Mülheim. Im Sportjahr 2020 war vieles anders - und doch war nicht alles schlecht. Persönliche Eindrücke, verbunden mit Wünschen für das Jahr 2021.
Die Vorfreude auf das Sportjahr 2020 bei mir war groß. Ich hatte mich darauf gefreut, Vereine, Sportler und Offizielle kennenzulernen, noch tiefer in die Mülheimer Sportlandschaft einzutauchen.
Bei aller gebotener Neutralität hatten wir natürlich auf eine erfolgreiche Saison der Mülheimer Mannschaften gehofft. Darauf, dass der VfB Speldorf doch noch in der Landesliga bleibt, dass der HTC Uhlenhorst den dritten deutschen Meistertitel in Folge holen kann. Darauf, dass die Geselligkeit bei den zahlreichen Sportevents in Mülheim nicht zu kurz kommt. Darauf, dass internationale Gäste aus der ganzen Welt die Yonex German Open einmal mehr zu einem Fest der Kulturen machen. Einfach gesagt: auf ein ganz normales Sportjahr, mit seinen Siegen und Niederlagen. Und dann kam Corona.
Erst werden die German Open abgesagt, dann geht nichts mehr
So richtig angekommen im Sport ist das Virus, als der damalige Sportdezernent und heutige Oberbürgermeister Marc Buchholz die Yonex German Open absagte. Zugegeben: Ich konnte die Gründe nachvollziehen, ein Coronaausbruch in Mülheim während des Turniers, hätte die Veranstaltung langfristig geschädigt. Dennoch hielt ich eine Absage zu diesem Zeitpunkt noch für zu früh. Aus heutiger Sicht muss ich sagen: Die Entscheidungsträger haben alles richtig gemacht. Denn was in den kommenden Monaten geschah, hätte sich wohl niemand ausmalen können.
Ich bin Sportjournalist geworden, weil Sport schon immer meine Leidenschaft war. Jan Ullrich, Michael Schumacher, Sven Hannawald oder Oliver Kahn haben mich begeistert, ich bin selbst passionierter Tennisspieler. Ich liebe den Geruch von Fußballstadien, von verschwitzten Sporthallen. Ich freue mich Woche für Woche darauf, über eben diese Veranstaltungen zu berichten. Den lokalen Helden – Timm Herzbruch, Mathias Lierhaus, Johanna Goliszewski, um nur einige wenige zu nennen – beim Ausüben ihrer Leidenschaft zuzusehen, ihre Leistungen einzuordnen und gemeinsam mit meinem Team darüber zu berichten. All das war seit März nicht mehr möglich.
Große Herausforderung für Verbände und Vereine
Die Helden dieser Zeit sind andere. Kranken- und Altenpfleger, Ärzte, Lehrer und all diejenigen, die tagtäglich alles dafür tun, damit wir diese Pandemie endlich in den Griff bekommen. Der Sport rückte von einem zum anderen Tag in den Hintergrund – und doch hat er, so denke ich, auch in dieser Zeit eine wichtige Rolle eingenommen. Aber eben eine andere.
Klar, zunächst waren die Verbände gefordert, um den Umgang mit dem Spielbetrieb zu regeln. Saisonabbruch ja oder nein? Auf- und Abstieg ja oder nein? Viele Fragen mussten beantwortet werden. Gleichzeitig bedeutete der Lockdown aber, dass die Vereine stillstanden. Vereine, die sich einerseits natürlich Erfolge für ihre Mannschaften und auch ihre Individualsportler wünschen. Die andererseits aber auch ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft sind. Das wurde und wird in dieser Zeit besonders deutlich.
Mülheimer Vereine trainieren virtuell - Tennisspieler zurück auf der Asche
Es war beeindruckend mitzuerleben, wie schnell sich die Klubs organisiert haben. Virtuelles Training wurde zur neuen Normalität, genau wie Mannschaftsabende die via Internet abgehalten wurden. Immerhin durfte gejoggt und geradelt werden. Ich selbst habe das Fahrradfahren wiederentdeckt, viele Mannschaftssportler waren in Mülheims Wäldern unterwegs - und verglichen sich mit Teamkollegen und Sportlern aus anderen Teams via App.
