Stuttgart. Eine Autofahrt in der Region Stuttgart mit Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher am Steuer und ein Gespräch über Straßenverkehr, Fahrsicherheit - und warum es sich nicht lohnt, einen Fiat 500 abzuhängen.
Der Chauffeur steht parat. „Machen Sie es sich bequem“, sagt Michael Schumacher, „den Sitz kann man rechts unten anpassen.“ Es ist kein Rennen, das vor dem Großen Preis von Deutschland ansteht, deshalb darf ein Reporter mitfahren. Der Rekordweltmeister der Formel 1 im Straßenverkehr der Region Stuttgart. Die Flügeltüren weisen das Auto als Mercedes SLS AMG aus (571 PS, Spitze 317 km/h), aber die Farbe ist mehr Ferrari, ein souveränes Rot.
Wir könnten es von Null auf 200 in zwölf Sekunden schaffen. Doch auf der Daimlerstraße herrscht reger Werksverkehr. In dieser Zeitspanne schaffen wir es immerhin bis zum ersten Kreisverkehr. Es sind 25 Kilometer nach Stuttgart. Schumacher kennt sich nicht aus hier, aber dem Navi schenkt er wenig Beachtung. Geht tatsächlich mit Intuition. Er fährt vorschriftsmäßig, aber nicht, weil es einen Beobachter aus nächster Nähe gibt. Da scheint nichts gezügelt werden zu müssen. Berufskraftfahrer eben.
Private Spritztouren, nein, das sei überhaupt nicht sein Ding. Merke: „Um zu sagen, ich dreh jetzt mal ne Runde auf der Straße, dafür habe ich zu wenig Zeit. Autofahren muss für mich ein Ziel haben.“
Auch die erhoffte Ampelszene gibt es nicht, Schumacher verzieht beim Thema Kavalierstart die Mundwinkel: „So ein Wettkampf im Straßenverkehr, das wäre ziemlich dumm. Ich habe ja meistens eh überlegene Autos, da sehe ich jetzt keine Herausforderung drin, einen 500er Fiat abzuhängen. Ich will auch niemand motivieren, mit mir Rennen zu fahren.“ Nachsatz: „Das wäre auch nicht okay, andere Situationen aussetzen, die sie nicht beherrschen.“
Straßenverkehr "wirkt wie Zeitlupe"
Ästhetisch muss ein Pkw für ihn sein, leistungsstark. Privat fährt er ebenfalls den um die 200.000 Euro teuren SLS, aber in der Roadster-Ausführung. Schumacher drückt am Fahrwerk-Schalter: „Komfort! Das ist wichtig für mich.“ Wir sind gerade auf einem welligen Stück, da mag er es noch weicher. Zurück in den Sport-Modus geht es genauso schnell. Stimmungsschwankungen auf Knopfdruck. Perfekt für die 10.000 bis 15.000 Kilometer, die er privat im Jahr fährt. Sehnsucht hat er aber nur nach der Rennstrecke, nicht umgekehrt:: „Wenn Du ein Formel-1-Auto bewegt hast, dann gibt es nichts mehr, was Dich in einem Straßenauto noch mehr motivieren könnte. Alles andere wirkt dagegen wie Zeitlupe.“
Neuer Silberpfeil
Wir wechseln auf der Überholspur, 120 km/h sind erlaubt, das ist auch unser Tempo. Schumacher erzählt, dass seine persönliche Statistik im Straßenverkehr in den letzten 20 Jahren nicht sehr auffällig sei. Rechts fährt auch ein roter Sportwagen, wir halten die gleiche Höhe. Schumacher fragt mit einem Grinsen: „Willst Du dem mal den Spiegel verstellen?“ Augenkontakt: Der da ist Nico Rosberg. Schumacher guckt in den Rückspiegel, zieht am Teamkameraden vorbei und übernimmt die Führung. Von hinten hat im Feierabendverkehr ein silbernes Cabrio gedrängelt. Schumacher beherrscht die Kriechspur mit Selbstverständlichkeit: „Wir wollen dem doch den Tag nicht versauen.“ War schließlich auch ein Mercedes. Kollege, sozusagen. Der Überholer stutzt, als er sieht, wenn er da gerade verdrängt hat.
Die Fahrsicherheit nimmt Schumacher Ernst
„Na logisch kann man aus der Formel 1 etwas für den herkömmlichen Straßenverkehr übernehmen“, behauptet der Rennfahrer beim Einfädeln, „die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten, der Situationen, des Autos. Gerade in brenzligen Situationen. Ich habe so einen Weitblick, das ich schon vorher entsprechend reagieren kann. Aber selbst da kann es mal eng werden. Dann hilft es, wenn man weiß, was eine richtige Vollbremsung ist, das kennt die Hälfte der anderen Autofahrer wahrscheinlich gar nicht. Wenn es dann plötzlich zu vibrieren anfängt, glauben die vielleicht, dass was kaputt ist an der Bremse, dabei greift nur das ABS.“ Die Sache mit der Fahrsicherheit nimmt Schumacher Ernst, als ein Kameramann in einem Begleitfahrzeug Faxen macht, schüttelt er nur den Kopf: „Muss sowas sein?“
Kurz vor dem Werkstor tritt Schumacher abrupt auf die Bremse, nur mal so zum Test. Und fragt mehr sich als den Beifahrer: Karbon oder Keramik? Keine Berufskrankheit, auf Fahrzeuggeräusche hat er schon als kleines Kind geachtet. Noch ein Stück mobile Weisheit zum Schluss: „Beim Autofahren kommt es aufs Hören an – und aufs Fühlen!“ Auf der Plakatwand vor dem Parkplatz steht: „Rennfahren ist eine Geisteshaltung.“