der Rest des Gesichts völlig eingefallen war. Die Lippen ein Strich. Er würdigte Vettel keines Blickes, nuckelte an seiner Wasserflasche. Eiseskälte, bei 30 Grad Hitze. Von draußen tönten die ersten Pfiffe. Eine Stimmung wie nach einem Fehlurteil beim Boxen.
Und Vettel musste sich sofort beim Siegerinterview rechtfertigen, versuchte es zunächst mit einem Witz: „Offensichtlich ziemlich heiß heute.“ Offenbar ist der kühle Kopf dabei verloren gegangen. Webber ging sofort in die verbale Offensive: „Am Ende hat Seb seine Entscheidung getroffen, wie immer wird er vom Team geschützt werden.“ Von Reue und Einsicht immer noch keine Spur. Sein Boss Christian Horner hatte da schon gesagt: „Der Wunsch des Fahrers war größer als der des Teams. Er hat das eigene Interesse über unseres gestellt.“
Geständnis des Siegers im dritten Anlauf
Doch es dauerte lange, bis es Vettel dämmerte, dass er mit einem Autismus wie auf der Rennstrecke nicht durchkommt. Erst im dritten Anlauf gestand er: „Ich denke, ich habe heute einen großen Fehler gemacht. Das war nicht meine Absicht. Ich möchte ehrlich sein und ich habe Mist gebaut. Dafür entschuldige ich mich, auch wenn das Mark heute nicht weiter hilft. Ich weiß, dass ich das schwarze Schaf bin. Ich habe es versaut.“
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Auf die Frage, ob er dem Kontrahenten nun einen Sieg schuldet, sagt Vettel: „Wenn wir etwas zu bereden haben, machen wir das intern. Ich entschuldige mich nicht dafür, dass ich gewonnen habe. Aber ich hätte mich besser benehmen müssen.“ Und es folgte ein Versprechen: „Wenn ich nochmal in dieser Situation wäre, würde ich es anders machen.“ Webber sah nicht so aus, als ob er ihm glaubte.