Mülheim. Der neue Sportbundsvorsitzende Frank Esser spricht über den Ausbau von Sportstätten, über die Corona-Auswirkungen und eigene Marathon-Erfolge.
Seit bald 150 Tagen ist Frank Esser neuer Vorsitzender des Mülheimer Sportbundes. Maximilian Lazar und Marcel Dronia sprachen mit dem 56-Jährigen über die wichtigsten Themen wie den Ausbau von Sportstätten, die Schwimmausbildung und die Prävention gegen sexualisierte Gewalt.
Herr Esser, Sie sind erst seit 2017 beim MSB. Wie kam das Engagement für den Sportbund und schließlich der Wechsel auf den Posten des ersten Vorsitzenden zustande?
Wilfried Cleven hatte mich vor etwa fünf Jahren mal angesprochen. Allerdings muss man dazu sagen, dass ich ja mal für ein Jahr lang Präsident beim HTC Uhlenhorst war, und das ist leider wegen meiner fehlenden Erfahrung im Hockeysport gänzlich schiefgegangen. Deswegen wollte ich zunächst bei Wilfried in die Lehre gehen. Wir haben dann einen Jour fixe vereinbart, um jeden Donnerstag die aktuellen Themen gemeinsam mit der Geschäftsführerin zu besprechen, das machen wir auch immer noch. Und danach wollten wir entscheiden, ob das Sinn macht.
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Welche Eigenschaften können und wollen Sie in den MSB einbringen?
Ich habe keine klassische Sportfunktionärslaufbahn, bin eher Seiteneinsteiger. Aber ich war immer sportinteressiert. Ich habe ein gutes Organisationsvermögen, um einen Verband wie ein Unternehmen zu führen. Wer mich kennt, weiß, dass ich zwar eitel wegen meiner Person bin, aber völlig uneitel, was meine Position angeht. Es ist mir egal, ob ich in der Zeitung stehe oder jemand anderes. Wichtig ist, dass der MSB gut positioniert ist. Das funktioniert aber nur, wenn man sich vertraut. Zum Glück haben wir eine gute Geschäftsführerin und ein tolles Team. Außerdem hat man größtenteils mit Leuten aus den Vereinen zu tun, die sich einbringen und engagieren.
Wie sieht es denn mit eigenen sportlichen Aktivitäten aus?
Als Kind und Jugendlicher habe ich wenig Sport gemacht. Ich habe ein bisschen Fußball ausprobiert, ein bisschen Hockey – allerdings nicht am Uhlenhorst, sondern beim KHTC. Bis vor ein paar Jahren bin ich viel gelaufen und habe fünf Marathons beendet, da bin ich auch stolz drauf. Jeder weiß, wie schwer das ist, das ist ein reiner Kampf gegen sich selbst. In den Tagen danach läuft man wie auf Wolken. Ich habe das in Hamburg erlebt: In jeder Kneipe saß einer, der ganz stolz seine Marathon-Medaille gezeigt hat. In der Zeit habe ich auch einen Halbmarathon unter zwei Stunden geschafft.
Seit 1982 beim Mülheimer Wohnungsbau
Frank Esser wurde am 11. Februar 1965 in Oberhausen geboren, verbrachte dort aber nur die ersten drei Tage seines Lebens. „Seitdem bin ich immer in Mülheim geblieben“, sagt er.
1982 begann er eine Ausbildung zum Kaufmann der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft bei der Mülheimer Wohnungsbaugenossenschaft und ist dem Unternehmen – nur unterbrochen durch den Zivildienst – bis heute treu geblieben.
Über die Jahre bildete er sich zum Bilanzbuchhalter fort und wurde 1990 Abteilungsleiter des Rechnungswesens. Von 1994 bis 1997 absolvierte er ein Studium zum Diplomwohnungs- und Immobilienwirt. Zum 1. Januar 2001 rückte Esser in den MWB-Vorstand auf, seit dem Jahr 2007 ist er dessen Vorsitzender.
