Sao Paulo. . Der Große Preis von Brasilien bietet Drama-Potenzial: Sebastian Vettel kann am kommenden Sonntag der jüngste Dreifach-Champion der Formel-1-Geschichte werden. Doch Fernando Alonso hält dagegen. So oder so: Die Zuschauer erwartet ein krönendes Finale.

Und plötzlich, wo alles so nah ist, soll nichts mehr so sein, wie es einmal war, scheint der Titel so fern. Aber sollen denn 13 Punkte Vorsprung weniger beruhigend sein als 13 Punkte Rückstand? Und das alles, weil der Verlauf dieser Formel-1-Saison sich so perfekt in der Streckencharakteristik des Autodromo Carlos Pace widerspiegelt: ein ewiges Auf und Ab, 70 Prozent Vollgas, dünne Luft. Ideale Unsicherheits-Faktoren für das krönende Finale in der Königsklasse. Drama, bitte!

Formel 1Aus der Formel 1 wird eine Formel Psycho. Das ist es, worin Fernando Alonso und Ferrari durchaus meisterlich sind. Martialische Twitter-Sprüche gab es dazu bislang nicht, aber ein verharmlosendes Statement, das von der Lässigkeit bei Sebastian Vettels Herausforderer zeugen soll: „Wir haben es nicht in unserer Hand, doch das heißt, dass wir nichts zu verlieren, aber eine Menge zu gewinnen haben“, sagte der Spanier beim verbalen Show-Down, bei dem die beiden Kontrahenten in der ersten Podiumsreihe Michael Schumacher als Puffer zwischen sich hatten.

Ferrari-Pilot Fernando Alonso glaubt weiter an den WM-Titel

Sie wirken beide ernster als gewohnt, eine Mischung aus Konzentration, Anspannung – und gespielter Coolness. Und so fallen auch die Prognosen aus: „Ich versuche, alles so zu machen wie an einem normalen Rennwochenende. Ein Podiumsplatz ist das Minimum, was ich anstrebe. Wenn wir dann über die Ziellinie sind, werden wir sehen, wo Sebastian gelandet ist – und dann können wir rechnen“, behauptet Herausforderer Alonso mit fester Stimme.

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Eichhörnchen spielen, das war schon das ganze Jahr über seine (durchaus erfolgreiche) Taktik. Diesmal erscheint es fast einfacher: „Normalerweise werden wir Zweiter hier, aber wenn etwas passiert, können wir Erster sein. Und die Formel 1 ist ein Sport, in dem alles passieren kann. Tief in mir spüre ich, dass ich es schaffen kann.“

Wir werden die auswählen, die auch hält. Der Hersteller verspricht eine 99-prozentige Sicherheit. „Ich fahre auf Attacke“, sagt Vettel, der kein großer Taktierer ist, „ich tue, was ich kann. Und die Strecke scheint unserem Auto zu liegen. Wir müssen nur in den richtigen Rhythmus kommen.“ Die Hügelpiste von Interlagos („Zwischen den Seen“) oberhalb des Molochs von Sao Paulo liegt auf 800 Metern über dem Meeresspiegel, es ist der höchstgelegene Grand-Prix-Kurs. Angemessen für den Höhepunkt des Jahres, auch wenn die Kontrahenten durch den niedrigeren Sauerstoffgehalt weniger Motorleistung zur Verfügung haben.

Vettel kämpft schon vor der Entscheidung um seinen historischen Ruf

Aber vermutlich kommt es auch mehr auf die Man-Power an, die mentale Kraft der großen Gegenspieler. „Ich bin zuversichtlich, denn wir befinden uns in einer exzellenten Ausgangsposition“, sagt Vettel, „wir sind uns der Position bewusst, wir haben lange und hart dafür gekämpft. Es ist nicht unsere Aufgabe, zu sehr über die Situation nachzudenken und zu rechnen. Das ergibt sich. Wir müssen nur nach uns selber gucken.“ Zuletzt in Austin waren es 40 Sekunden Vorsprung, die der Red Bull auf den Ferrari hatte.

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Sebastian Vettel kämpft schon um den Ruf des jüngsten Dreifach-Champions der Geschichte, bevor er ihn überhaupt sicher hat. Angeblich soll Bernie Ecclestone unterstellt haben, dass der Serien-Champion zu wenig „Charisma“ besitze. Vettel setzt sich eher mit der Frage auseinander, ob seine Reputation höher wäre, wenn er in einem nicht so dominanten Rennwagen sitzen würde: „Jeder von uns hat in schwächeren Autos angefangen. Aber das ist doch der natürliche Gang der Dinge: Ein starker Fahrer und ein starkes Team bilden eben eine starke Kombination.“

Fernando Alonso vertraut vor dem letzten großen Duell weiter auf alte Krieger-Weisheiten, dem sitzenden Samurai entsprechend, den er sich auf den Rücken hat tätowieren lassen: „Wir befinden uns auf dem Grat zwischen Gewinnen und Verlieren, zwischen gut oder magisch zu sein, zwischen Traum und Realität. Der Grat ist schmal, aber er ist uns vertraut.“ Vettel macht das pragmatischer: „Volle Kraft voraus.“