Duisburg. Eskalation bei einem U17-Spiel zwischen Croatia Mülheim und Hamborn 07. Nun gibt es die Urteile – das Gericht wählt einen erzieherischen Weg.

Ursprünglich sollte es das Spitzenspiel der B-Junioren-Leistungsklasse zwischen dem Tabellenführer SC Croatia Mülheim und Hamborn 07 aus Duisburg als Drittplatzierten werden. Es endete am 11. Dezember mit 1:0 für Croatia – und einer handfesten Massenschlägerei. Nun wurden die sportgerichtlichen Urteile gefällt. Die einigermaßen harmlos ausfielen.

Beiden Mannschaften werden am Saisonende drei Punkte abgezogen, auch die am darauffolgenden Dezember-Wochenende abgesagten Meisterschaftsspiele gegen den Mülheimer FC 97 (im Falle von Croatia) und den SV Raadt (Hamborn) werden als verloren gewertet. Gastgeber Croatia muss 500, Hamborn 600 Euro Geldstrafe bezahlen. Außerdem sind beide Vereine verpflichtet, bis Ende Februar mit ihren B-Jugendlichen ein Anti-Gewalt-Seminar beim Fußballverband Niederrhein zu buchen. Einzelstrafen in Form von Sperren gab es nicht.

Sportgericht lädt die kompletten Mannschaften von Croatia Mülheim und Hamborn 07 vor

Der Hörsaal vier in der Duisburger Sportschule platzte am Donnerstag fast aus allen Nähten, denn die Sportrichter hatten beide Mannschaften in kompletter Besetzung geladen. „Damit sie mal sehen, was sie und andere mit ihrem Zutun uns für eine Arbeit gemacht haben“, sagte der Kammervorsitzende Jürgen Klump.

Das Kreisjugendsportgericht sah eine Massenschlägerei mit 30 bis 40 Personen aufgrund der Zeugenaussagen und verschiedener Videos als erwiesen an. Aufgrund der unübersichtlichen Situation unmittelbar nach dem Last-Minute-Siegtor Croatias auf der Anlage an der Moritzstraße in Mülheim-Styrum war es fast unmöglich herauszufinden, wer letztlich wirklich an den Auseinandersetzungen beteiligt war und wer nicht.

Warum das Sportgericht auf eine Kollektivstrafe setzte

Schiedsrichter Lukas Mathias von Viktoria Buchholz hatte sechs Spieler von Croatia, zwei von Hamborn sowie dessen Trainer Deniz Özdemir klar identifiziert und in seinem Sonderbericht vermerkt. „Ich habe mich dabei an den Rückennummern oder der Kapitänsbinde orientiert, wir werden als Schiedsrichter dazu angehalten, die Unruheherde zu identifizieren“, erklärte der 24-Jährige am Donnerstag vor dem Kreisjugendsportgericht in der Sportschule Wedau. Wer noch involviert gewesen sei, könne er nicht sagen. „Es waren auf jeden Fall noch mehr von beiden Seiten, ich konnte aber keine Rückennummern erkennen oder Gesichter zuordnen“, schilderte der Schiedsrichter.

Die Unübersichtlichkeit nach dem Schlusspfiff machte es dem Kreissportgericht besonders schwer.
Die Unübersichtlichkeit nach dem Schlusspfiff machte es dem Kreissportgericht besonders schwer. © Screenshot aus einem Video

Die Kammer wollte es daher verhindern, womöglich doch unschuldige Spieler zu bestrafen und potenzielle weitere Täter ungestraft davonkommen zu lassen. „Im Gegensatz zum Zivilrecht sind im Sportrecht aber Kollektivstrafen möglich“, sagte Kammermitglied Ingo Heemsoth in der Urteilsbegründung und ergänzte: „Es war schwer herauszupicken, wer wirklich beteiligt war. Daher haben wir uns dazu entschlossen, eine deutlich spürbare Kollektivstrafe zu verhängen.“

