Hamburg. Judo-Bundesligist SU Annen startet in Hamburg nach 1:6-Rückstand furiose Aufholjagd. Warum Wittens Trainer die Gastgeber für ihre Fairness lobt.

Beinahe hätte es für die Bundesliga-Judoka der Sport-Union Annen zu einem der bemerkenswertesten Comebacks in der Historie der Eliteklasse gereicht. Beim Top-Team und Endrunden-Kandidaten Hamburger JT lagen die Wittener nach Durchgang eins schon beinahe aussichtslos zurück, kämpfen sich dann aber furios wieder heran. Erst das abschließende Duell sorgt für die Entscheidung zum 8:6-Erfolg der Hanseaten.

„Wir haben uns trotz all unserer Schwierigkeiten in Hamburg sehr gut verkauft und können erhobenen Hauptes nach Hause fahren“, stellte SUA-Trainer Stefan Oldenburg fest, der am Samstag wieder selbst auf die Matte musste. Das war nötig geworden, weil kurzfristig auch noch Mittelgewichtler Martin Matijass ausfiel, der sich am Freitag im Abschlusstraining eine leichte Verletzung zugezogen hatte. „Dadurch wurde es gerade in den oberen Gewichtsklassen richtig eng“, so der 35-jährige Annener Coach.

Im ersten Durchgang punktet nur Jochem van Harten für die SU Annen

Der erst einmal ein dickes Lob an die überaus fairen Hamburger richtete, zu denen die SUA seit Jahren ein sehr gutes Verhältnis pflegt. „Unser Niederländer Simeon Catharina stand lange im Stau, hat sechs Stunden für die Fahrt nach Hamburg gebraucht und es nicht rechtzeitig zur Waage geschafft“, so Stefan Oldenburg. Die Gastgeber aber zeigten sich generös, akzeptierten ohne Umschweife, dass der Halbschwergewichtler nachträglich eingewogen werden konnte. Immerhin war der international schon oft erfolgreiche Catharina ein wichtiger Eckpfeiler im SUA-Aufgebot.

Der Niederländer musste dann auch gleich den ersten Kampf bestreiten. Im Schwergewicht (+100 kg) trat er gegen den physisch überlegenen DJB-Auswahlkämpfer Losseni Kone an, verlor per Haltegriff nach gut zweieinhalb Minuten. Im Anschluss startete Maurice Püchel (-73 kg) gegen Yerrick Schriever ordentlich, fiel aber gleich bei der dritten Angriffsaktion seines Widersachers - „ich weiß aber nicht, ob man da gleich einen Ippon geben musste“, so der SUA-Coach. Der danach den im ersten Durchgang einzigen Annener Punkt notieren konnte, als Jochem van Harten (-66 kg) gegen Abdusamad Abdullaev zügig per Würgegriff gewann. Was dann folgte, waren drei blitzschnelle Niederlagen für Florian Kosch (-100 kg), Aeneas Paul (-90 kg) und Philip Utzig (-60 kg), wenngleich gegen sehr starke Kontrahenten. „Hamburg hat in der ersten Runde extrem gut aufgestellt“, so Stefan Oldenburg anerkennend. Selbst Matthijs van Harten (-81 kg) ging leer aus gegen Gerrit Noack - so hieß es bereits 1:6 aus Sicht der Gäste, die ein Debakel fürchten mussten.

Begeisternde Ansage von Martin Matijass an die Wittener Mannschaft

„Wir haben uns in einigen Kämpfen einfach nicht gut verkauft. Da hat die Körpersprache nicht gestimmt, wir haben uns da regelrecht versteckt“, befand der SUA-Trainer. Was dann offenbar Martin Matijass, der gemeinsam mit Jens Malewany am Samstag Stefan Oldenburg in Sachen Coaching unterstützte, zu einer engagierten Ansprache vor dem zweiten Abschnitt bewog. „Martin hat damit das Team noch mal richtig wachgerüttelt. Er hat den Jungs gesagt, sie sollten anders auftreten - ganz gleich, welchen Namen der Gegenüber auch trägt“, war Oldenburg beeindruckt.