Von 2005 bis 2011 war der Mülheimer Vorsitzender des hiesigen SPD-Unterbezirks. Frank Esser hat zwei erwachsene Kinder. Tochter Daniela (30) ist Lehrerin an einer Grundschule, Sohn Robin (27) ist wie sein Vater in der Immobilienwirtschaft tätig.
Sie haben Ihr Engagement beim HTC Uhlenhorst angesprochen, jetzt sind Sie auf Verbandsseite tätig. Wo liegen die Unterschiede?
Vereine legen den Fokus naturgemäß auf den eigenen Sport. Wir haben eher den Anspruch, Dienstleister für alle unsere Mitglieder zu sein. Wir unterstützen die Vereine bei der Schaffung der nötigen Infrastruktur und übernehmen eine Beratungsleistung. Während der Corona-Pandemie waren die Vereine zum Beispiel immer am Wind der Information. Beim Förderprogramm „Moderne Sportstätte“ haben wir in meinen Augen eine hervorragende Arbeit gemacht. Dadurch, dass wir Architekten und Fachingenieure dazu genommen haben, konnten wir die Projekte unter objektiven Kriterien auswählen. Das war im Übrigen eine hervorragende Maßnahme der von CDU und FDP geführten Landesregierung. Das möchte ich einmal betonen, weil mir ja oft nachgesagt wird, dass ich eher die andere Richtung bevorzuge. Aber hier hat sich die CDU nicht ausbremsen lassen. Da das Geld über die Sportbünde verteilt wurde, konnte die Stadt es auch nicht mehr umschichten.
Glauben Sie, dass da vor der Landtagswahl eine Wiederholung zu erwarten ist?
Wenn ja, werden natürlich viele sagen, dass die Parteien damit nur ihren Wahlkampf befeuern wollen. Aber das sehe ich dann als MSB-Vorsitzender ganz entspannt, ärgern sollen sich andere darüber.
Was haben Sie in Ihren vier Jahren beim MSB als die größten Problemfelder ausgemacht?
Die Sportstrukturen sind hoffnungslos unterfinanziert. Man kann den Vereinen nicht das bieten, was man wollte. Der Mülheimer Sportservice holt das Maximum raus, aber wie lange diskutieren wir schon über die neue Dreifachsporthalle? Obwohl sie für die Luisenschule, als durch das Land NRW anerkanntes Sportgymnasium, von erheblicher Bedeutung ist. Ich sehe das übrigens nicht als Konkurrenz zu anderen Bereichen wie zum Beispiel der Kultur. Auch da gibt es Dinge wie den Betrieb der Freilichtbühne, wo es ärgerlich ist, dass wir so etwas nicht nachhaltig finanziert bekommen. Da geht es darum, kreativ zu sein.
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Die Leichtathletik-Anlagen am Wenderfeld und an der Mintarder Straße bekommen endlich die lang ersehnte Kunststofflaufbahn, die Dreifach-Sporthalle haben Sie schon angesprochen – welche Bauprojekte stehen in naher Zukunft noch im Fokus?
Das Hallenbad Heißen ist für uns ein wichtiges Thema, wobei mir ehrlich gesagt egal ist, wie es am Ende heißen wird. Und bald stehen die ersten Kunstrasenplätze wieder auf der Tagesordnung. Über eine beleuchtete Laufstrecke würden sich nicht nur die Sportler freuen, sondern auch Spaziergänger und Radfahrer. Generell ist es wichtig, dass die Anlagen auf Vordermann gebracht werden. Oftmals ist es leider das Verwalten einer Mangelwirtschaft, die nicht im Sinne des Sports ist.
Wie hat der Mülheimer Sport Ihrer Meinung nach die Corona-Krise überstanden?
Die Vereine haben gar nicht so viele Mitglieder verloren, das ist nicht das Problem. Aber es fehlen zwei Jahrgänge an Neueinsteigern. Da müssen wir schauen, dass wir diesen Verlust reduzieren und die Kinder schnellstmöglich wieder in den Sport bringen. Für die Eltern ist es dabei auch wichtig, wie die Sportstätten ausgestattet sind.