Duisburger Trainer sieht sich zu unrecht beschuldigt

Sowohl die beschuldigten Spieler als auch mehrere Zeugen konnten keinen klaren Auslöser der Eskalation benennen. Viele ruderten außerdem zurück, als sie konkret nach Schlägen gefragt wurden und wollten sich plötzlich nur noch an Schubser erinnern. Nur Hamborns Co-Trainer Deniz Kaya bestätigte klar, er habe „Leute schlagen und treten gesehen – sowohl Spieler als auch Zuschauer und Eltern.“

Dennoch: Die im Sonderbericht genannten Spieler bekamen wegen unsportlichen Verhaltens ebenso nur eine Verwarnung wie Hamborns mittlerweile zurückgetretener Trainer. Beide Vereine nahmen das Urteil an, Özdemir und sein Rechtsbeistand hingegen nicht. „Unter vielen hat man hier einen Erwachsenen rausgepickt. Die Aussagen bestätigen aber nicht, dass er geschlagen, getreten oder gar jemanden verletzt hat. Die Unübersichtlichkeit rechtfertigt es nicht, einen Erwachsenen rauszupicken und ihm unsportliches Verhalten vorzuwerfen“, so der Anwalt des damaligen Hamborner Trainers.

Verletzungen bei Massenschlägerei: „Konnte drei Wochen nicht auftreten“

Dieser sah sich während der Verhandlung zahlreicher Vorwürfe vor allem von den Spielern des SC Croatia ausgesetzt, selbst aggressiv geworden zu sein, ehe er aber von mehreren Personen bis zum Zaun vor dem Klubhaus gedrängt wurde und zu Boden befördert wurde. Dabei habe er Verletzungen an den Knien davongetragen. „Ich konnte drei Wochen lang nicht auftreten.“ Bis heute seien aber – so betonte es sein Rechtsbeistand – keine polizeilichen Ermittlungen gegen ihn angelaufen. Die Polizei sähe Özdemir sogar eher als Geschädigten.

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Auch Hamborns Jugendleiter Dirk Kunze legt Wert darauf, dass sein Verein den Trainer nicht rausgeschmissen habe. „Wir wollten ihn nur ein Stück weit aus der Schusslinie nehmen“, betonte er. Özdemir sei aus freien Stücken zurückgetreten. „Das Ganze hat mir gezeigt: man bekommt auf die Schnauze und muss sich am Ende noch rechtfertigen“, bestätigte der Coach.

„Habe es schlimmer erwartet“: Hamborner Jugendleiter zeigt sich einsichtig

Dennoch hatte Kunze insgeheim wohl mit einer Sperre für Özdemir gerechnet. „Ich persönlich habe es schlimmer erwartet. Sechs Punkte sind natürlich eine Hausnummer, wenn man in der Leistungsklasse oben mitspielt, aber auch die Geldstrafe habe ich höher befürchtet“, so Kunze. Sein Verein zahlt 100 Euro mehr als Croatia, weil ein Zuschauer, der den Schiedsrichter offen bedrohte, klar als Großvater eines 07-Spielers identifiziert werden konnte.

„Es war für uns auch schwer, ein Statement abzugeben. Mit den Personen in der Spruchkammer möchte ich auch nicht tauschen, da ein salomonisches Urteil fällen zu müssen. Wir sind vollkommen einverstanden, werden das alles machen mit den Lehrgängen und die Jungs vielleicht zu irgendwas verdonnern, um das Geld reinzukriegen“, meinte Hamborns Jugendleiter, der sich auch früh telefonisch beim Schiedsrichter entschuldigt hatte.

So reagiert Croatia Mülheim auf die Vorkommnisse

Bei Croatia seien alle Jugendtrainer noch einmal ins Gebet genommen worden. „Wir haben natürlich viele Gespräche geführt. So etwas darf nicht vorkommen und wird auch nicht mehr vorkommen“, so Geschäftsführer Andreas Herring. Er hofft, dass das Anti-Gewalt-Training Wirkung zeige.

Mit Spannung darf also das Rückspiel am 11. Mai erwartet werden. Der FVN wird dann ein Schiedsrichtergespann inklusive Verbandsaufsicht nach Hamborn schicken.

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