Die Tennisspieler haben dann im Juni den Anfang gemacht. Ich bin selbst aktiver Tennisspieler und war auch hier zunächst skeptisch, wie die Saison ablaufen würde. Ein Medenspiel ohne anschließend duschen zu können und mit Teamkollegen sowie Gegnern gemeinsam zu essen, wollte ich mir nicht vorstellen. Und zum Glück war genau das pünktlich zum ersten Spieltag im Juni wieder erlaubt. So wurde es eine nahezu normale Saison – natürlich mit weniger Zuschauern, mit Masken auf den Anlagen und mit dem gebotenen Abstand. Aber wir konnten gemeinsam unserem Sport nachgehen, die Gemeinschaft kehrte zurück und es war ein kleiner Schritt in Richtung Normalität.
100 Zuschauer beim ersten Fußballspiel nach der Zwangspause
Darauf hatten auch andere Sportarten lange hingefiebert – und die Erleichterung war groß, als im Sommer die ersten Fußballer auf die Plätze zurückkehrten, die Leichtathleten wieder trainieren konnten, Handballer zumindest unter freiem Himmel in die Vorbereitung starten konnten und der Sportbetrieb allmählich wieder anlief.
Wie groß die Sehnsucht war zeigte sich bei den ersten Testspielen der hiesigen Fußballmannschaften. Rot-Weiß Mülheim machte den Anfang. Auswärts bei Schwarz-Weiß Alstaden. An einem Mittwochabend machten sich knapp 20 bis 30 Schlachtenbummler auf den Weg, schnell war die maximale Zuschauerzahl von 100 Gästen erreicht. Draußen, vor dem Zaun, kamen einige nicht mehr rein. Endlich rollte der Ball wieder. Dass RWM das Spiel mit 3:2 gewann, war am Ende nur eine Randnotiz.
Spielbetrieb nimmt wieder Fahrt auf - nur für wenige Wochen
Und es schien, als würde sich das Jahr 2020 doch noch zu einem guten wenden. Die Hockeybundesliga nahm nach langen Monaten der Pause im September den Spielbetrieb wieder auf – das Vereinsleben kehrte zurück. Es roch wieder nach Bratwurst und Pils, es wurde gefachsimpelt, gejubelt und getrauert.
Dieses Glück währte dann aber nur kurz. Bis Ende Oktober wurde gespielt, dann kam der nächste Lockdown. Seitdem steht der Sport wieder still. Die Vereine sind mittlerweile krisenerprobt. Weihnachtsfeiern fanden am Drive-In-Schalter statt, Spendenläufe absolvierte jeder für sich, Glühweinabende wurden virtuell abgehalten. Alles wie im Frühjahr.
Vereine sorgen sich um den Nachwuchs
Die Vereine tun alles, um die Gemeinschaft am Leben zu halten. Um in dieser schweren Zeit Halt zu geben. Um die Jugend nicht zu verlieren. Denn zweifelsfrei trifft es die Nachwuchssportler besonders hart. In der Schule läuft alles anders, da wäre Bewegung in den Sportvereinen sicherlich eine willkommene Abwechslung. Bis es soweit ist, werden sie sich gedulden müssen. Hoffen wir, dass es nicht mehr allzulange dauert.
Ich habe in diesem Jahr oft das Lied „Underdog“ von Alicia Keys gehört. Zunächst, weil es mir schlicht gefallen hat. Als Corona sich ausbreitete, schrieb die US-Amerikanerin das Lied kurzerhand ein wenig um. Ging es vorher noch um Soldaten, die an der Front im Einsatz sind, bezog sie sich nun auf Ärzte und Krankenpfleger. Die Helden dieser Zeit: „[…] people on the front line, knowing they don’t get to run“.
Aber auch Sie, die in den Vereinen alles dafür geben, um ein Stück Normalität in den Alltag zu bringen, haben sich engagiert. Sie haben versucht, das Beste aus der schwierigen Situation zu machen.
Hoffnung auf eine Rückkehr auf die Plätze im Jahr 2021
Vor einem Jahr habe ich mich darauf gefreut, den Mülheimer Sport besser kennenzulernen. Ich glaube, das ist mir in diesem Jahr auf eine besondere Art und Weise gelungen, die wir alle so nie für möglich gehalten hätten. Wir haben uns in Videokonferenzen, am Telefon – und in viel zu seltenen Momenten auch auf den Sportanlagen getroffen.
Ich freue mich darauf, auch in Zukunft mit Ihnen über diverse Kanäle zu kommunizieren, hoffe aber, dass die Anzahl der persönlichen Treffen auf den Sportanlagen wieder die Oberhand gewinnt. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Euch ein frohes neues Jahr 2021 und vor allem Gesundheit.
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