Senftenberg. Platz zwei gab es für die SU Annen zuletzt 1988. Schlüssel zum Erfolg: Ein „geiles Team“ aus Dauerbrennern und Talenten mit viel Charakter.
Irgendwann, als rundherum die ersten verhaltenen Feierlichkeiten schon im Gange waren, grübelten zwei langjährige Wegbegleiter des Judosports bei der SU Annen, wann der Club aus Witten zuletzt die zweite Stufe des Podests erreicht hatte.
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„1988, damals in München gegen den TSV Großhadern“, hatten Geschäftsführer Matthias Kiehm und SUA-Legende Jochen Plate in ihren Erinnerungen gekramt. Schwergewichtler Plate, WM-Dritter von 1987, stand damals noch selbst auf der Matte. Und jetzt waren halt die jungen Burschen an der Reihe, denen er begeistert applaudierte.
SU Annen feiert mit Sprechchören wie ein Deutscher Meister
Sie wollten es alle wissen lassen in der weitläufigen Niederlausitzhalle, wie stark dieser Zusammenhalt im Kader des Jahres 2020 bei den Judoka der SU Annen ist.
Nach dem Bundesliga-Finalkampf gegen das Hamburger Judo-Team, das man mit 0:7 glatt verloren hatte (ohne sich länger als nötig darüber zu ärgern), versammelten die beiden Trainer Marcel Haupt und Stefan Oldenburg ihre Kämpfer um sich, bildeten einen Kreis und brüllten ihren gewohnten Schlachtruf „Wer sind wir? S-U-A, S-U-A, S-U-A!“
Das klang dann fast so, als hätten die Wittener eben nicht Rang zwei hinter den Hanseaten belegt, sondern könnten sich mit dem Titel schmücken. Wobei: Diese Silbermedaillen, die die rund zwei Dutzend Annener Judoka umgehängt bekamen, wogen für die Jungs mit den grünen Judo-Anzügen allemal so viel wie goldene.
Ziel der SU Annen war das Erreichen des Halbfinales
„Ich bin unheimlich stolz auf unsere Mannschaft. Das ist einfach ein tolles Team, das hat man hier auch wieder gesehen“, brachte es Trainer Stefan Oldenburg (32) auf den Punkt.
Alle waren sie heiß gewesen, in diesem von Corona bestimmten Jahr zumindest dieses eine, bedeutende Turnier gemeinsam zu bestreiten. „Und wenn es nur darum ging, überhaupt mal wieder Zeit als Mannschaft zusammen zu verbringen“, wie Oldenburg ergänzte.
Das hatte ihnen allen gefehlt. Keine Training, kein „Randori“ kann es ersetzen, wenn man einen Teamwettbewerb bestreitet. Wenn einer auf der Matte alles gibt und die Kollegen ihn aus der Mannschaftsbox anfeuern, als gäbe es kein Morgen.
Nach ordentlicher Vorrunde ergreifen die Wittener ihre Chance
Eben so war es am Samstag in Senftenberg, als es um die Entscheidung ging. Die Vorrunde hatten die SUA-Judoka ordentlich hinter sich gebracht, hatten Außenseiter TV Erlangen (7:0) und den KSC Asahi Spremberg (5:2) bezwungen.
Die Niederlagen gegen die Titelfavoriten aus Hamburg (2:5) und Esslingen (2:5) sowie gegen den befreundeten UJKC Potsdam (2:5) waren einkalkuliert worden und zügig abgehakt. „Wir wussten, dass wir in der Zwischenrunde eine Chance haben würden. Unser Ziel war es, ins Halbfinale zu kommen. Unrealistisch war das ja nicht“, so Stefan Oldenburg.
Dass man anfangs hinten lag mit 1:2 gegen Spremberg, sorgte für keinerlei Verunsicherung. Denn auf die besten Punktesammler der Sport-Union war einmal mehr Verlass: Leon Philipp, Martin Matijass sowie die Niederländer Matthijs van Harten und Jim Heijman hievten Annen ins Halbfinale. Und aufs Podest der Medaillengewinner.
Jim Heijman steht in allen acht Kämpfen auf der Matte
„Gegen den KSV Esslingen, das war natürlich schon schwer. Zumal die ja eine bärenstarke Truppe aufgestellt hatten“, so Matthias Kiehm mit Blick auf bereits mit Olympia-Medaillen dekorierte Judo-Cracks wie Dimitri Peters oder Varlam Liparteliani. Oder eben den iranischen Weltmeister von 2018, Saeid Mollaei. Doch eben dieser verlor den entscheidenden Kampf.
Beim Stande von 2:2 fügte ihm Wittens Jim Heijman (24) eine ganz empfindliche Niederlage zu, warf ihn spektakulär nach nur 44 Sekunden. Ausgerechnet Heijman, der seit 2019 für Annen kämpft, das erste Duell mit Mollaei am frühen Nachmittag nach 81 Sekunden verloren hatte. „Da hatte er ihn ja auch schon mal geworfen. Ich muss mir das auf ‘nem Video noch mal genau angucken, wie er das jetzt geschafft hat. Sensationell“, war auch Matthias Kiehm ganz aus dem Häuschen.
Punkt Nummer vier besorgte Martin Matijass und sorgte dafür, dass die kleine SUA-Ecke in der Niederlausitzhalle kurzzeitig zum Tollhaus wurde.
Dauerbrenner und Talente: Gute Mischung der Wittener
„Leider konnte Martin das Finale dann wegen einer Schulterverletzung nicht mehr kämpfen“, teilte Stefan Oldenburg mit. Bis dahin aber hatte 90-kg-Judoka Matijass schon sieben Kämpfe (auf die es am Ende auch Comebacker Max Strote brachte) bestritten, war mehrfach an seine Grenzen gegangen.
Ebenso wie Heijman, der sogar alle acht Duelle für die SUA auf sich nahm.
Je sechsmal boten die Trainer Leon Philipp, Jonas Schreiber, Alessio Murrone und Annens Debütanten Matthijs van Harten auf. Aber sie vertrauten beim Finalturnier eben auch den jungen Talenten wie Philip Utzig oder Erik Hobein (18), der vor seinem 17-Sekunden-Auftritt im Endkampf gegen Hamburgs Moritz Plafky (immerhin ehemaliger Deutscher Meister) ziemlich nervös gewesen sein dürfte.
„Bewiesen, dass wir ein geiles Team sind, dass wir immer über den Charakter kommen“
In seiner Ansprache ans Team brachte es Stefan Oldenburg kurz nach dem Finale auf den Punkt: „Wir haben wieder mal bewiesen, dass wir ein geiles Team sind, dass wir immer über den Charakter kommen. Das hat ganz viel Spaß gemacht.“
Aus dem „einen Bierchen“, das er seinen Kämpfern dann für den gemeinsamen Abend versprach, dürften dann locker auch zwei oder drei geworden sein.
So eine Bundesliga-Silbermedaille will ja schließlich auch begossen werden.
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