Region. Es kam zu Jagdszenen auf dem Fußballplatz. Die Folge: Punktabzüge, Geldstrafen – und ein Anti-Gewalt-Seminar für die Teams. Das steckt dahinter.
- Im Dezember kam es zu einer Massenschlägerei beim B-Jugend-Spiel zwischen dem SC Croatia Mülheim und Hamborn 07, woraufhin beide Teams zu einem Anti-Gewalt-Seminar verpflichtet wurden.
- Ferdinand Karos, der beim Fußballverband Niederrhein für das Seminar verantwortlich ist, erklärt, dass der Konflikt oft tiefere Ursachen hat, wie Frust bei Jugendlichen oder Stress bei Erwachsenen, und dass Konflikte durch Reflexion und das Verlassen der Situation entschärft werden können.
- Obwohl er sich keine Illusionen über die vollständige Verhinderung von Gewalt macht, ist er optimistisch, dass präventive Seminare und die öffentliche Wahrnehmung eine positive Wirkung haben können.
Es waren schlimme Szenen, die sich im Dezember beim B-Jugend-Spiel zwischen dem SC Croatia Mülheim und Hamborn 07 abspielten. Zahlreiche Menschen rannten nach Abpfiff über den Platz, es kam zu einer Massenschlägerei, Personen wurden regelgerecht gejagt. Im Januar nun das vermeintlich sanfte Urteil: Neben Punktabzügen und Geldstrafen wurden beide Mannschaften zu einem Anti-Gewalt-Seminar beim Fußballverband Niederrhein verdonnert.
Verantwortlich dafür ist beim FVN Ferdinand Karos, zugleich der Vorsitzende des Fußballkreises Kleve-Geldern. Als früherer Personaler kennt sich der 67-jährige mit Konfliktmanagement aus.
Seinen Lehrstab gibt es beim FVN bereits seit 2020, aufgrund der Corona-Pandemie konnte die Arbeit aber erst seit ein paar Jahren so richtig aufgenommen werden. „Wir würden gerne auch präventiv tätig werden, in die Kreise und Vereine gehen und das Thema bei Trainern und Vorständen mehr auf die Tagesordnung setzen“, sagt Karos, bisher würde davon aber kaum Gebrauch gemacht werden, wohl auch, weil der Lehrstab noch gar nicht so bekannt ist.
Sportgerichte verhängen die Anti-Gewalt-Seminare ala Maßnahme
Fast alle Anti-Gewalt-Seminare werden daher von den Sportgerichten initiiert – also erst, wenn schon etwas passiert ist. „Uns ist wichtig, dass wir die Seminare bei den Vereinen vor Ort abhalten. Wir wollen uns ein Bild vom gesamten Klub machen. Zudem ist es verpflichtend, dass neben der entsprechenden Mannschaft auch jemand vom Vorstand teilnimmt. Wir wollen wissen, wie er es sieht“, so Karos.
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Der rund 90-minütige Termin beinhaltet dann drei Schritte. Zunächst lässt sich Karos oder einer seiner vier Kollegen im Lehrstab den Konflikt aus Sicht der Mannschaft beschreiben. „Wir kennen zwar das Urteil und die Sonderberichte, sprechen es aber in jedem Fall noch einmal durch und schauen damit auch direkt, welche Hintergründe es gibt.
Denn meistens liegen die Ursachen tiefer“, so Karos. Bei Jugendlichen sei meist Frust der auslösende Faktor. „Sie sind dann mit sich selbst, der Umwelt oder ihrem Leben allgemein unzufrieden und leben das auf dem Sportplatz aus. Sie sind leicht reizbar und wenn dann eine Kleinigkeit dazukommt, rasten sie aus“, sagt der 67-Jährige. Bei Erwachsenen hingegen würden der berufliche Stress oder Vor-Beziehungen untereinander außerhalb des Fußballplatzes häufiger eine Rolle spielen.
Nach dem Zuhören geht es darum, wie man sich anders verhalten kann
Ist dieser Punkt erledigt, geht es dann noch darum, wie man bei solchen Situationen in Zukunft anders reagieren und die Konflikte lösen könnte. „Da kommt es immer darauf an, was passiert ist“, sagt Karos.
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Wenn zum Beispiel Provokationen oder Beleidigungen die Ursache für den Gewalt-Ausbruch gewesen seien, „dann geben wir den Rat, sich aus der Situation erst einmal herauszuziehen. Denn ab und zu ist Weggehen kein Schwäche, sondern eine Stärke. Ich gewinne damit Zeit. Denn mit so vielen Emotionen kann ich keinen Konflikt lösen“, sagt Karos.
Zudem gehe es darum, sich immer selbst zu hinterfragen. „Was würde ich denken, wenn sich mein Gegenüber jetzt genauso verhält wie ich gerade? Damit bringt man die Leute zum nachdenken und sie haben es bei der nächsten Situation im Hinterkopf“.
Bei all den guten Ansätzen macht sich Karos keinerlei Illusionen, damit alles verhindern zu können. Natürlich spielen auch die Strafen sowie die öffentliche Wahrnehmung der Gewalttaten durch die sozialen Medien oder durch Medienberichte eine Rolle.
Aber, betont Karos: „Ich hatte zuletzt einen Fall mit einer ersten Mannschaft des Vereins. Danach wurde die zweite Mannschaft auffällig, woraufhin ich den Sportichter angerufen habe. Der hat mir dann berichtet, dass auch bei der ersten Mannschaft wieder etwas los war, die sich selbst aber vorbildlich verhalten habe und gelobt wurde. Das ist dann ein Erfolg und schön.“
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