Velbert. Der Verband verpflichtet Ringervereine, im Ligabetrieb Frauen antreten zu lassen. Doch es gibt Widerstände. Der KSV Velbert versteht beide Seiten.
Sie war einer der absoluten Stars der deutschen Olympiamannschaft bei den Spielen in Tokio: Aline Rotter-Focken. Mit der Goldmedaille und ihrer positiven Art begeisterte die Krefelderin, die ihre Karriere mittlerweile beendet hat, die deutsche Sportszene. Heute ist sie Leistungssportreferentin für den Deutschen Ringer-Bund und somit weiter nah dran an der Sportszene.
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Ein Thema, welches ihr besonders am Herzen liegt, wozu sie nun einen offenen Brief schrieb, welches in der Vergangenheit aber für viele Diskussionen gesorgt hat, ist das Frauenringen in der Liga. Der Landesverband Nordrhein-Westfalen legte nach dem in Brandenburg als zweiter Verband zu Beginn der vergangenen Saison fest, dass mindestens eine Frau in der Aufstellung der Vereine bei einem Ligakampf stehen musste.
KSV Velbert: Petros Petropoulos hat viele Aufstellungs-Probleme gesehen
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Obwohl Mädchen ab 14 Jahren im Ligabetrieb teilnehmen durften, gab es Anlaufschwierigkeiten. Viele Klubs konnten keine Ringerin stellen. „Die gibt es nur bei den ganz großen Vereinen wie in Witten oder Aachen. Selbst der TV Essen-Dellwig hat dort Probleme“, sagt Petros Petropoulos, der Vereinsvorsitzende des Ringerklubs KSV Velbert. Diese Schwierigkeiten sorgten dafür, dass einige Duelle kampflos an die gegnerische Mannschaft gingen, weil die Klubs keine Frau im Aufgebot hatten.
„Deshalb bin ich mir nicht sicher, ob die Regel in der Saison 2022 weiterhin so bleibt. Viele Vereine haben Unterschriften gesammelt und wollen die Regel wieder abschaffen“, sagt Petropoulos,
Aline Rotter-Focken zieht einen Vergleich zum Männer-Mannschaftsringen
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In Rotter-Fockens offenem Brief bittet sie, die in ihrer Karriere in Polen selbst Teil eines Profi-Ligabetriebs war, die Vereine um Geduld. Natürlich funktioniere das Frauenringen noch nicht überall optimal, „aber genauso ist es ja auch bei allen anderen neuen Projekten oder auch dem Männer-Mannschaftsringen. Dort lief es ja in den letzten Jahren alles andere als optimal und doch wurde immer weiter daran festgehalten und dem Ganzen Zeit gegeben, sich zu erholen und weiterzuentwickeln. Zu Recht, wie man an der Entwicklung in NRW sehen kann“, so Rotter-Focken.
Diese Zeit fordert sie nun auch für die Frauen. „Es wurde erst vor fünf Jahren beschlossen, dass Frauen in den Ligabetrieb eingegliedert werden sollen. Natürlich ist nachvollziehbar, dass es nicht alle Vereine so schnell schaffen Frauen in Ihre Vereinsarbeit zu integrieren und gezielt auszubilden. Aber es sind bereits einige mit gutem Beispiel vorangegangen. Von Ihnen kann man sich auch etwas abschauen oder Tipps holen. Das Ziel muss sein, dass die Frauen und Mädchen genauso gesucht und angesprochen werden wie es bei den Jungs und Männern der Fall ist“, sagt Rotter-Focken.
Aline Rotter-Focken sagt, dass die Arbeit an der Basis anfangen muss
Immerhin habe das Frauenringen, welches seit 2004 olympisch ist, weltweit eine enorme Entwicklung durchgemacht und habe sich auch technisch extrem weiterentwickelt, sei im Spitzenbereich nicht weniger anspruchsvoll, als das Freistilringen der Männer. Um dieses weiter zu fördern, müssten die Vereine sowie die Dach- und Spitzenverbände aktiv werden.
„Wir in Deutschland haben sowieso nicht genug aktive Mitglieder in den Ringervereinen und viele davon schließen die weiblichen von vorneherein aus. Und das muss sich ändern, wenn wir wieder eine große Ringernation werden wollen, in der jeder unsere Sportart kennt und liebt, wie wir es tun. Und damit ist auch klar, dass man damit an der Basis anfangen muss. Und das ist nun mal direkt in den Vereinen, die überwiegend vom Ligabetrieb leben“, so Rotter-Focken.
Frauen müssen in die Primetime, um als Vorbilder präsent zu werden
Nur wenn das Frauenringen auch in den großen Ligen ankäme, würden sich mögliche Vorbilder herausstellen. Professionelle Athletinnen hätten nichts in den unteren Ligen zu suchen. Aktuell gehe die Entwicklung im Gegensatz dazu aber dahin, dass Turniere für Mädchen und Frauen immer weniger werden würden.
„Man kann leider nur Akzeptanz für Neues in der Gesellschaft schaffen, wenn die Leute das kennen, was Sie sehen und wenn man es in die Mitte des Geschehens holt und möglichst viele Menschen damit in Kontakt bringt. Es bringt also nichts, eine eigene ganz kleine Liga für die Frauen zu gründen, die dann wieder abseits von Zuschauern und Aufmerksamkeit vor dem eigentlichen Hauptkampf kämpfen. Die jungen Mädchen sollen Ihre Vorbilder Samstagsabends zur Primetime als Teil des Teams und als wichtige Punktelieferanten sehen und erleben können, sodass auch Sie sich trauen Ringen, einmal auszuprobieren und die Eltern Ihre Vorbehalte verlieren“, sagt Rotter-Focken.
Fakt sei, dass Mädchen weibliche Vorbilder brauchen würden. Rotter-Focken: „Wir brauchen mehr starke Frauen auf der Welt und das tollste ist, um diese beim Ringen zu bekommen, brauchen wir gar nicht so viel Außergewöhnliches zu tun. Man muss das Rad nicht neu erfinden, man braucht nicht 100 extra Trainer oder eine komplett neue Ausbildung. Man braucht nur mehr Akzeptanz, Motivation und die richtigen Leute die sich dahinterklemmen und engagieren.“
KSV Velbert geht eine Kooperation mit dem KSV Marten ein
Petros Petropoulos befürwortet das Frauenringen im Ligabetrieb indes. „Ich wünsche mir, dass Frauen mitmachen. Das ist super. Meine Tochter ist fünf Jahre alt und trainiert auch schon fleißig“, sagt Petropoulos.
Beim KSV, der in der kommenden Saison eine Kooperation mit dem KSV Marten aus Dortmund eingeht und Ringer zu den Landesliga- und Bezirksliga-Kämpfen der Dortmunder schicken wird, sind mehrere Mädchen im Jugendtraining aktiv, was fehlt, sind aber die Jugendlichen und Erwachsenen. Petropoulos Tochter wird da auch frühestens in neun Jahren Abhilfe schaffen können – wenn Ringerinnen im Ligabetrieb aber hoffentlich längst etabliert sind.
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