Einen Sieg und eine Niederlage verbuchte Simeon Catharina (li.) für die SU Annen gegen den Hamburger Internationalen Losseni Kone. Der Niederländer steckte auf der Anreise ewig im Stau, kam zu spät zur Waage - die Gastgeber aber bewiesen Fairness, gestatteten das verspätete Wiegen des Wittener Kämpfers.
Einen Sieg und eine Niederlage verbuchte Simeon Catharina (li.) für die SU Annen gegen den Hamburger Internationalen Losseni Kone. Der Niederländer steckte auf der Anreise ewig im Stau, kam zu spät zur Waage - die Gastgeber aber bewiesen Fairness, gestatteten das verspätete Wiegen des Wittener Kämpfers. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Und siehe da: Plötzlich rüttelten die Wittener ganz gehörig am Thron des Gastgebers, brachten die Mannschaft von Trainer Sascha Costa noch in Bedrängnis. Im Schwergewicht zwang Simeon Catharina seinen Gegner Losseni Kone diesmal bis in den „Golden Score“, war am Ende der fittere Athlet und holte den Zähler durch eine Waza-ari-Wertung. „Das war natürlich ein cooler Startschuss und hat gleich für eine andere Stimmung im Team gesorgt“, so Stefan Oldenburg. Wenig später verkürzte dann Bastian Peters (-73 kg) auf 3:6. Seinen Rivalen Krystian Liwocha habe er regelrecht „niedergekämpft“, sei mit offenem Visier immer wieder nach vorn gegangen.

Youngster Bent Sachse punktet gleich bei seinem ersten Bundesliga-Einsatz

Das dürfte auch Youngster Bent Sachse (-66 kg) beflügelt haben, der in seinem allerersten Bundesliga-Kampf überhaupt keine Scheu zeigte und mit dem Schlussgang per Waza-ari-Wertung für das 4:6 sorgte. „Das war für uns alle natürlich das Highlight des Tages“, freute sich der Trainer über den Triumph des gerade 18-jährigen Eigengewächses. Zwar unterlag im Anschluss wie erwartet Florian Kosch das 100-kg-Duell gegen Routinier Robin Wendt, doch durch die folgenden Siege für Stefan Oldenburg selbst (-90 kg; gegen Jannis Baschin) und Aeneas Paul (-81 kg), dessen Gegenüber Johannes Rudi nach gerade mal zehn Sekunden wegen eines gefährlichen, unerlaubten Griffs gegen den gestreckten Arm disqualifiziert wurde, verkürzten die Annener auf 6:7.

Im 14. und letzten Kampf des Abends stand dann Alessio Murrone (-60 kg) dem ehemaligen SUA-Judoka Moritz Plafky gegenüber. „Alessio hat auch beherzt begonnen, hatte gleich ein paar gute Aktionen. Am Ende aber hat sich da die Erfahrung durchgesetzt“, so das Fazit Oldenburgs nach der vorzeitigen Niederlage des Witteners. Somit hieß es 6:8 aus Sicht der Gäste, die aber ihr Gesicht definitiv wahrten.

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Durch diese Niederlage und den gleichzeitigen überraschenden Punktgewinn des JC 66 Bottrop beim Remscheider TV (7:7) rutschten die SUA-Judoka in der Nordstaffel zum Abschluss der regulären Saison noch auf den sechsten und vorletzten Platz zurück - das schlechteste Resultat der vergangenen Jahre. „Wir wissen, an welchen Baustellen wir zu arbeiten haben und wollen in der kommenden Saison natürlich wieder deutlich besser abschneiden“, stellte Stefan Oldenburg bereits klar. Im Bundesliga-Halbfinale am 7. Oktober in Abensberg treffen nun der überraschende Nord-Meister KSC Asahi Spremberg und der KSV Esslingen sowie Süd-Champion TSV Abensberg und das Hamburger JT aufeinander.

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