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Vor allem bei der Schwimmausbildung sind die Wartelisten während der Pandemie noch länger geworden. Welche Ideen gibt es, um dieses Problem zu lösen?
Schwimmen ist ein überlebenswichtiges Element. Mein Vater war Nichtschwimmer und bekam schon Panik, wenn ihm das Wasser bloß bis zur Hüfte stand. Es muss viel nachgeholt werden. Mit der „flotten Flosse“ und „Schwimm mit“ haben wir schon zwei Projekte zur Schwimmförderung, bei denen die Lehrerinnen und Lehrer durch Experten unterstützt werden, die auch mit ins Wasser gehen dürfen. Wir sind da schon besser aufgestellt als andere Städte.
Ein anderes großes Thema des MSB ist die Prävention gegen sexualisierte Gewalt. Für wie akut halten Sie den Aspekt im Mülheimer Sport?
Es ist hoffentlich kein akutes Problem und mittlerweile haben die meisten Vereine die Vereinbarung mit dem kommunalen sozialen Dienst bezüglich der Einsicht von erweiterten Führungszeugnissen auch unterschrieben. Aber wir kennen alle Menschen, bei denen wir uns das niemals vorstellen könnten, denn wohl ein Drittel aller Frauen haben in ihrem Leben sexualisierte Gewalt erfahren müssen. Deswegen muss man sich mit dem Thema intensiv beschäftigen. Denn es trägt zum gegenseitigen Schutz bei. Wenn ich erwarte, dass die Eltern mir ihre Kinder, den sensibelsten Teil unserer Gesellschaft, anvertrauen, dann muss ich dieses Vertrauen auch rechtfertigen. In Mülheim wurde für die Vereine ausgehandelt, dass auch Sammelbestellungen für das Ausstellen eines polizeilichen Führungszeugnisses möglich sind. Außerdem kostet es für Vereine nichts.
Das Beispiel zeigt aber auch, welchen bürokratischen Aufwand ehrenamtlich geführte Vereine heute leisten müssen.
Wir verbürokratisieren uns auf eine Art und Weise, die atemberaubend ist. Wir helfen da gerne, begleiten zum Beispiel bei Genehmigungsverfahren. Aber man muss die Unterstützung auch anfordern. Ich kenne keinen Fall, wo ein Anliegen nicht ernst genommen worden wäre. Durch die enge Zusammenarbeit findet sich für alles eine Lösung. Der Pakt für den Sport ist schon einmalig und „Mülheim macht Sport“ nicht nur ein Werbeslogan. Man darf Dinge, die lange funktionieren, nicht geringschätzen.
Sie sind jetzt bald 150 Tage im Amt. Wie lautet das erste Zwischenfazit?
Es hat sich bestätigt, dass wir einen hervorragend geführten Verband haben, mit Menschen, die großen Spaß daran haben, Sport zu ermöglichen. Die erste Zeit war geprägt von der Corona-Unterstützung, dem Hochwasser und der modernen Sportstätte. Ich habe gemerkt, dass mich das Amt mehr beschäftigt, als ich dachte.
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Dass die Fußstapfen Ihres Vorgängers Wilfried Cleven groß sind, darüber sind wir uns sicher einig. Aber welche eigenen Akzente wollen Sie in Ihrer Amtszeit setzen?
Wilfried Cleven ist für den Mülheimer Sport eine Legende, mit ihm möchte ich mich gar nicht vergleichen. Ich möchte seine Arbeit fortführen und den MSB zukunftssicher für die anstehenden Herausforderungen machen. Außerdem ist es mir ein Anliegen, Kinder und Jugendliche zu unterstützen, beispielhaft an den aktuellen Vorkommnissen rund um eine Mountainbike-Strecke unterstützen wir die Trailriders. Da ist viel Vertrauen der Kinder verloren gegangen, das wir zurückgewinnen müssen,